OGH 3Ob100/14y

OGH3Ob100/14y23.7.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der betreibenden Parteien 1. L***** AG, ***** 2. H*****, 3. M*****, 4. A*****, 5. G*****, 6. E*****, 7. F*****, und 8. T*****, sämtliche vertreten durch Piaty Müller‑Mezin Schoeller, Rechtsanwälte GmbH in Graz, wider die verpflichteten Parteien 1. G*****, 2. E*****, 3. M*****, und 4. P*****, die verpflichteten Parteien zu 1., 2. und 4. vertreten durch Univ.‑Doz. Dr. Bernd A. Oberhofer und Univ.‑Doz. Dr. Walze von Wiesentreu, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Unterlassung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der erst‑, zweit‑ und viertverpflicheteten Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 18. Oktober 2013, GZ 3 R 335/13f, 3 R 336/13b, 3 R 337/13z, 3 R 338/13x, 3 R 339/13v, 3 R 340/13s, 3 R 341/13p, 3 R 342/13k, 3 R 343/13g, 3 R 344/13d‑53 (in der Fassung des Ergänzungsbeschlusses vom 4. April 2014, ON 64), womit infolge Rekurses der verpflichteten Parteien zu 1., 2. und 4. die Beschlüsse des Bezirksgerichts Innsbruck vom 2. Juli 2013, GZ 21 E 3386/13g‑11, vom 5. Juli 2013, GZ 21 E 3386/13g‑13, vom 8. Juli 2013, GZ 21 E 3386/13g‑15, vom 9. Juli 2013, GZ 21 E 3386/13g‑17, vom 10. Juli 2013, GZ 21 E 3386/13g‑19, vom 11. Juli 2013, GZ 21 E 3386/13g‑21, vom 15. Juli 2013, GZ 21 E 3386/13g‑25, und vom 17. Juli 2013, GZ 21 E 3386/13g‑27, in der Hauptsache zum Teil abgeändert wurden, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0030OB00100.14Y.0723.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Begründung

Die Vorinstanzen bewilligten den betreibenden Parteien gegen die verpflichteten Parteien wegen des Verstoßes gegen ein mit Einstweiliger Verfügung ausgesprochenes, auf § 32 DSG gestütztes Verbot, auf einer näher genannten Internetseite oder in vergleichbaren Medien den Akt, Aktenstücke oder Aktenbestandteile aus einem näher bezeichneten Akt der Korruptionsstaatsanwaltschaft Wien zu veröffentlichen, zum Download zur Verfügung zu stellen oder in sonstiger Weise zu verbreiten, rechtskräftig die Exekution nach § 355 EO und verhängten über diese wegen weiterer Verstöße Geldstrafen. Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens sind zahlreiche, mit mehreren gesonderten Strafanträgen geltend gemachte Verstöße gegen den Exekutionstitel, wegen der vom Erstgericht mit mehreren Strafbeschlüssen, von denen in einem über eine Vielzahl von (beinahe täglich) gestellten Strafanträgen erkannt wurde, Geldstrafen verhängt wurden, die das Rekursgericht reduzierte; es sprach dabei ua aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Dieser Vielzahl von Strafbeschlüssen liegt die Behauptung mehrfacher, zum Teil unterschiedlicher Verstöße gegen den Exekutionstitel zugrunde.

Rechtliche Beurteilung

In Entsprechung eines Ergänzungsauftrags vom 19. Februar 2014 (AZ 3 Ob 255/13s) sprach das Rekursgericht mit Beschluss vom 4. April 2014, ON 64, aus, der Entscheidungsgegenstand, über den es entschieden habe, übersteige hinsichtlich jedes Verstoßes gegen den Exekutionstitel den Betrag von jeweils 5.000 EUR nicht. Dies begründete das Rekursgericht im Wesentlichen damit, die Gleichartigkeit der Verletzung der Rechte jedes der acht Betreibenden reiche für eine Zusammenrechnung nicht aus. Angesichts der auch von den Betreibenden im Exekutionsverfahren vorgenommenen „Insgesamtbewertung“ von 33.000 EUR, sei für jede einzelne betreibende Partei und für jeden Verstoß von einem Entscheidungsgegenstand von (33.000 : 8 =) 4.125 EUR auszugehen.

Der Revisionsrekurs ist unter Bedachtnahme auf diese Bewertung als jedenfalls unzulässig zurückzuweisen.

1. Nach § 78 EO, § 526 Abs 3 iVm § 500 Abs 2 Z 1 ZPO hat das Gericht zweiter Instanz in seiner Entscheidung auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, wenn er nicht ausschließlich in einem Geldbetrag besteht, 5.000 EUR, bejahendenfalls, ob er auch 30.000 EUR übersteigt.

Der Bewertungsausspruch ist grundsätzlich unanfechtbar und für den Obersten Gerichtshof bindend (RIS‑Justiz RS0042385; RS0042410; RS0042515), es sei denn, das Rechtsmittelgericht hätte zwingende Bewertungsvorschriften verletzt, eine offenkundige Fehlbewertung vorgenommen oder eine Bewertung hätte überhaupt unterbleiben müssen (5 Ob 67/14k mwN).

2. In dem dem vorliegenden Exekutionsverfahren zugrunde liegenden Titelverfahren (EV) sprach der Oberste Gerichtshof zu AZ 6 Ob 6/14x am 15. Mai 2014 aus, dass eine Bewertung des Entscheidungsgegenstands in Streitigkeiten nach dem DSG 2000 zu unterbleiben habe, zögen doch Ansprüche nach diesem Gesetz nicht notwendig auch vermögensrechtliche Folgen nach sich; die vom Rekursgericht vorgenommene Bewertung hätte daher zu unterbleiben gehabt. Diese Rechtsansicht wurde vom 6. Senat auch schon zu AZ 6 Ob 112/10d und 6 Ob 148/00h (SZ 73/105) vertreten (gegenteilig allerdings 6 Ob 2/10b).

2.1. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass eine Bewertung des Entscheidungsgegenstands nur dann zu erfolgen hat, wenn der Streitgegenstand einen Geldeswert besitzt (RIS‑Justiz RS0042418). In diesem Sinn wurde vertreten, dass bei der Verletzung höchstpersönlicher Rechte, die ihrem Wesen nach eine Bewertung in Geld nicht zulassen, eine Bewertung zu unterbleiben hat (RIS‑Justiz RS0042418 [T7 und T9]); so bei exekutiver Durchsetzung eines Besuchsrechts als ein nicht mit einem Geldwert messbares Gut (3 Ob 110/88), im Fall eines Anspruchs auf Unterlassung des persönlichen Verkehrs (6 Ob 221/06b und 2 Ob 82/08k) und in Streitigkeiten nach dem DSG 2000 (siehe oben). Hingegen wurde bei Ansprüchen nach § 1330 ABGB (7 Ob 1515/85; 6 Ob 46/08w; 6 Ob 164/09z; 3 Ob 154/11k) und nach § 78 UrhG (4 Ob 180/08m; 4 Ob 43/10t) wegen der Verfolgbarkeit im Geld bewertbarer Interessen eine Bewertung verlangt. In der zuletzt genannten Entscheidung begründete der 4. Senat seine Rechtsansicht damit, dass es genüge, dass ein Eingriff in das Recht am eigenen Bild nach der Wertung des Gesetzes (§ 87 UrhG) ganz allgemein (auch) vermögensrechtliche Folgen haben könne; dieses Recht sei daher nicht von vornherein einer in Geld ausgedrückten Bewertung entzogen.

2.2. Der erkennende Senat schließt sich dieser Argumentation an, weil das Erfordernis einer Bewertung (nur) davon abhängt, ob der Streitgegenstand in Geld messbar ist. Davon ist aber auszugehen, wenn der Gesetzgeber dem ‑ wenn auch in einem höchstpersönlichen Recht ‑ Verletzten die Möglichkeit einräumt, dafür einen Ausgleich in Geld zu verlangen. Auch die Notwendigkeit der Bewertung von Klagen auf Unterlassung ehrenrühriger Behauptungen (also wegen Verletzung absolut geschützter Persönlichkeitsrechte) wird vergleichbar damit begründet, dass diesen in der Regel in Geld bewertbare Interessen zugrunde liegen (RIS‑Justiz RS0042418 [T8]).

Im DSG ist für die Durchsetzung des absolut geschützten Persönlichkeitsrechts auf Datenschutz nicht nur ein Unterlassungsanspruch in § 32 Abs 2 DSG vorgesehen, sondern es wird dem Betroffenen in § 33 Abs 1 DSG sowohl ein Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens eingeräumt, als auch - unter bestimmten Voraussetzungen - ein Anspruch auf Entschädigung für den immateriellen Schaden entsprechend § 7 Abs 1 MedienG (vgl Dohr/Pollirer/Weiss/Knyrim DSG² § 32 Anm 7 und § 33 Anm 4). Somit ist auch der hier durchzusetzende, im DSG begründete Unterlassungsanspruch als in Geld messbar anzusehen. Da es nur darauf ankommt, ob die Möglichkeit der Bemessung in Geld besteht, ist es nicht wesentlich, ob der verfolgte Anspruch notwendig auch vermögensrechtliche Folgen nach sich zieht; ebenso wenig ist erheblich, ob solche (gleichzeitig oder später) tatsächlich geltend gemacht werden (idS schon 4 Ob 43/10t).

2.3. Zusammengefasst ist somit ‑ entgegen der Ansicht des 6. Senats ‑ von der Notwendigkeit der Bewertung auch von Unterlassungsansprüchen nach dem DSG auszugehen.

3. Von den Betreibenden wurden ‑ im Rahmen einer offensichtlich irrtümlich eingeräumten Möglichkeit zur Verbesserung ihres Revisionsrekurses, die nur dann in Frage gekommen wäre, wenn das Rekursgericht im Zwischenbereich bewertet hätte ‑ gegen den ergänzten Bewertungsausspruch Einwendungen erhoben. Sie verneinen eine Bindung des Obersten Gerichtshofs daran, weil damit gegen den Ergänzungsauftrag und gegen (nicht näher genannte) zwingende Bewertungsregeln verstoßen worden sei.

3.1. Nach dem Inhalt des bereits wiedergegebenen ergänzten Bewertungsausspruchs ist nicht nachvollziehbar, wieso damit gegen den Ergänzungsauftrag vom 19. Februar 2014 verstoßen worden sein soll.

3.2. Ebenso wenig ist ein Verstoß gegen zwingende Bewertungsregeln erkennbar, den die Betreibenden offensichtlich in der unterbliebenen Zusammenrechnung, dh in der Verneinung eines einheitlichen Entscheidungsgegenstands für alle acht Betreibenden erblickt.

Dabei wird nämlich übersehen, dass dem Exekutionsverfahren eine Vollstreckungsgemeinschaft iSd § 55 Abs 1 Z 2 JN iVm § 11 Z 1 ZPO fremd ist (RIS‑Justiz RS0002416 [T1]). Schon deshalb ist hier bei der Bewertung auf jeden einzelnen Betreibenden abzustellen, weil damit die im Zivilprozess bestehende Rechtsgrundlage für eine Zusammenrechnung nicht anwendbar ist.

4. Das Rechtsmittelgericht ist bei seiner Bewertung nicht völlig frei. Sein gebundenes Ermessen hat sich an den für die Bewertung des Streitgegenstands normierten Grundsätzen zu orientieren. Danach bildet der objektive Wert der Streitsache ein Bewertungskriterium. Das Berufungsgericht darf daher den Wert des Entscheidungsgegenstands ‑ bezogen auf den objektiven Wert der Streitsache ‑ weder übermäßig hoch noch übermäßig niedrig ansetzen; ist eine solche Fehlbeurteilung offenkundig, dann ist der Oberste Gerichtshof daran nicht gebunden (5 Ob 67/14k mwN; RIS‑Justiz RS0118748). Im Exekutionsverfahren ist für den Wert des Entscheidungsgegenstands in der Regel der betriebene Anspruch maßgeblich (RIS‑Justiz RS0121365), hier also das die Bewilligung der Strafanträge tragende Unterlassungsinteresse der Betreibenden.

Die Annahme des Rekursgerichts, die Betreibenden hätten im Exekutionsverfahren eine „Insgesamtbewertung“, dh eine alle Unterlassungsansprüche der acht Betreibenden erfassende, einheitliche Bewertung mit zusammen 33.000 EUR vorgenommen, ist nicht zu beanstanden. Im Hinblick auf diese Einschätzung und die gebotene Aufteilung auf acht Betreibende sowie deren Eventualleistungsbegehren im Titelhauptverfahren zur Entschädigung nach § 33 Abs 1 DSG von 1.500 EUR pro Geschädigtem kann aber von einer offenkundigen Unterbewertung keine Rede sein.

Somit erweist sich der ergänzte Bewertungsausspruch des Rekursgerichts als für den Obersten Gerichtshof bindend.

5. Gemäß § 78 EO sind die Revisionsrekursbeschränkungen des § 528 Abs 2 ZPO auch im Exekutionsverfahren anzuwenden (RIS‑Justiz RS0002511, RS0002321). § 528 Abs 2 Z 1 ZPO schließt einen Revisionsrekurs jedenfalls aus, wenn der Entscheidungsgegenstand (hier die betriebene Forderung) an Geld oder Geldeswert insgesamt 5.000 EUR nicht übersteigt, es sei denn, es handelt sich um hier nicht vorliegende Streitigkeiten nach § 502 Abs 4 oder 5 ZPO.

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Verpflichteten ist daher jedenfalls unzulässig.

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