European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0030OB00108.14Z.0821.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs des Vaters wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
Der Vater wurde mit rechtskräftigem Beschluss vom 27. August 2010 verpflichtet, ab 1. April 2010 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 230 EUR für seinen Sohn zu leisten (ON 32 und 37). Dieser Entscheidung wurde in Übereinstimmung mit dem Antragsvorbringen (ON 12) ein dem Vater nach Anspannungsgrundsätzen zugerechnetes durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen als Hilfsarbeiter in Höhe von 1.200 EUR netto zugrunde gelegt. Da der Vater damals unbekannten Aufenthalts war, wurde er im Unterhaltsfestsetzungsverfahren durch einen Zustellkurator gemäß § 116 ZPO vertreten (ON 29).
Am 22. Oktober 2013 gab der Vater einen Abänderungsantrag zu gerichtlichem Protokoll (ON 78): Bereits bei der Trennung von der Mutter seines Sohnes im Jahr 2010 sei er drogensüchtig gewesen; die Mutter seines Sohnes habe davon gewusst. Ab 1. April 2010 sei er ohne Einkommen gewesen und von seiner eigenen Mutter unterstützt worden. Seit 3. Oktober 2013 sei er ein halbes Jahr in stationärer und anschließend 18 Monate in ambulanter Therapie. Anlässlich der Unterhaltsfestsetzung sei die Drogenabhängigkeit nicht aktenkundig gewesen. Der Mutter seines Sohnes sei bekannt gewesen, dass er postalisch nicht erreichbar gewesen sei; er habe sich nicht angemeldet, um zu verhindern, dass er Strafen absitzen müsse (diese seien mittlerweile verjährt). Außerdem sei sie damit einverstanden gewesen, dass die väterliche Großmutter einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 200 EUR leiste.
Das Erstgericht änderte den Beschluss vom 27. August 2010 dahin ab, dass es den Vater ab 1. April 2010 zu einem monatlichen Unterhaltsbeitrag von 50 EUR verpflichtete. Aufgrund der Drogensucht, die als Krankheit gelte, und der derzeitigen stationären Therapie komme der Anspannungsgrundsatz nicht zum Tragen.
Das Rekursgericht wies den Abänderungsantrag zurück. Der Vater berufe sich nicht auf seine fehlende Vertretung im Unterhaltsfestsetzungsverfahren (als Folge einer gesetzwidrigen Kuratorbestellung), sondern darauf, dass der Kurator mangels Kenntnis nicht imstande gewesen sei, zur fehlenden Leistungsfähigkeit vorzubringen und Beweise anzubieten. An diesem Umstand treffe den Vater aber ein Verschulden, weil er „untergetaucht“ sei. Ihm sei seinerzeit am 7. Mai 2009 ‑ während einer Haft ‑ der Beschluss über die Gewährung von Haftvorschüssen mit dem Hinweis zugestellt worden, dass er verpflichtet sei, sämtliche für die Vorschussgewährung wesentlichen Änderungen dem Gericht unverzüglich mitzuteilen, insbesondere auch die Enthaftung, die Veränderung des Aufenthaltsorts und eine verminderte Leistungsfähigkeit.
Der Revisionsrekurs wurde mit der Begründung zugelassen, dass noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zum Abänderungsantrag nach § 73 Abs 1 Z 6 AußStrG vorliege, wenn der geldunterhaltspflichtige Elternteil im vorhergegangenen Unterhaltsfest-setzungsverfahren durch einen Zustellkurator vertreten und erst nach rechtskräftigem Abschluss des betreffenden Verfahrens in der Lage gewesen sei, die für seinen Standpunkt günstigen Tatsachen zu behaupten und zu beweisen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus diesen Gründen zum Zweck der Klarstellung zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.
In seinem Revisionsrekurs bestreitet der Vater das vom Rekursgericht angenommene Verschulden. Abgesehen von seiner rechtlichen Unerfahrenheit sei er im Zeitpunkt der Zustellung des Beschlusses auf Gewährung von Haftvorschüssen in der Haft mit Entzugserscheinungen konfrontiert gewesen, weshalb er dem Inhalt des Beschlusses nicht folgen habe können. Vor Einleitung des Unterhaltsbemessungsverfahrens habe er keine besonderen Diligenzpflichten zu erfüllen gehabt. Diligenzpflichten während des laufenden Verfahrens seien im Lichte der Drogensucht und der Haft (mit den damit verbundenen Entzugserscheinungen) zu beurteilen, sodass auch diesbezüglich ein Verschulden zu verneinen sei. Für eine vorsätzliche Nichtbekanntgabe einer Anschrift gäbe es keine Anhaltspunkte.
Dazu wurde erwogen:
1. Die Rechtsprechung zur Wiederaufnahmeklage nach § 530 ZPO kann wegen der Parallelität der Normen auch für den Abänderungsantrag nach § 73 AußStrG herangezogen werden (RIS-Justiz RS0124752; Klicka in Rechberger , AußStrG 2 § 73 Rz 4).
2. Das Vorliegen des Wiederaufnahmegrundes des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO wird bejaht, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außerstande war, im Vorverfahren vor Gericht aufzutreten oder dem für sie bestellten Abwesenheitskurator ihr bekannte Tatsachen mitzuteilen (4 Ob 25/52 = SZ 25/158; 2 Ob 3/54 = SZ 27/126; 4 Ob 2352/96b; RIS‑Justiz RS0044498; Jelinek in Fasching/Konecny ² § 530 ZPO Rz 184). Dieselben Erwägungen gelten für die Abänderung nach § 73 Abs 1 Z 6 AußStrG.
3. Derjenige, der die Abänderung einer rechtskräftigen Entscheidung begehrt, ist behauptungs- und beweispflichtig dafür, dass er ohne sein Verschulden die neuen Tatsachen oder Beweismittel nicht schon im Vorverfahren geltend machen konnte (RIS‑Justiz RS0110301 [T6], RS0124753 [T1 und T2]). Das Verschulden ist ‑ nach dem Maßstab des § 1297 ABGB ‑ streng zu prüfen (RIS‑Justiz RS0044623 [T1]). Kommt der Antragsteller seiner Pflicht in seinem Antrag nicht nach, ist der Antrag zurückzuweisen (RIS‑Justiz RS0124753).
3.1. § 73 Abs 3 AußStrG stellt auf das Verschulden der Partei ganz allgemein ab und nicht nur auf schuldhaftes Handeln während des Verfahrens. Auch im Vorstadium eines Verfahrens ist eine Diligenzpflicht einzuhalten, die bei einer nicht anwaltlich vertretenen Partei geringer ausgeprägt ist als bei der rechtskundig vertretenen; außerdem bestehen für einen Antragsgegner geringere Sorgfaltsanforderungen als für einen Antragsteller (vgl Fasching , Lehrbuch 2 Rz 2067 und Jelinek in Fasching/Konecny 2 § 530 ZPO Rz 206 ff). Entscheidend ist, ob eine Partei bereits vor Einleitung eines Verfahrens gegen sie erkennen konnte, dass ein Rechtsstreit möglich sein werde und dass die dazu erforderlichen Tatsachen und Beweismittel ‑ etwa auch die eigene Person für die Vernehmung als Partei - jedenfalls gesichert und bereitgestellt werden sollen (siehe Jelinek in Fasching/Konecny 2 § 530 ZPO Rz 206).
3.2. Unter den gegebenen Umständen des Einzelfalls ist dem Rekursgericht beizupflichten, dass der Vater im Hinblick auf den gewährten Haftvorschuss vom Pflegschaftsverfahren Kenntnis hatte und dass ihm auch durch „Wichtige Hinweise“ (im Zusammenhang mit der Gewährung von Haftvorschüssen für seinen Sohn) vor Augen geführt worden war, dass er eine Änderung seines Aufenthaltsorts dem Pflegschaftsgericht bekanntgeben müsse. Der Auftrag, die Enthaftung und den Aufenthalt bekanntzugeben, ist auch für einen juristischen Laien verständlich. Speziell musste der Vater ‑ mangels Unterhaltsleistung durch ihn ‑ auch damit rechnen, dass es voraussichtlich zu einem Unterhalts‑(festsetzungs‑)verfahren kommen wird.
Ungeachtet dessen hat der Vater ‑ wie er selbst angegeben hat ‑ eine meldegesetzliche Meldung unterlassen, um sich der Vollstreckung von (vermutlich) Freiheitsstrafen nach §§ 12, 16 VStG zu entziehen.
Dies ist ihm als Verletzung der ihn treffenden Diligenzpflicht anzulasten, weshalb von seinem Verschulden iSd § 73 Abs 3 AußStrG auszugehen ist, das eine Abänderung auf der Grundlage von § 73 Abs 1 Z 6 AußStrG von vornherein verhindert.
3.3. Die Argumentation im Revisionsrekurs, einen suchtmittelabhängigen Häftling treffe keine prozessuale Sorgfaltspflicht, da ihm eine Mitwirkung (im Zusammenhang mit dem Entzug) unzumutbar sei, scheitert schon daran, dass sich die nun ins Treffen geführten Entzugserscheinungen nach dem (im Strafverfahren eingeholten) Gutachten, auf das sich der Antragsteller bezieht, auf Schlafstörungen, depressive Stimmungsschwankungen und allgemeines Unwohlsein beschränkten (ON 84, S 7).
4. Soweit der Vater geltend macht, die Feststellungen der Vorinstanzen seien nicht ausreichend durch Beweisergebnisse belegt, wendet er sich gegen die in dritter Instanz nicht anfechtbare Tatsachengrundlage.
Im Revisionsrekurs bleibt auch offen, welches Vorbringen der Vater erstattet und welche Beweise er angeboten hätte, wenn ihn das Erstgericht über seine Behauptungs‑ und Beweispflicht hinsichtlich des mangelnden Verschuldens belehrt hätte.
5. Dem Revisionsrekurs ist daher nicht Folge zu geben.
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