European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0110OS00044.14A.0826.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Aykut A***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1, Abs 2 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 25. Juni 2013 in Wien dadurch, dass er Mathilde E***** eine Handtasche mit 30 Euro Bargeld mit einem starken „Ruck“, worauf sie losließ, um einen Sturz zu vermeiden, entriss (US 4), mit Gewalt gegen eine Person eine fremde bewegliche Sache mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, wobei der Raub ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes begangen wurde und die Tat nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.
Die Beschwerdekritik (nominell Z 5 zweiter Fall, der Sache nach Z 5 vierter Fall; vgl RIS‑Justiz RS0118316 und RS0099413) am Fehlen einer Begründung für die „Feststellung der Tatsache ..., dass die Tat an sich nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat“, geht schon deshalb ins Leere, weil die Beurteilung von Tatfolgen als unbedeutend iSd § 142 Abs 2 StGB Gegenstand der rechtlichen Beurteilung ist (vgl auch 13 Os 125/08v; 12 Os 148/09w) und damit nicht der Anfechtung mit Mängelrüge unterliegt (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 391 und 393; RIS‑Justiz RS0106268). Welche der für diese rechtliche Einordnung entscheidenden Tatsachen im Urteil „gänzlich unbegründet“ geblieben sein sollen, führt die Beschwerdeführerin nicht aus, weshalb ihr mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung des ihrer Ansicht nach Nichtigkeit bewirkenden Umstands kein Erfolg beschieden sein kann (vgl RISJustiz RS0099563).
Die sich gegen die Unterstellung der Tathandlung unter die unselbständige Privilegierung (Hintersteininger SbgK § 142 Rz 43; Ratz in WK² StGB Vorbem zu §§ 28‑31 Rz 34) des § 142 Abs 2 StGB wendende Subsumtionsrüge (Z 10) argumentiert, es seien die gegen das Opfer eingesetzte Gewalt bereits erheblich und auch die Tatfolgen nicht unbedeutend gewesen, stützt sich dabei aber weder auf die Gesamtheit der getroffenen Urteilskonstatierungen noch bezeichnet sie ‑ unter Angabe von entsprechenden Fundstellen in den Akten ‑ in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse, die auf einen nicht durch Feststellungen geklärten Sachverhalt hinweisen, der die begehrte rechtliche Beurteilung indizieren würde (RIS‑Justiz RS0099810, RS0118580; 14 Os 71/10p).
So lässt die Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit der Frage, ob die eingesetzte Gewalt nach dem anzuwendenden objektiv-individualisierenden Maßstab als erheblich zu beurteilen ist, die Urteilsannahmen unberücksichtigt, denen zufolge es sich bei dem 90‑jährigen Opfer (trotz fortgeschrittenen Alters) um eine „sehr rüstige Pensionistin“ handelte, die „in der Situation sehr perplex [war], sodass jegliche Gegenwehr unterblieb“, und wonach der Angeklagte ihr keinen Stoß versetzte, sondern lediglich „mit einem kurzen Ruck“ die in der Hand gehaltene Tasche entriss, „welcher jedoch so stark war, dass das Opfer diese losließ, um einen Sturz zu vermeiden“ (ON 38 S 7 und 13; vgl zur Abgrenzung vom Diebstahl auch RIS‑Justiz RS0093941 [T4, T15]). Demnach leitet sie auch nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz oder den zitierten Kommentarstellen (Eder‑Rieder in WK2 StGB § 142 Rz 56 f) ab (RIS‑Justiz RS0116565, RS0118429), aus welchem Grund die vom Erkenntnisgericht angenommene Gewaltanwendung selbst unter Berücksichtigung des Umstands, dass Mathilde E***** „für ihr Fortkommen“ einen Gehstock benötigt und ihre (in der anderen Hand gehaltene) Tasche loslassen musste, um nicht zu stürzen (US 7 und 13), einen Einsatz beachtlicher physischer Kraft in vehementer Weise gegen das konkrete Tatopfer darstellte (vgl SSt 51/50; 13 Os 109/96; RIS‑Justiz RS0094365, RS0094367, RS0094427).
Soweit die Beschwerdeführerin unter dem Aspekt nicht unbedeutender Folgen der Tat auf den (vorübergehenden) Verlust eines Schlüsselbunds und auf „nach allgemeiner Lebenserfahrung“ damit verbundene „erhebliche Unannehmlichkeiten, wie zB Austausch des Schlosses“ rekurriert, ignoriert sie die ‑ von ihr nicht beanstandeten ‑ Annahmen zum Fehlen eines (objektiven) Bedarfs für einen Schlosstausch (US 8).
Die Beschwerdebehauptung, unbedeutende Tatfolgen wären aufgrund des (vorübergehenden) Verlusts von wichtigen Urkunden (Personalausweis und E‑Card des Opfers) nicht anzunehmen, übergeht die weiteren Urteilspassagen, wonach sämtliche weggenommenen Gegenstände (mit Ausnahme des Bargelds) am 7. Juli 2013 von einem Passanten gefunden und Mathilde E***** ausgefolgt wurden (US 7 und 13). Dass diese in der Zwischenzeit etwa „Behördengänge zur Beantragung neuer Dokumente“ unternommen hätte, ist eine urteilsfremde Spekulation.
Ein Feststellungsmangel dahin, dass der entfremdete Personalausweis oder die E‑Card vom Opfer innerhalb des Zeitraums von 25. Juni 2013 bis 7. Juli 2013 benötigt worden wären, wird nicht geltend gemacht. Weshalb es daher fallaktuell durch das bloß vorübergehende Fehlen der genannten Dokumente auch zu einer fühlbaren Beeinträchtigung des Tatopfers im Sinn der Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0094494) gekommen sein soll (vgl 13 Os 125/08v, 12 Os 148/09w und 14 Os 71/10p), legt die Beschwerde nicht dar.
Sie war daher ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ bereits bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Die Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde der Staatsanwaltschaft obliegt damit dem Oberlandesgericht (§ 285i StPO).
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