OGH 3Ob154/11k

OGH3Ob154/11k12.10.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie, die Hofrätin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Dehn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. M*****, vertreten durch MMag. Dr. Albrecht Haller, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. K*****, vertreten durch Steiner Rechtsanwalts KG in Wien, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), im Verfahren über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 22. Dezember 2010, GZ 1 R 210/10t-18, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 9. Juni 2010, GZ 6 C 14/09p-14, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Akten werden dem Berufungsgericht mit dem Auftrag übermittelt, den Bewertungsausspruch dahin zu ergänzen, dass sämtliche von der Revision betroffenen Widerrufsbegehren in Ansehung sämtlicher von der Revision betroffener Widerrufsadressaten gesondert bewertet werden.

Text

Begründung

Aufgrund des rechtskräftigen und vollstreckbaren Urteils des Landesgerichts Klagenfurt vom 25. Juli 2007, AZ 24 Cg 77/06i, wurde die nunmehrige Oppositionsklägerin verpflichtet, folgende oder ähnliche Behauptungen zu unterlassen:

a) die Klägerin habe (insbesondere als Strafrichterin) ein Beweismittel gefälscht und bei Gericht vorgelegt;

b) die Klägerin habe die Beklagte mit illegalen Mitteln attackiert bzw die Klägerin habe Malversationen begangen;

c) die Klägerin habe Zeugen in ihren Diensten;

d) die Klägerin sei als Richterin eine Gefahr für die Gesellschaft und habe das Vertrauen in den Rechtsstaat geschädigt;

e) die Klägerin habe zu Lasten der Öffentlichkeit (nämlich der Landeshauptstadt K*****) Schäden scheinbar konstruiert und hochlizitiert;

f) die Klägerin habe den „S*****Bauakt“ gestohlen.

Mit dem genannten Urteil wurde die Oppositionsklägerin ferner verpflichtet, die Behauptungen a) bis d) bzw a) bis f) gegenüber zwei jeweils näher bezeichneten Richtern, die Behauptungen a) bis f) gegenüber dem Ehemann der Beklagten, die Behauptungen e) und f) gegenüber der Landeshauptstadt K*****, die Behauptungen e) und f) gegenüber DI H***** und die Behauptungen a) bis d) gegenüber einer näher bezeichneten GmbH zu widerrufen.

Die Oppositionsbeklagte führt als Betreibende Exekution nach § 354 EO zur Erzwingung des Widerrufs.

Die Klägerin stützt die Oppositionsklage auf die Behauptung, sie sei ihrer Widerrufspflicht gegenüber sämtlichen Widerrufsempfängern nachgekommen.

Nach rechtskräftiger Abweisung der Oppositionsklage in Ansehung des Anspruchs auf Widerruf gegenüber einem der sechs Erklärungsempfänger bereits durch das Erstgericht gab das Berufungsgericht in Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung der Oppositionsklage in Ansehung der Widerrufsansprüche gegenüber den verbliebenen fünf Erklärungsempfängern Folge, wobei es aussprach, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt.

Über Abänderungsantrag der Beklagten ließ das Berufungsgericht die Revision nachträglich zu.

Rechtliche Beurteilung

Die Akten sind dem Berufungsgericht zur Ergänzung seines Bewertungsausspruchs zu übermitteln.

1. Vorauszuschicken ist, dass bei Klagen auf Unterlassung ehrenrühriger Behauptungen, denen in der Regel in Geld bewertbare Interessen zugrunde liegen, der Entscheidungsgegenstand vermögensrechtlicher Natur ist. In solchen Fällen hat das Berufungsgericht den Wert des Entscheidungsgegenstands, über den es entschied, zu bewerten (6 Ob 164/09z; RIS-Justiz RS0042418 [T8]). Das gilt auch für auf § 1330 ABGB gestützte Widerrufsbegehren.

2. Der Streitwert der Oppositionsklage richtet sich nach dem Wert des betriebenen Anspruchs (RIS-Justiz RS0001623 [T4]). Das gilt uneingeschränkt für betriebene Geldforderungen (RIS-Justiz RS0001618). Im Regelfall ist daher bei einer Oppositionsklage keine Bewertung des Entscheidungsgegenstands durch das Berufungsgericht nach § 500 Abs 2 ZPO vorzunehmen (Kodek in Rechberger³ § 500 ZPO Rz 6 mwN).

3. Dieser Grundsatz ist allerdings in zweifacher Hinsicht beschränkt:

3.1 Unterblieb im Titelverfahren - etwa weil das Titelurteil ohne Anfechtung rechtskräftig wurde - bei einem nicht ausschließlich in einem Geldbetrag bestehenden Entscheidungsgegenstand vermögensrechtlicher Natur eine Bewertung iSd § 500 Abs 2 ZPO, muss dieser Bewertungsausspruch zur Beurteilung, ob die maßgeblichen Wertgrenzen für die Zulässigkeit der Revision (§ 502 Abs 2 und 3 ZPO) erreicht werden, vom Berufungsgericht des Oppositionsverfahrens nachgetragen werden. Die das Berufungsgericht nicht bindende Bewertung des Streitgegenstands durch den Kläger (Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 502 ZPO Rz 154) ersetzt den Bewertungsausspruch nicht.

3.2 Ferner gilt der Grundsatz dann nicht, wenn zwar im Titelverfahren eine Bewertung des Entscheidungsgegenstands durch das Berufungsgericht des Titelverfahrens vorgenommen wurde, das Oppositionsverfahren sich aber nicht auf sämtliche vom Titelurteil umfassten Ansprüche bezieht.

3.3 Der zu 3.2 dargestellte Fall liegt hier vor: Die einzelnen Unterlassungsbegehren und die sich darauf beziehenden Widerrufsbegehren sind zwar iSd § 55 Abs 1 Z 1 JN zusammenzurechnen. Im Anlassfall ist aber deshalb eine gesonderte Bewertung der Widerrufsbegehren erforderlich, weil nur die Widerrufsverpflichtungen der Oppositionsklägerin, nicht aber die Unterlassungspflichten Gegenstand des Exekutionsverfahrens sind.

3.4 Da die einzelnen Widerrufsadressaten keine materiellen Streitgenossen iSd § 55 Abs 1 Z 2 JN sind, und überdies die einzelnen, in Exekution gezogenen Widerrufsverpflichtungen mangels desselben Sachverhalts in keinem tatsächlichen Zusammenhang zueinander stehen (vgl dazu RIS-Justiz RS0042766) und auch ein rechtlicher Zusammenhang nicht vorliegt, weil die von der Oppositionsklägerin erhobenen Einwendungen in Ansehung der einzelnen Widerspruchsverpflichtungen ein unterschiedliches rechtliches Schicksal haben können (RIS-Justiz RS0037899), bedarf es überdies einer Bewertung des Berufungsgerichts nicht nur bezüglich jedes einzelnen Anspruchs auf Widerruf, dessen Erlöschen die Oppositionsklägerin behauptet hat, sondern auch einer Bewertung in Ansehung jedes einzelnen Widerrufsadressaten.

4. Sollte das Berufungsgericht entscheiden, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands in Ansehung aller oder einzelner Widerrufsbegehren 5.000 EUR nicht übersteigt, wäre die Revision jedenfalls unzulässig. Sollte es zum Ergebnis kommen, dass dieser Wert in Ansehung einzelner (oder aller) Widerrufsbegehren 5.000 EUR übersteigt, müsste es, da es über Abänderungsantrag der Beklagten die Revision bereits nachträglich zugelassen hat, den Akt erneut mit der Revision dem Obersten Gerichtshof vorlegen.

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