OGH 10ObS106/14g

OGH10ObS106/14g30.9.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Höfle (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Ing. Thomas Bauer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei F*****, vertreten durch Scherbaum ‑ Seebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist‑Straße 1, wegen Berufsunfähigkeitspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 9. Juli 2014, GZ 7 Rs 34/14w‑37, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:010OBS00106.14G.0930.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach in Zukunft trotz zumutbarer Krankenbehandlung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartende leidensbedingte Krankenstände von sieben Wochen oder mehr einen Versicherten vom allgemeinen Arbeitsmarkt ausschließen, während dies bei einer prognostizierten Krankenstandsdauer von sechs Wochen jährlich noch nicht angenommen wird (jüngst 10 ObS 89/13f; RIS‑Justiz RS0084429 [T3]; RS0084898 [T1]; vgl RS0084855), richtig wiedergegeben und angewendet. Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers lässt sich der oberstgerichtlichen Entscheidung 10 ObS 31/96, SSV‑NF 10/14, nicht entnehmen, dass eine Krankenstandsprognose von sechs und dreiviertel Wochen jährlich genüge. Nach dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt war eine Gesamtkrankenstandsdauer der Versicherten von sechs Wochen jährlich zu erwarten. Darüber hinaus waren bei ihr alle drei bis vier Jahre zusätzlich zu diesen leidensbedingten Krankenständen von sechs Wochen pro Jahr Rehabilitationsmaßnahmen durch Kuraufenthalte von rund drei Wochen erforderlich, um eine Verschlimmerung der bestehenden Krankheit zu verhindern. Der Oberste Gerichtshof hat in diesem Fall angenommen, dass der Versicherten der Wahrscheinlichkeitsbeweis für einen Kuraufenthalt für das kürzere Intervall von drei Jahren gelungen sei. Demnach war für die Versicherte unter Einrechnung der in Abständen von drei bis vier Jahren indizierten Kuraufenthalte mit Krankenständen in der Dauer von sieben Wochen jährlich zu rechnen.

Im vorliegenden Fall ist aber nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichts „unter Berücksichtigung eines stationären Rehabilitationsaufenthalts in der Dauer von drei Wochen alle zwei Jahre mit Krankenständen in der Dauer von 6,5 Wochen je Jahr zu rechnen“.

Zutreffend hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass sich aus dem vom Kläger vorgelegten statistischen Material eine Reduzierung der durchschnittlichen Krankenstandsdauer je männlichen Erwerbstätigen auf 12,5 Tage im Jahr 2012 ergibt. Eine derartige Reduzierung ist ‑ wie schon wiederholt ausgesprochen wurde ‑ nicht so wesentlich, dass damit eine Änderung der Rechtsprechung in Bezug auf die einen Arbeitsmarktausschluss bedingenden Krankenstandszeiten angezeigt wäre (10 ObS 86/04a mwN).

Zu Unrecht wirft der Revisionswerber dem Berufungsgericht vor, es habe einen Mangel des Verfahrens erster Instanz aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung verneint. Der Kläger hatte in seiner Berufung gerügt, dass der Sachverständige Dr. R***** zwar generell ein hohes Risiko, unabhängig vom Leistungskalkül des Klägers, gesehen habe, dass dieser wiederum einen Stent benötige, für die Stent‑Setzung aber keine zusätzlichen Krankenstandstage „einkalkuliert“ worden seien. Dem erwiderte das Berufungsgericht, trotz des hohen Risikos der Erforderlichkeit weiterer Stents könne im Hinblick auf die 50%ige Wahrscheinlichkeit, dass eine maßgebliche Verschlechterung in absehbarer Zeit nicht eintreten werde, durchaus nachvollzogen werden, dass zusätzliche Krankenstände nicht mit erforderlicher hoher Wahrscheinlichkeit prognostiziert werden könnten. Indem der Revisionswerber ein „hohes Risiko“ einer „hohen Wahrscheinlichkeit“ gleichsetzt, meint er, denklogisch bestehe durch ein hohes Risiko für eine neuerliche Stent‑Setzung eine hohe Wahrscheinlichkeit für zusätzliche leidensbedingte Krankenstände im Sinne der ständigen Rechtsprechung. Dem ist zu erwidern, dass sich aus einem hohen Risiko einer Stent‑Setzung nicht ergibt, wann und in welchen Intervallen diese mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. In Wahrheit versucht der Revisionswerber mit seinen Ausführungen zur Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens die nicht revisible Beweiswürdigung der Vorinstanzen zu bekämpfen, ist doch die Krankenstandsprognose eine Tatsachenfrage, die von den Gerichten erster und zweiter Instanz aufgrund von Gutachten ärztlicher Sachverständiger zu klären ist (10 ObS 86/04a).

Stichworte