OGH 9Ob53/11a

OGH9Ob53/11a21.12.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, Hon.-Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D***** B*****, vertreten durch Dr. Klaus Krebs, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei S*****, vertreten durch Grama Schweighofer Vondrak Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 108.035,10 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 17. Juni 2011, GZ 39 R 84/11h-20, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 3. Februar 2011, GZ 45 C 575/09g-16, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Der Antrag der klagenden Partei auf Zuspruch der Kosten der Rekursbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung

I. Das Berufungsgericht hat den Rekurs unter Bezugnahme auf die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs zu 5 Ob 7/98k, 1 Ob 180/07p und 3 Ob 314/00m sowie 5 Ob 262/02v und 5 Ob 239/99d sowie 1 Ob 226/98m wegen Fehlens einer einheitlichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zugelassen.

II. Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit des Rekurses an den Ausspruch des Berufungsgerichts nicht gebunden (§ 526 Abs 2 ZPO).

III. Zum besseren Verständnis werden die wesentlichen Sachverhaltsfeststellungen vorangestellt:

Die Stammeinlage der beklagten Mietergesellschaft mbH hält zu 99 % eine Finanzierungs GmbH, die als Alleingesellschafter selbst wieder eine Beteiligungsverwaltungs GmbH hat, deren Stammeinlage von einer Bank gehalten wird. 100 % der Aktien dieser Banken AG wurden von einem Verein an ein Konsortium um einen Fonds veräußert.

IV. Die Klägerin stützt ihr Klagebegehren im Wesentlichen auf die Berechtigung der Anhebung des Mietzinses nach § 12a Abs 3 MRG im Hinblick auf die Veräußerungen der Aktien an der Bank AG.

Die Beklagte bestritt das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Mietzinsanhebung nach § 12a MRG.

Das Erstgericht wies die Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass an oberster Stelle kein „Machtträger“ vorhanden gewesen sei, da der Verein im „Streubesitz“ sämtlicher Vereinsmitglieder gestanden sei und auch „das Konsortium“ verschiedene Eigentümer im Sinne eines Streubesitzes habe. Insoweit könne nicht von einem „Kippen“ der Machtverhältnisse ausgegangen werden.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Klägerin Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Nach der Rechtsprechung liege eine Einflussänderung bei der Mietergesellschaft auch dann vor, wenn diese bloß mittelbar über dazwischengeschaltete weitere Gesellschaften erfolge. Bei einem Konzern gehe es letztlich um die Änderungen der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten in der Konzernspitze. Zwar habe der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung zu 3 Ob 114/00m die Ansicht vertreten, dass die Begründung von Streubesitz in der Holding AG noch nicht den Tatbestand des § 12a Abs 3 MRG verwirkliche, sei davon aber in der Entscheidung zu 5 Ob 262/02v ausdrücklich abgegangen. Dies entspreche auch der Entscheidung zu 5 Ob 239/99d. Auch in der Entscheidung zu 1 Ob 266/98m habe der Oberste Gerichtshof daran festgehalten, dass der Gesetzgeber die Veräußerung der Anteilsmehrheit jedenfalls als Änderung iSd § 12a Abs 3 MRG verstehen wolle. Durch die Veräußerung im Streubesitz trete eine Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten ein, wonach die nunmehr überwiegenden neuen Gesellschafter den wirtschaftlichen Nutzen aus dem billigen Mietrecht haben. Da mit der Veräußerung der Aktien an das Konsortium der Tatbestand des § 12a Abs 3 MRG verwirklicht sei, sei das abweisende Urteil des Erstgerichts aufzuheben und die Angemessenheit des Mietzinses zu ermitteln. Die Zulässigkeit des Rekurses gegen den Aufhebungsbeschluss begründete das Berufungsgericht durch Hinweis auf eine „uneinheitliche oberstgerichtliche Judikatur“.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig.

§ 12a Abs 3 MRG bestimmt, dass bei einer juristischen Person dann, wenn sich in ihr die rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten entscheidend ändern, wie etwa durch Veräußerung der Anteile, eine Anhebung des Hauptmietzinses entsprechend § 12a Abs 2 MRG auf den angemessenen Hauptmietzins nach § 12a Abs 2 MRG verlangt werden kann. Nach ständiger Rechtsprechung kommt es für die Verwirklichung dieses Tatbestands nicht darauf an, ob der geänderte entscheidende Einfluss auf die Mietergesellschaft von innen oder von außen erfolgt. Dieser kann dementsprechend auch mittelbar eintreten (RIS-Justiz RS0111296 mwN; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht I22 § 12a Rz 18). Zu 1 Ob 180/07p wurde ausgesprochen, dass die Möglichkeit eines entscheidenden Einflusses auf die Mietergesellschaft auch dann tatbestandsmäßig iSd § 12a Abs 3 MRG ist, wenn sie bloß mittelbar - etwa über zwischengeschaltete weitere Gesellschaften - besteht, weshalb die Änderung auf der Ebene jener (Konzern-)Gesellschaft ausreicht, die aufgrund von Beteiligungen einen beherrschenden Einfluss auf die Mietergesellschaft ausübt. Im Regelfall wird auf die Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeit im Sinne eines „Kippens“ der Mehrheitsverhältnisse abgestellt (RIS-Justiz RS0108983; RS0111167). Es entspricht auch der ständigen Rechtsprechung, dass jedenfalls bei einer Veräußerung der Anteilsmehrheit eine solche entscheidende Änderung vorliegt (RIS-Justiz RS0069558 mzwN). Soweit der vereinzelt gebliebenen Entscheidung zu 3 Ob 114/00m hinsichtlich der bloßen Begründung des Streubesitzes an der Holding AG Gegenteiliges entnommen werden kann, hält der Oberste Gerichtshof in zahlreichen Folgeentscheidungen an dem dargestellten Grundsatz fest und hat diesen zuletzt in seiner Entscheidung zu 5 Ob 198/09t noch dahin präzisiert, dass mit dieser Veräußerung jedenfalls ein Machtwechsel indiziert ist. Das Fortbestehen insoweit unveränderter Machtverhältnisse wurde weder behauptet, noch festgestellt.

Dass eine vereinzelte abweichende ältere Entscheidung (3 Ob 114/00m) aber noch nicht das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 519 Abs 2 iVm § 502 Abs 1 ZPO zu begründen vermag entspricht der ständigen Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0042690).

Dem entsprechend war der Rekurs ungeachtet des den Obersten Gerichtshofs nicht bindenden Ausspruch zurückzuweisen.

Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit des Rekurses nicht hingewiesen (RIS-Justiz RS0035962 mwN).

Stichworte