OGH 14Os66/14h

OGH14Os66/14h12.8.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. August 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Zillinger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Jürgen M***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und 3 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 26. März 2014, GZ 20 Hv 1/14g‑31, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Jürgen M***** (in vom Obersten Gerichtshof klargestellter Form des Urteilstenors vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 622 ff) mehrerer Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB (I/2 und 4), jeweils eines Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und 3 erster Fall StGB und nach § 206 Abs 1 StGB (II) sowie der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (I/1 und 3), des Quälens oder Vernachlässigens unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen nach § 92 Abs 1 StGB (III) und nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG (IV) schuldig erkannt.

Danach hat er in T*****

(I) mehrfach Emely M***** schwere Körperverletzungen (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich ein Schädel-Hirn-Trauma mit zwei voneinander getrennten Bruchspalten im rechten Scheitelbereich und im rechten Hinterhauptbereich, Hirnquetschungen an den Stirnlappen, Einblutungen in die Schädelhöhle und zwischen harter Hirnhaut und Schädelknochen an der rechten Schädelhälfte absichtlich zugefügt (Punkte 2 und 4) und weiters in Form teils fleckförmiger, teils flächenhafter Blutunterlaufungen an der rechten Wangen‑ und Schläfenregion sowie Blutunterlaufungen an der rechten Hüfte und an beiden Handrücken am Körper verletzt (Punkte 1 und 3), indem er

1) ihr am 21. September 2013 einen Schlag mit der flachen Hand gegen die linke Wange versetzte;

2) sie am 22. September 2013 aus einer Entfernung von etwa eineinhalb Metern gegen die ungepolsterte Holzrückwand eines Sofas schleuderte;

3) ihr am 23. September 2013 einen wuchtigen Faustschlag mit den Knöcheln der rechten Faust gegen die rechte Gesichtshälfte versetzte;

4) ihr am 24. September 2013 einen wuchtigen Faustschlag mit der rechten Faust gegen den Schädelbereich versetzte;

(II) am 25. September 2013 zweimal mit seiner am 12. September 2013 geborenen, somit unmündigen, Tochter Emely M***** durch jeweils mehrmaliges Einführen des Zeigefingers in ihren After eine dem Beischlaf gleichzusetzende Handlung unternommen, wobei zumindest eine Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) der Unmündigen, nämlich Einrisse der Haut und Schleimhaut und des Muskelfaserrings im Analbereich mit eitrig-entzündlichen Weichteilveränderungen, zur Folge hatte;

(III) von 21. September bis 2. Oktober 2013 durch die zu den Punkten I und II beschriebenen Taten der am 12. September 2013 geborenen Emely M*****, die seiner Fürsorge und Obhut unterstand, körperliche Qualen zugefügt;

(IV) von August 2012 bis 4. Februar 2013 trotz aufrechten Waffenverbots der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung eine im Urteil näher bezeichnete Gaspistole besessen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus den Gründen der Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht.

Soweit die Nichtigkeitsbeschwerde das Urteil uneingeschränkt bekämpft, inhaltlich aber nur zu den Schuldsprüchen I und II argumentiert, war sie im gegen die restlichen Schuldsprüche gerichteten Umfang mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung von Nichtigkeitsgründen bei der Anmeldung oder in ihrer Ausführung zurückzuweisen (§ 285a Z 2 StPO).

Der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) behauptenden Mängelrüge zuwider hat sich das Erstgericht mit der Verantwortung des Beschwerdeführers ebenso beweiswürdigend auseinandergesetzt (US 13 f) wie mit dem Gutachten des Sachverständigen DI Dr. Werner B***** (US 12 und 23). Zu einer vollständigen Wiedergabe sämtlicher Details dieser Beweisergebnisse war es mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verhalten (RIS‑Justiz RS0106642).

Indem der Beschwerdeführer in Bezug auf den Schuldspruch I ‑ unter isolierter Heranziehung einer Passage seiner Aussage (ON 30 S 17) ‑ absichtliches Handeln bestreitet, argumentiert er nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

Das Erstgericht hat die Feststellungen zur subjektiven Tatseite insbesondere aus dem detailreich dargestellten äußeren Geschehensablauf abgeleitet (US 14 f und 18 ff). Dies ist dem weiteren Beschwerdeeinwand (Z 5 vierter Fall) zuwider unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden und angesichts der insoweit leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers methodisch auch nicht zu ersetzen (RIS‑Justiz RS0116882).

Die Kritik der Subsumtionsrüge (Z 10) an den Feststellungen zur subjektiven Tatseite erschöpft sich in der bloßen Behauptung substanzlosen Gebrauchs der verba legalia ohne im Einzelnen darzulegen, weshalb die jeweils mit ausführlichem Bezug zum objektiven Tatgeschehen getroffenen Konstatierungen (US 8 ff) nicht ausreichen sollten (RIS‑Justiz RS0099620).

Die (der Sache nach) in Ansehung der Schuldsprüche I/2 und 4 aufgestellte Behauptung von Scheinkunkurrenz geht prozessordnungswidrig (RIS‑Justiz RS0099810) nicht von der Feststellung (insoweit) absichtlichen Handelns (US 8) aus.

Das weitere unter diesem Nichtigkeitsgrund (mit Blick auf den Schuldspruch II) erstattete Vorbringen macht den (für die Subsumtionsfrage entscheidenden) Unterschied zwischen dem konstatierten Vorsatz auf „Durchführung“ (US 9) und einem solchen ‑ als notwendige postulierten ‑ auf „Vollziehung“ einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung nicht klar. Bleibt der Vollständigkeit halber anzumerken, dass nach der in diesem Zusammenhang zitierten Kommentarstelle (Hinterhofer SbgK § 206 Rz 35) ein Vorsatz für die Tatbestandsverwirklichung dann nicht ausreicht, wenn er (wie hier gerade nicht festgestellt) bloß auf das „Unternehmen“ einer solchen Handlung gerichtet ist (vgl auch RIS‑Justiz RS0095114).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Dieses wird zu berücksichtigen haben, dass das Erstgericht Idealkonkurrenz der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB sowie des Quälens oder Vernachlässigens unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen nach § 92 Abs 1 StGB zwar im Rahmen der rechtlichen Beurteilung (US 22) zutreffend (RIS‑Justiz RS0093067; Jerabek in WK2 StGB § 92 Rz 25; Zagler SbgK § 92 Rz 22) verneint, dem Beschwerdefüher gleichwohl irrig die Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (I/1 und 3) anlastet, obwohl diese nach dem Urteilssachverhalt (US 15 und 21) jeweils in Tateinheit mit dem zu Punkt III vorgeworfenen Verhalten begangen wurden. Eine amtswegige Wahrnehmung (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) dieses (hinsichtlich der Schuldsprüche I/1 und 3) nicht geltend gemachten Subsumtionsfehlers (Z 10) war mangels konkreten Nachteils für den Beschwerdeführer nicht erforderlich. Das Oberlandesgericht ist angesichts dieser Klarstellung bei der Entscheidung über die Berufung an den insoweit fehlerhaften erstinstanzlichen Schuldspruch nicht gebunden (RIS‑Justiz RS0118870).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte