OGH 15Os98/13w

OGH15Os98/13w8.7.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. Juli 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Dr. Michel‑Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Anscheringer als Schriftführer in der Strafsache gegen Pavel D***** und andere Angeklagte wegen der Verbrechen des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels nach § 217 Abs 1 und § 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Gabriella F***** und Anneliese H***** sowie über die Berufungen der Angeklagten Anneliese H***** und der Staatsanwaltschaft betreffend die Angeklagten Pavel D*****, Gabriella F*****, Vasile B***** und Anneliese H***** gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 22. Jänner 2013, GZ 37 Hv 82/12x‑349, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: AT:OGH:2014:E108025

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Gabriella F***** und Anneliese H***** werden zurückgewiesen.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch A/2 (betreffend Vasile B*****) und B/I (betreffend Pavel D***** und Gabriella F*****), soweit er sich auf die Bestimmung zu der im Schuldspruch A/2 genannten Tat sowie auf die versuchte Bestimmung eines unbekannten Täters mit dem Spitznamen „Robi“ zur Verbringung von mindestens drei namentlich nicht bekannten Frauen bezieht, demzufolge auch in den die Angeklagten Pavel D*****, Gabriella F***** und Vasile B***** betreffenden Strafaussprüchen (einschließlich der Vorhaftanrechung) aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit ihrer hinsichtlich Pavel D*****, Gabriella F***** und Vasile B***** erhobenen Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen der Anneliese H***** und der Staatsanwaltschaft betreffend diese Angeklagte wird der Akt vorerst dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Den Angeklagten Gabriella F***** und Anneliese H***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das hinsichtlich der Angeklagten Vasile B*****, Istvan Hu*****, Pavel D*****, Gabriella F*****, Marie P***** und Anneliese H***** (auch) rechtskräftige Freisprüche enthält, wurden Pavel D***** und Gabriella F***** der Verbrechen des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels nach ([US 21] zu ergänzen: § 12 zweiter Fall) § 217 Abs 1 erster Fall und § 15 StGB (B/I), Vasile B***** des Verbrechens des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels nach § 217 Abs 1 zweiter Fall und § 15 StGB (A) und Anneliese H***** des Verbrechens des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels nach ([US 21] zu ergänzen: § 12 zweiter Fall), § 217 Abs 1 erster Fall StGB (B/II) schuldig erkannt.

Danach hat oder haben

A./ Vasile B***** in S***** und anderen Orten Rumäniens, nicht näher bekannten Orten in Ungarn, in J***** und S***** nachgenannte Personen, mögen sie teils auch bereits der Prostitution nachgegangen sein, der Prostitution in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen oder in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, „zugeführt und hiefür angeworben“, indem er in Rumänien vorwiegend mittellose Frauen zur Ausübung der Prostitution durch In-Aussicht-Stellen besserer Verdienstmöglichkeiten in Österreich anwarb, nach Zustimmung der jeweiligen Person die Modalitäten der Prostitutionsausübung im jeweils vorausbestimmten Bordell in Österreich darlegte, mit dem jeweiligen Bordellbetreiber eine vertragliche Vereinbarung über die Bezahlung des Fuhrlohns durch diesen sowie die Eingliederung der Angeworbenen in den dortigen Bordellbetrieb noch aus dem Ausland vereinbarte und diese schließlich in das jeweilige österreichische Bordell verbrachte, wobei er in der Absicht handelte, sich durch die wiederholte Zuführung solcher Personen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, wobei es teils aufgrund Weigerung der Betroffenen beim Versuch blieb, und zwar

1./ im März 2011 Ilona ***** K*****;

2./ im Mai 2011 Etelka Ko***** alias Andrea;

3./ Doina ***** G*****

a./ im Dezember 2011;

b./ im März 2012;

4./ im März 2012 eine Frau mit dem Spitznamen „Robot“, wobei es beim Versuch blieb;

B./ Nachgenannte Vasile B***** zu den unter A./ angeführten Tathandlungen vorsätzlich bestimmt, indem sie ihn jeweils ausdrücklich aufforderten, Frauen in Rumänien zur Ausübung der Prostitution in Österreich anzuwerben und in das jeweilige, von ihnen betriebene Bordell zu verbringen, wobei sie zuvor die einstweilige Übernahme der Fuhrkosten zusicherten, und zwar

I./ Pavel D***** und Gabriella F***** zu den unter A/1, A/2, A/3/b und A/4 angeführten Taten sowie einen bislang nicht bekannten Täter mit dem Spitznamen „Robi“ zur Verbringung von mindestens drei namentlich nicht bekannten Frauen, wobei es beim Versuch blieb;

II./ Anneliese H***** zu der unter A/3/a angeführten Tat.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Schuldspruch richten sich die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Gabriella F***** sowie die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Anneliese H*****.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Gabriella F*****:

Mit ihrer undifferenzierten Behauptung, der Schuldspruch B/I sei rechtlich verfehlt, weil die angeworbenen Frauen freiwillig nach Österreich kamen, keine Abhängigkeiten geschaffen wurden, „typische Begleithandlungen“ (vgl Philipp in WK2 StGB § 217 Rz 3) fehlen und somit auch keine „besonders gefährliche und schamlose Form der Förderung der Prostitution“ vorliege, leitet die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht aus dem Gesetz ab (RIS‑Justiz RS0116565), weshalb die Strafbarkeit nach dieser Bestimmung von der Schaffung eines besonderen Zwangs- oder Abhängigkeitsverhältnisses abhängen soll (vgl RIS-Justiz RS0109314; 14 Os 82/04; 15 Os 129/12b).

Soweit die Rechtsrüge zu B/I weiter pauschal davon ausgeht, die Beschwerdeführerin habe lediglich eine „Information“ interessierter Frauen durch Vasile B***** darüber veranlasst, dass die Möglichkeit bestehe, in Österreich in ihrem Bordell arbeiten zu können, übergeht sie prozessordnungswidrig den im Urteil festgestellten Sachverhalt (RIS-Justiz RS0099810). Danach bestand nämlich nicht nur eine Vereinbarung mit dem Angeklagten B*****, in S***** (Rumänien) Frauen für die von Pavel D***** und Gabriella F***** betriebenen Bordelle zu suchen, die sich auf seine Nachfrage zur Ausübung der Prostitution in Österreich bereiterklären würden, sondern sollte er diesen auch die Arbeitsbedingungen erläutern und sie im Fall ihrer Zustimmung nach vorheriger Rücksprache von Rumänien in die Bordelle der Genannten bringen, wo die Frauen den vereinbarungsgemäß vorgestreckten Fuhrlohn abarbeiten sollten (US 11). Weshalb aber im Fall der „Annahme“ eines in Entsprechung dieser Vereinbarung gemachten „Angebots“ des Angeklagten B***** mit anschließender Beförderung der betroffenen Frauen in die Bordelle der Genannten eine aktive und gezielte Einflussnahme auf den Willen der Tatopfer zur Verlagerung der gesamten Lebensführung als Prostituierte nach Österreich oder eine entsprechende Verpflichtung der Frauen durch Anwerbung ausgeschlossen sein soll (RIS-Justiz RS0109314), legt die Beschwerde durch bloße Negierung eines „Zuführens“ oder „Anwerbens“ unter Hinweis auf die Freiwilligkeit der Prostitutionsaufnahme und des Aufenthaltswechsels sowie auf die besseren Verdienstmöglichkeiten der Frauen in Österreich nicht dar.

Ebensowenig macht das Rechtsmittel klar, weshalb der Umstand, dass die Tatopfer (zum Teil) bereits zuvor der Prostitution nachgegangen waren, entgegen dem Wortlaut des § 217 Abs 1 StGB („mag sie auch ...“) einer (beachtlichen) Einflussnahme auf den Willen der Betroffenen zur Verlagerung der gesamten Lebensführung als Prostituierte in einem für sie fremden Staat entgegenstehen soll.

Es besteht auch kein Anlass für die (im Anschluss an die Nichtigkeitsbeschwerde angeregte) Einleitung eines Normprüfungsverfahrens nach Art 89 Abs 2 B-VG iVm Art 140 Abs 1 B-VG. Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der genannten Strafbestimmung vermag die Beschwerdeführerin nämlich nicht aufzuzeigen. § 217 StGB ist eine ‑ mehreren internationalen Rechtsakten zur Unterdrückung des Frauen- und Kinderhandels und der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität entsprechende ‑ Schutzbestimmung zu Gunsten von Personen, die zum tatbestandsspezifischen Zweck in ein Land verbracht werden, das für sie weder Heimatland noch gewöhnliches Aufenthaltsland ist, womit aufgrund leichterer Abhängigkeit von anderen (regelmäßig) eine (höhere) Gefährdung der sexuellen Selbstbestimmung einhergeht (vgl 13 Os 17/95; 15 Os 32/07f).

In der ‑ österreichische Staatsbürger im Übrigen genauso wie ausländische Staatsangehörige treffenden ‑ Kriminalisierung von Tathandlungen, die auf ein Verlassen der schutzbietenden Heimat und/oder das Führen des Lebens als Prostituierte in einem fremden Staat gerichtet sind, ist im Hinblick auf die aus einer solchen Handlung resultierende (größere) Gefahr für die Betroffenen, in Abhängigkeit zu geraten und dadurch ihre sexuelle Dispositionsfähigkeit zu verlieren, keine dem Gleichheitsgrundsatz (Art 7 B-VG; Art 2 StGG) widersprechende unsachliche Differenzierung im Verhältnis zu einer von dieser Bestimmung nicht erfassten (von der Beschwerdeführerin als Beispiel vorgebrachten) Anwerbung rumänischer Staatsangehöriger für ein rumänisches Bordell auszumachen.

Von einem unverhältnismäßigen Eingriff in die Erwerbsfreiheit von Bordellbetreibern kann keine Rede sein, weil § 217 StGB dem bloßen Betrieb eines solchen Etablissements mit ausländischen (eigenständig nach Österreich gekommenen) Prostituierten (RIS-Justiz RS0098995; 13 Os 17/95; 14 Os 113/06h) nicht entgegensteht. Dass durch § 217 StGB der Rekrutierung von (zumeist ärmeren) Frauen in anderen Ländern entgegengewirkt wird, erscheint im Hinblick auf die bereits aufgezeigte erhöhte Gefahr der Bildung von Abhängigkeiten im fremden Land und die damit einhergehenden potentiellen Folgen für die sexuelle Selbstbestimmung der Betroffenen auch nicht unangemessen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Anneliese H*****:

Die von der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) vermisste Begründung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite befindet sich auf US 20 dritter Absatz. Dass das Erstgericht hiebei von einem gezeigten Verhalten auf eine zugrundeliegende Absicht schloss, verstößt nicht gegen Kriterien folgerichtigen Denkens oder grundlegende Erfahrungssätze und begegnet solcherart keinen aus Z 5 beachtlichen Bedenken (RIS-Justiz RS0098671, RS0116882).

Soweit die Mängelrüge eine Unvollständigkeit der getroffenen Konstatierungen zur Einflussnahme auf das Schutzobjekt behauptet, macht sie der Sache nach einen Rechtsfehler mangels Feststellungen geltend (Z 9 lit a; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 605, 611), übergeht dabei jedoch prozessordnungswidrig die (im Rechtsmittel zum Teil ausdrücklich zitierten) Konstatierungen im Ersturteil. Danach kontaktierte der Angeklagte B***** in Ausführung des Auftrags der Beschwerdeführerin ‑ von der auch eine Zusicherung der sofortigen Abdeckung seines Fuhrlohns vorlag ‑ in Rumänien Frauen als Prostituierte für ihr Bordell anzuwerben und nach Österreich zu verbringen, Doina G*****, erwirkte deren Zustimmung zur Arbeitsaufnahme im besagten Bordell und chauffierte die Betroffene von Rumänien zur L***** Bar in Österreich, wo er von der Rechtsmittelwerberin den vereinbarten Fuhrlohn erhielt (US 11 f und 15 erster Absatz). Weshalb in diesem Fall die für eine Verurteilung nach § 217 Abs 1 (zweite Alternative) StGB ausreichende (dem „Zuführen“ gleichwertige) Tatbestandsvariante des „Anwerbens“ des in Rumänien aufhältigen Tatopfers zur Prostitutionsausübung in Österreich (bzw der Bestimmung dazu) nicht erfüllt sein soll, legt die ausschließlich mit der Bestreitung eines „Zuführens“ argumentierende Beschwerde nicht dar (vgl schon 15 Os 129/12b; RIS-Justiz RS0109314 [T4], RS0095539; 12 Os 76/11k).

Mit ihrem Verweis auf - mit Depositionen der Doina G***** nicht in Einklang stehende - Angaben der Zeuginnen K*****, Angelika Ba*****, Anniko T***** und Timea T***** zu den Arbeitsbedingungen und Gepflogenheiten im Bordell der Beschwerdeführerin vermag die Tatsachenrüge (Z 5a) keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch B/II (iVm A/3/a) zu Grunde liegenden entscheidenden Tatsachen, nämlich zu den Umständen aufzuzeigen, unter welchen Doina G***** von Rumänien in das Bordell der Beschwerdeführerin gelangte (US 12 f). Mit einer eigenständigen Bewertung der Aussagen der Zeugin Doina G***** und T***** zu diesen Umständen (die im Übrigen auch aus anderen Beweismitteln und nicht allein aus den vom Rechtsmittel für unglaubwürdig erachteten Aussagen des Tatopfers erschlossen wurden; US 17 ff) erschöpft sich die weitere Beschwerde in einer im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen Kritik an der Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer Schuldberufung.

Mit ihrer (mehrfachen) auf dem Fehlen eines Abhängigkeitsverhältnisses der Doina G***** aufbauenden Kritik (Z 9 lit a) ist die Nichtigkeitswerberin auf die Ausführungen zum Rechtsmittel der Mitangeklagten F***** zu verweisen.

Der (neuerlichen) Behauptung des Fehlens von Feststellungen zur „aktiven und gezielten Einflussnahme“ auf das Tatopfer Doina G***** (Z 9 lit a) sind zunächst die bereits im Rahmen der Mängelrüge aufgezeigten Feststellungen entgegenzuhalten (US 12 f und 14 f). Welcher weiteren Konstatierungen es zur Annahme einer in Rumänien herbeigeführten Vereinbarung des unmittelbaren Täters mit Doina G***** in Bezug auf die Prostitutionsausübung in der L***** Bar in Österreich und einer Bestimmung des Vasile B***** zu einem solchen „Anwerben“ durch die Beschwerdeführerin bedurft hätte, macht das Rechtsmittel nicht klar (vgl RIS‑Justiz RS0109314 [T4], RS0095539; 15 Os 129/12b; 12 Os 76/11k).

Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten F***** und H***** waren somit ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus (zunächst) die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten Anneliese H***** sowie der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der zuletzt genannten Angeklagten folgt (§ 285i StPO).

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof ‑ abermals im Einklang mit der Generalprokuratur ‑ von einer von der Angeklagten Gabriella F***** nicht geltend gemachten, ihr zum Nachteil gereichenden (materiellen) Nichtigkeit, die dem Schuldspruch B/I, und zwar hinsichtlich der Verbringung der Etelka Ko***** (vgl A/2) sowie der versuchten Bestimmung eines unbekannten Täters mit dem Spitznamen „Robi“ zur Verbringung von mindestens drei namentlich nicht bekannten Frauen anhaftet.

Die Annahme eines „Zuführens“ im Sinne des § 217 StGB setzt eine aktive und gezielte Einflussnahme auf das Tatopfer voraus, ihre Lebensführung in ein anderes Land zu verlagern, um dort als Prostituierte zu arbeiten, während das bloße Befördern nicht ausreicht (RIS-Justiz RS0109314 [T1, T3 und T8]; Philipp in WK² § 217 Rz 15).

Die dem Zuführen gleichwertige Begehungsform des Anwerbens erfasst ein über das Betreiben des Täters bewirktes Herbeiführen eines Vertragsabschlusses oder einer Vereinbarung mit einer Verpflichtung des Opfers, durch das es sich zum Wechsel in den fremden Staat und zur Prostitutionsausübung im fremden Staat gebunden erachtet (RIS-Justiz RS0095539; RIS-Justiz RS0109314 [T4]; Philipp in WK² § 217 Rz 17 f).

Nach den Urteilsannahmen stand der Entschluss der Etelka Ko*****, in Österreich als Prostituierte zu arbeiten, zum Zeitpunkt der zwischen Vasile B*****, Szilvi N. und deren Freund getroffenen Vereinbarung über den Transport mit dem Taxi des Vasile B***** bereits fest (US 14). Inwiefern vor dem Grenzübertritt gerade auch eine ‑ auf die Bestimmung der Angeklagten Gabriella F***** zurückzuführende (US 11 letzter Absatz) ‑ verbindliche Vereinbarung des Tatopfers mit Vasile B***** zur grenzüberschreitenden Prostitutionsausübung im Bordell der betroffenen Angeklagten vorgelegen ist, lässt sich dem Urteil nicht eindeutig entnehmen, weshalb der hiezu ergangene Schuldspruch nach § 217 Abs 1 erster Fall StGB nicht gedeckt ist (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO).

Zur Verurteilung wegen der versuchten, auf die „Verbringung von mindestens drei namentlich nicht bekannten Frauen“ gerichteten Bestimmung eines bislang nicht bekannten Täters mit dem Spitznamen „Robi“ (US 3) enthält das Urteil überhaupt keine Feststellungen. Die Passage über weitere „Absprachen“ mit namentlich nicht bekannten rumänischen „Taxifahrern“ (US 12) lässt keinen eindeutigen Bezug auf „Robi“ in Verbindung mit einer von Gabriella F***** und Pavel D***** angestrebten Anwerbung von (zumindest) drei rumänischen Frauen zur Prostitutionsaufnahme in Österreich und damit auf eine versuchte (etwa misslungene oder erfolglose) Bestimmung (§ 15 Abs 2 StGB) des Genannten zur Ausführung einer hinreichend determinierten Tat erkennen (vgl RIS-Justiz RS0089682; vgl Hager/Massauer in WK2 StGB §§ 15, 16 Rz 22 und 35; Fabrizy in WK2 StGB § 12 Rz 55, 58 f, 66 f, 72 f, 78).

In diesem Umfang war das Urteil hinsichtlich der Angeklagten F***** daher von Amts wegen aufzuheben (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

Da die aufgezeigte Nichtigkeit zu B/I (im selben Umfang) auch den Angeklagten Pavel D***** betrifft, hinsichtlich A/2 wiederum den Angeklagten Vasile B*****, war sie aus Anlass der vorliegenden Nichtigkeitsbeschwerden im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang auch zu Gunsten dieser Angeklagten von Amts wegen wahrzunehmen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz zweiter Fall StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO. Sie bezieht sich bei Gabriella F***** nicht auf die amtswegige Maßnahme (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12).

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