OGH 11Os57/14p

OGH11Os57/14p26.8.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. August 2014 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, Mag. Michel, Dr. Michel‑Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Anscheringer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Peter W***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 25. März 2014, GZ 37 Hv 1/14z‑23, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0110OS00057.14P.0826.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch - von der Staatsanwaltschaft unbekämpft ‑ einen Freispruch von einer weiteren Tat sowie einen materiell‑rechtlich (vgl RIS-Justiz RS0115230) und prozessual verfehlten, jedoch bedeutungslosen Freispruch vom Vorwurf einer ideell konkurrierenden strafbaren Handlung (RIS‑Justiz RS0115553, RS0120128) enthält, wurde Peter W***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2004/15 (I) und der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (II) sowie nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (III) schuldig erkannt.

Danach hat er am 23. Juni 2013 in G*****

I./ Monica‑Florentina C***** mit Gewalt zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung zu nötigen versucht, indem er ihre Beine festhielt, sie auf das Bett drückte, sich auf sie legte, sie würgte und versuchte, sie auf den Bauch zu drehen, um gegen ihren Willen mit seinem Penis in ihren Anus einzudringen;

II./ Orsolya‑Ibolya V***** mit Gewalt und durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Körper zur Rückgabe des für die Dienstleistung einer Prostituierten bezahlten Geldbetrags genötigt, indem er sie am Arm packte, ein Glas in die Hand nahm und ankündigte, ihr dieses gegen den Kopf zu schlagen;

III./ Dragisa N***** mit Gewalt und durch gefährliche Drohung zumindest mit einer Verletzung am Körper zur Rückgabe des für die Dienstleistung einer Prostituierten bezahlten Geldbetrags und zur Abstandnahme von der Verständigung der Polizei zu nötigen versucht, indem er ihr einen Faustschlag gegen das rechte Ohr versetzte und äußerte „ich will mein Geld, ich bringe dich um, du rufst nicht an“.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die vom Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a und 9 lit b StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde.

Der auf § 281 Abs 1 Z 4 StPO gestützten Beschwerdekritik am Unterbleiben der Ausforschung einer zur Tatzeit angeblich im Lokal anwesend gewesenen weiteren Prostituierten sowie am Unterbleiben der Vernehmung der Polizeibeamten BI Richard T*****, GI Richard P***** und RI Manuela K***** kann schon deshalb kein Erfolg beschieden sein, weil die Nichtausschöpfung von Beweismitteln nur unter der Voraussetzung einer erfolglos gebliebenen Antragstellung in der Hauptverhandlung (vgl dagegen ON 22 [insbesondere PS 42 f]) Nichtigkeit im Sinn der angesprochenen Bestimmung bewirken kann (RIS‑Justiz RS0099400 [T1 und T2], RS0099250, RS0099244). Eine aus § 281 Abs 1 Z 4 StPO relevante Anleitungspflicht bestand gegenüber dem anwaltlich vertretenen Angeklagten nicht (RIS‑Justiz RS0096346 [T3, T5 und T6]; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 315).

Auch unter dem Aspekt der Aufklärungsrüge (Z 5a) macht der Beschwerdeführer nicht klar, wodurch er an der Ausübung seines Rechts gehindert war, die vermissten Beweisaufnahmen in der Hauptverhandlung sachgerecht zu beantragen (RIS‑Justiz RS0115823).

Der Begründungsmangel der Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) liegt dann vor, wenn aus objektiver Sicht nicht für sämtliche unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeitsgründe relevanten Urteilsadressaten unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache festgestellt wurde, aus welchen konkreten Gründen die Feststellung solcher Tatsachen erfolgte, oder wenn nicht zu erkennen ist, was das Urteil feststellen wollte (RIS-Justiz RS0117995).

Unvollständigkeit iSd Z 5 zweiter Fall ist gegeben, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ (RIS‑Justiz RS0118316).

Der Ausspruch des Gerichts über entscheidende Tatsachen ist nur dann mit sich selbst im Widerspruch (Z 5 dritter Fall), wenn zwischen Feststellungen und deren zusammenfassender Wiedergabe im Urteilsspruch oder zwischen zwei oder mehr Feststellungen in den Entscheidungsgründen oder zwischen Feststellungen und den dazu in der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen oder zwischen in der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen ein Widerspruch besteht (RIS‑Justiz RS0119089).

Keine oder eine nur offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) liegt dann vor, wenn für den Ausspruch über eine entscheidende Tatsache entweder überhaupt keine oder nur solche Gründe angegeben sind, aus denen sich nach den Denkgesetzen und allgemeiner Lebenserfahrung ein Schluss auf die zu begründende Tatsache entweder überhaupt nicht ziehen lässt oder der logische Zusammenhang kaum noch erkennbar ist (RIS‑Justiz RS0099413).

Aktenwidrig (Z 5 fünfter Fall) sind Entscheidungsgründe bloß, wenn sie den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder eines anderen Beweismittels in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergeben (RIS-Justiz RS0099547).

Demgegenüber beschränkt sich der Beschwerdeführer in seiner Mängelrüge (Z 5) darauf, unter Verweis auf seine Verantwortung, isolierter Betonung einzelner Depositionen von Zeugen und Bestreitung deren Glaubwürdigkeit eigenständige Beweiserwägungen anzustellen und für ihn günstigere Feststellungen einzufordern. Damit bekämpft er aber bloß die von den Tatrichtern ‑ unter Berücksichtigung vorliegender Widersprüche ‑ aus diesen Aussagen im Zusammenhalt mit den nach der Anzeigeerstattung dokumentierten Verletzungen, den Ausführungen des medizinischen Sachverständigen, dem Fehlen eines Motivs für eine Falschbezichtigung und dem von den befragten Personen gewonnenen Eindruck abgeleiteten Schlussfolgerungen (US 7 bis 12) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld. Durch die Relevierung des Zweifelsgrundsatzes wird keine Nichtigkeit aufgezeigt (RIS‑Justiz RS0117561, RS0102162, RS0099756).

Ebensowenig gelingt es der Tatsachenrüge (Z 5a), beim Obersten Gerichtshof durch Bezugnahme auf diese Beweiswerterwägungen und eine eigenständige Interpretation von isoliert hervorgehobenen Passagen der Aussage der Zeugin C***** gravierende Bedenken (RIS‑Justiz RS0119583) gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen zu erwecken.

Hinsichtlich des Schuldspruchs zu I fordert die Rechtsrüge (Z 9 lit b) einen Freispruch wegen Rücktritts vom Versuch der Vergewaltigung, orientiert sich dabei jedoch prozessordnungswidrig (RIS‑Justiz RS0099810) nicht am gesamten Urteilssachverhalt, wonach der Angeklagte „aufgrund der massiven Gegenwehr von C***** sein Vorhaben nicht realisieren konnte“ und nur deshalb von ihr abließ (US 5 und 13). Mit der Behauptung fehlender Beweisergebnisse für diese Feststellungen wendet sich die Beschwerde der Sache nach bloß abermals unzulässig gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher ‑ im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Mit Blick auf § 290 Abs 1 StPO bleibt anzumerken, dass die Wertung der Uneinsichtigkeit des Angeklagten als eine für die Strafzumessung (mit‑)entscheidende Tatsache (US 15 vorletzter Absatz) eine iSd § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO unrichtige Gesetzesanwendung darstellt (RIS‑Justiz RS0090897). Diesem von der Beschwerde nicht aufgegriffenen Umstand wird das Oberlandesgericht bei der Berufungsentscheidung Rechnung zu tragen haben (RIS‑Justiz RS0122140).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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