OGH 14Os36/14x

OGH14Os36/14x6.5.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. Mai 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Fellner als Schriftführer in der Strafsache gegen Roman H***** wegen des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3 Z 1 und Abs 4 vierter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 614 Hv 7/13w des Landesgerichts Korneuburg, über die Grundrechtsbeschwerde des Roman H***** gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom 13. Februar 2014, AZ 406 HR 12/14g‑17 (nunmehr AZ 614 Hv 7/13w [ON 17 in ON 52]), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0140OS00036.14X.0506.000

 

Spruch:

Die Grundrechtsbeschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe:

Im Verfahren gegen Roman H*****, AZ 406 HR 12/14g (nunmehr AZ 614 Hv 7/13w) des Landesgerichts Korneuburg wurde die Festnahme des Genannten am 19. Jänner 2014 ‑ aufgrund einer gerichtlichen Bewilligung (ON 2 S 7 in ON 52) ‑ durch die Staatsanwaltschaft Korneuburg angeordnet (ON 2 in ON 52), am selben Tag von der Kriminalpolizei durchgeführt (ON 1 S 2 und ON 7 S 1 jeweils in ON 52) und Roman H***** gemäß telefonischer Verfügung der Anklagebehörde (ON 1 S 2 in ON 52) noch am 19. Jänner 2014, 20:00 Uhr in die Justizanstalt Korneuburg eingeliefert (ON 3 in ON 52).

Den ‑ gleichzeitig mit dem Strafantrag wegen des Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (ON 9 in ON 2) eingebrachten ‑ Antrag der Anklagebehörde auf Verhängung der Untersuchungshaft über den Genannten (ON 1 S 3 in ON 52) vom 20. Jänner 2014 wies der Einzelrichter des Landesgerichts Korneuburg mit Beschluss vom 21. Jänner 2014 (mangels Vorliegens von Haftgründen und wegen Unverhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft) ab (ON 13 in ON 52).

Das mit Schriftsatz vom 19. Jänner 2014 (eingelangt beim Erstgericht am 20. Jänner 2014) gegen die „Anordnung der Festnahme der Staatsanwaltschaft Korneuburg vom 19. Jänner 2014“ erhobene ‑ im Rubrum als „Beschwerde“, in der Ausführung als „Einspruch“ bezeichnete ‑ Rechtsmittel des Roman H*****, mit dem er der Sache nach das Fehlen der gesetzlichen Voraussetzungen für seine Festnahme (mangels ausreichenden Tatverdachts und Haftgründen sowie wegen Unverhältnismäßigkeit der Festnahme) geltend machte und gleichzeitig seine „unverzügliche Enthaftung“ beantragte (ON 8 in ON 52), beurteilte das Oberlandesgericht Wien als Einspruch wegen Rechtsverletzung (§ 106 Abs 1 StPO) gegen die Festnahmeanordnung der Staatsanwaltschaft und überwies diesen formlos an das für zuständig erachtete Landesgericht Korneuburg (ON 16 in ON 52), dessen Einzelrichterin den Einspruch mit Beschluss vom 13. Februar 2014 abwies (ON 17 in ON 52).

Nach Einbeziehung des Verfahrens in das beim selben Gericht zum AZ 614 Hv 7/14w gegen Roman H***** wegen des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3 Z 1 und Abs 4 vierter Fall StGB geführte Verfahren mit Beschluss vom 14. Februar 2014 (ON 1 S 17) wurde Roman H***** mit (rechtskräftigem) Urteil vom 19. Februar 2014 gemäß § 259 Z 3 StPO von sämtlichen gegen ihn (mit Anklageschrift vom 6. September 2013 [ON 29] und Strafantrag vom 20. Jänner 2014 [ON 9 in ON 52]) erhobenen Vorwürfen freigesprochen (ON 56).

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Beschluss der Einzelrichterin des Landesgerichts Korneuburg vom 13. Februar 2014 (ON 17 in ON 52) richtet sich die Grundrechtsbeschwerde des Genannten.

Gegenstand einer Grundrechtsbeschwerde können gemäß § 1 Abs 1 GRBG nur strafgerichtliche Entscheidungen oder Verfügungen nach Erschöpfung des Instanzenzugs sein. In den Schutzbereich des GRBG fallen demnach nur solche Beschlüsse, gegen die kein Rechtsmittel zulässig ist, oder Rechtsmittelentscheidungen, die ihrerseits keinem weiteren Rechtszug unterliegen, in letzterem Fall aber nur diese und nicht auch die Entscheidungen der Vorinstanzen (RIS‑Justiz RS0061078).

Gemäß § 106 Abs 1 Z 2 StPO steht jeder Person, die behauptet im Ermittlungsverfahren durch Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft in einem subjektiven Recht verletzt worden zu sein, weil eine Ermittlungs- oder Zwangsmaßnahme unter Verletzung von Bestimmungen der Strafprozessordnung angeordnet oder durchgeführt wurde, Einspruch wegen Rechtsverletzung an das Gericht, gegen die gerichtliche Entscheidung Beschwerde an das Oberlandesgericht (§ 107 Abs 3 StPO) zu.

Gemäß § 106 Abs 2 StPO hat das Beschwerdegericht, soweit gegen die Bewilligung einer Ermittlungsmaßnahme Beschwerde erhoben wird, auch über einen ‑ nach § 106 Abs 2 erster Satz StPO mit diesem Rechtsmittel zu verbindenden ‑ Einspruch zu entscheiden. Das bedeutet, dass Einspruch nicht zusteht, soweit Beschwerde (§ 87 Abs 1 StPO) erhoben werden kann, sämtliche Einspruchsgründe also in der Beschwerde vorzubringen und nicht (mehr) geltend gemacht werden können, wenn eine Beschwerde nicht eingebracht wird (Pilnacek/Koenig, WK‑StPO § 106 Rz 29; Pilnacek/Pleischl, Das neue Vorverfahren [2005] Rz 436; Schmölzer/Mühlbacher StPO1 § 106 Rz 28; Schwaighofer, Die neue Strafprozessordnung S 227; in diesem Sinn auch 13 Os 66/12y [13 Os 67/12w, 13 Os 68/12t, 13 Os 69/12i] mwN; RV 25 BlgNR 22. GP, 143; RV 2402 BlgNR 24. GP, 11; offenbar aM Bertel in

Bertel/Venier

StPO § 106 Rz 10 ff).

Erst nach Ausschöpfung des solcherart jeweils eröffneten Instanzenzugs kann beim Obersten Gerichtshof geltend gemacht werden, dass die Anerkennung und der allenfalls mögliche Ausgleich einer (soweit hier wesentlich) durch Staatsanwaltschaft oder Gericht bewirkten Grundrechtsverletzung unterblieben ist; im Fall des Art 5 MRK mit Grundrechtsbeschwerde (§ 1 Abs 1 GRBG), sonst mit Erneuerungsantrag (auch) ohne vorherige Anrufung des EGMR.

Vorliegend hat der Beschwerdeführer seine (inhaltlich aufgestellte) Behauptung fehlender gesetzlicher Voraussetzungen für seine Festnahme nicht mit ‑ gesetzlich vorgesehener (§ 87 Abs 1 StPO) ‑ Beschwerde gegen die gerichtliche Bewilligung der Festnahmeanordnung, sondern mit einem ‑ nach dem Vorgesagten nicht zustehenden ‑ Einspruch gegen die Anordnung der Staatsanwaltschaft geltend gemacht (über den das Erstgericht demnach irrig ‑ aber ohne Nachteil für den Rechtsmittelwerber ‑ inhaltlich entschieden hat), womit die ‑ an sich zulässige ‑ Geltendmachung einer Verletzung des Grundrechts auf persönliche Freiheit durch die (effektuierte) Festnahmeanordnung mit Grundrechtsbeschwerde (vgl dazu RIS-Justiz RS0106274, RS0111222, RS0114093; in Bezug auf einen Europäischen Haftbefehl: 14 Os 133/06z) schon an der (vertikalen) Nichterschöpfung des Instanzenzugs scheitert.

Dass mit dem Vorbringen im Schriftsatz vom 19. Jänner 2014 der Sache nach Beschwerde gegen die gerichtliche Bewilligung der Festnahmeanordnung der Staatsanwaltschaft erhoben werden sollte (falso demonstatio non nocet), hat der Beschwerdeführer im Übrigen nicht behauptet.

Davon abgesehen erschöpft sich die vorliegende Grundrechtsbeschwerde darin, den mängelfreien Überlegungen des Landesgerichts Korneuburg unter Bezugnahme auf die Erwägungen des erkennenden Gerichts im Rahmen des oben angesprochenen freisprechenden Urteils vom 19. Februar 2014 eigene Beweiswerterwägungen gegenüber zu stellen und verfehlt damit eine am Gesetz orientierte Beschwerdekritik, die zur ‑ hier der Sache nach ausschließlich erfolgten ‑ Bekämpfung der Annahme eines die Festnahme rechtfertigenden (konkreten) Verdachts (im Sinn einfacher Wahrscheinlichkeit; vgl Kirchbacher/Rami , WK‑StPO § 170 Rz 5) im Grundrechtsbeschwerdeverfahren an den Kriterien der

Z 5 und

5a des § 281 Abs 1 StPO Maß zu nehmen hätte (vgl RIS-Justiz RS0110146).

Die Grundrechtsbeschwerde war daher ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte