OGH 3Ob51/14t

OGH3Ob51/14t25.6.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers D*****, vertreten durch Dr. Helene Klaar, Dr. Norbert Marschall, Rechtsanwälte OG in Wien, wider den Antragsgegner D*****, vertreten durch Mag. Andrea Strodl, LL.M., Rechtsanwältin in Wien, wegen Unterhalts, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 21. Jänner 2014, GZ 43 R 659/13z‑37, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Hernals vom 23. September 2013, GZ 36 Fam 3/13p‑27, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0030OB00051.14T.0625.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller ist schuldig, dem Antragsgegner die mit 620,36 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin enthalten 231,96 EUR an USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Das Erstgericht wies den Antrag des Vaters, ihn von seiner Unterhaltspflicht (794 EUR monatlich) für seinen volljährigen, studierenden Sohn zu entheben, für den Zeitraum von 1. Juli 2012 bis 30. Juni 2013 rechtskräftig ab, gab ihm jedoch ab 1. Juli 2013 statt. Das Rekursgericht änderte dies über Rekurs des Sohnes in eine Antragsabweisung auch ab 1. Juli 2013 ab und ließ den Revisionsrekurs zu, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, nach welchen Kriterien der Studienfortgang in Bezug auf die vorgeschriebene Studieneingangs‑ und Orientierungsphase hinsichtlich eines ansonsten nicht nach Studienabschnitten gegliederten Hochschulstudiums zu beurteilen sei.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen diesem Ausspruch ist keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG zu beantworten, weshalb der Revisionsrekurs nicht zulässig ist.

1.  Die vom Rekursgericht als erheblich angesehene Frage wurde vom Obersten Gerichtshof bereits gelöst. Es wurde nämlich bereits mehrfach ua für Bakkalaureatsstudien ausgesprochen, dass bei Fehlen einer Gliederung in Studienabschnitte die erforderliche Kontrolle des periodischen Studienfortgangs durch eigenständige Beurteilung der vom Unterhaltswerber erbrachten Leistungen erfolgen muss (RIS‑Justiz RS0120928).

2.1.  Vorweg ist klarzustellen, dass der Vater die mit einem nicht vorwerfbaren Studienwechsel (nach dem dritten Semester des ersten Studiums im März 2013) begründete Abweisung seines Enthebungsantrags für die Zeit von 1. Juli 2012 bis 30. Juni 2013 (mit Beschluss des Erstgerichts vom 23. September 2013) unbekämpft in Rechtskraft erwachsen ließ. Eine Auseinandersetzung mit vom Vater neuerlich gegen die Entschuldbarkeit vorgebrachten Argumenten erübrigt sich daher (vgl aber zum Studienwechsel nach Verlust der Zulassungsberechtigung für das erste Studium: 3 Ob 210/07i). Es kommt daher auch nicht darauf an, ob das erste Studium ernsthaft und zielstrebig betrieben wurde (RIS‑Justiz RS0047675).

2.2.  Mit Rücksicht auf die Judikatur, wonach ein noch nicht selbsterhaltungsfähiges studierendes Kind so lange Anspruch auf Unterhalt hat, als es sein Studium ernsthaft und zielstrebig betreibt (RIS‑Justiz RS0110600 [T6]; RS0083694; zum Studienwechsel: RIS‑Justiz RS0047617 [T9]), bildet den Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens nur diese Frage. Sie kann nur nach den Umständen des konkreten Einzelfalls beurteilt werden, sodass ‑ abgesehen von einer hier nicht gegebenen krassen Fehlbeurteilung des Rekursgerichts ‑ einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs keine Bedeutung zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung zukommt (RIS‑Justiz RS0047580 [T3]). Wesentlich ist der ex post betrachtete Studienfortgang unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Studiendauer, also weder die kürzest mögliche Studiendauer (5 Ob 150/09h) noch die in den Studienplänen oder „Studiengiudes“ angeführte (Mindest‑)Semesteranzahl (2 Ob 101/09f).

2.3.  Dazu steht fest, dass der Sohn im Sommersemester 2013 die Lehrveranstaltungen der Studieneingangs‑ und Orientierungsphase (STEOP) besuchte und am 27. Juni 2013 die Modul-Prüfung „Grundzüge der Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftssoziologie" mit der Note Befriedigend ablegte. Die restlichen in der STEOP vorgesehenen zwei Teilprüfungen wurden von ihm aufgeschoben; er plante, sich mit einem Buchhaltungspraktikum im August 2013 das Basis‑ und Praxiswissen für die Prüfung anzueignen, sowie „durch Pauken von Mathe‑Formeln" im September 2013 das Mathematik-Wissen zu vertiefen, um die zwei restlichen Teilprüfungen im Herbst 2013 bei einem eventuellen Zwischentermin oder im Dezember 2013 in einem „Toleranz‑Semester“ erfolgreich ablegen zu können. Das Rekursgericht ging ‑ vom Revisionsrekurs unbeanstandet ‑ davon aus, dass die STEOP des zweiten Studiums durchschnittlich nicht in nur einem Semester absolviert werde (S 10).

Es hat auch zutreffend hervorgehoben, dass maßgeblicher Zeitpunkt der Beurteilung die Beschlussfassung erster Instanz am 23. September 2013 ist (§ 53 AußStrG; 7 Ob 52/10p, RIS‑Justiz RS0006801).

2.4.  Damals, dh zum Ende des ersten (= Sommer‑)Semesters hatte der Sohn alle vorgesehenen Lehrveranstaltungen besucht, war zu einer der drei notwendigen Prüfungen mit befriedigendem Erfolg angetreten und beabsichtigte die Absolvierung der beiden weiteren Prüfungen im zweiten (= Winter‑)Semester nach spezieller Vorbereitung. Die Verwirklichung dieser Absicht würde einen durchschnittlichen Erfolg in der STEOP bedeuten und lässt eine Beendigung des Studiums innerhalb einer angemessenen Dauer keinesfalls ausgeschlossen erscheinen. Die Beurteilung des Rekursgerichts, es sei dem Sohn (zum relevanten Zeitpunkt) eine ernsthafte und zielstrebige Betreibung des zweiten Studiums nicht abzusprechen, ist daher jedenfalls vertretbar.

Das gilt auch, wenn man iSd Argumentation des Vaters eine Ähnlichkeit der Inhalte der STEOP des ersten und zweiten Studiums unterstellt, weil der Fortbestand des Unterhaltsanspruchs auch für diesen Fall nicht an die Einhaltung der Mindeststudiendauer geknüpft ist.

3.1.  Der Vater brachte nach seiner Rekursbeantwortung einen mit 9. Jänner 2014 datierten weiteren Schriftsatz ein, in dem er vorbrachte, sein Sohn habe ‑ entgegen seiner Ankündigung ‑ abermals nicht die STEOP durch Ablegung von Prüfungen absolviert, weshalb von einer Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit des Studiums keinesfalls mehr ausgegangen werden könne. Dieser Schriftsatz wurde vom Rekursgericht ebenso wie die Replik des Sohnes darauf zurückgewiesen, weil gegen den Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels verstoßen worden sei.

3.2.  Im Revisionsrekurs wird als Mangel des Rekursverfahrens die Nichtberücksichtigung dieses die Ausbildungsunwilligkeit des Sohnes dokumentierenden Umstands unter Hinweis auf § 49 Abs 3 AußStrG gerügt. Der Vater vermag allerdings nicht die Wesentlichkeit dieses Mangels darzustellen. Zum 9. Jänner 2014 war nämlich das zweite Semester, das bekanntermaßen erst mit Ende Jänner endet, noch nicht abgelaufen. Die Verwirklichung der Absichten des Sohnes war somit noch (immer) nicht ausgeschlossen. Weitere Überlegungen zur Zulässigkeit dieser Neuerung in der gegebenen Unterhaltssache erübrigen sich daher (vgl Fucik/Kloiber AußStrG § 49 Rz 5; Klicka in Rechberger 2 § 49 AußStrG Rz 1 aE; Kodek in Gitschthaler/Höllwerth AußStrG § 49 Rz 31).

3.3.  Im Revisionsrekursverfahren herrscht Neuerungsverbot (§ 66 Abs 2 AußStrG; RIS‑Justiz RS0119918). Daher muss die im Revisionsrekurs erhobene Behauptung, der Sohn habe bislang, also auch bis 24. Februar 2014 keine einzige Prüfung absolviert, jedenfalls unberücksichtigt bleiben.

4.1.  Als ‑ schon in seiner Rekursbeantwortung aufgezeigten ‑ sekundären Feststellungsmangel macht der Vater unterbliebene Feststellungen zu dem bis Jänner 2013 vom Sohn erzielten Eigeneinkommen geltend. Es sei zwar richtig, dass das Gesetz keine Verwirkung kenne, allerdings sei die Versagung des Anspruchs bei Rechtsmissbrauch ein allgemeiner Grundsatz, der zur Enthebung von seiner Unterhaltsverpflichtung führen hätte müssen.

4.2.  In seiner Rekursbeantwortung (ON 31 S 13) leitete der Vater aus dem Eigeneinkommen seines Sohnes bis Jänner 2013 die Minderung seines Unterhaltsanspruchs ab. Nach § 49 Abs 1 AußStrG sind im Rekursverfahren neu vorgebrachte Tatsachen aber nur soweit zu berücksichtigen, als sie ‑ von einer hier nicht gegebenen Ausnahme abgesehen ‑ nicht unangefochtene Teile des Beschlusses zum Gegenstand haben; (naturgemäß) darf durch Neuerungen also nicht in die Teilrechtskraft eingegriffen werden.

Der Berücksichtigung der Neuerung zum Eigeneinkommen des Sohnes steht daher die bei Erstattung der Rekursbeantwortung bereits eingetretene Rechtskraft der Abweisung des Enthebungsbegehrens für die Zeit vom 1. Juli 2012 bis 30. Juni 2013 wegen weiter fehlender Selbsterhaltungsfähigkeit des Sohnes entgegen.

4.3.  Der Vater gesteht im Rechtsmittel zu, dass das Gesetz eine Verwirkung des Kindesunterhalts nicht kennt (RIS‑Justiz RS0047504 [T2]), leitet aber aus dem allgemeinen Grundsatz der Versagung eines Anspruchs bei Rechtsmissbrauch die Enthebung von seiner Unterhaltsverpflichtung ab. Da im Revisionsrekursverfahren uneingeschränktes Neuerungsverbot herrscht, stellt der erstmals im Revisionsrekurs erhobene Einwand des Rechtsmissbrauchs eine unzulässige und deshalb unbeachtliche Neuerung dar.

4.4.  Abgesehen davon könnte die Berechtigung dieses Einwands nur zur Verneinung jener Unterhaltsansprüche führen, die eingefordert/vereinnahmt wurden, obwohl für den jeweiligen Zeitraum (Monat) ein den Anspruch reduzierendes oder gar vernichtendes Eigeneinkommen bezogen wurde. Das könnte hier aber nur Monate (bis Jänner 2013) betreffen, über die bereits rechtskräftig entschieden wurde.

Die verlangte Enthebung des Vaters auch von zukünftigen Unterhaltspflichten als Folge des behaupteten Rechtsmissbrauchs käme aber einer Verwirkung des Kindesunterhalts gleich, die ‑ wie der Vater ja selbst zugesteht ‑ Rechtsgrundlage fehlt.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 Abs 2 AußStrG. Der Sohn hat in seiner Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig gewesen.

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