OGH 9Ob65/13v

OGH9Ob65/13v29.4.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. a K***** K*****, vertreten durch Mag. Robert Pöschl, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei M***** S*****, vertreten durch Dr. Friedrich Piffl‑Percevic, Rechtsanwalt in Graz, wegen 240,11 EUR sA und Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 21. August 2013, GZ 7 R 39/13a‑15, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Graz‑Ost vom 16. Jänner 2013, GZ 213 C 71/12g‑11, teilweise Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

1. Das Berufungsurteil wird, soweit dem Zahlungsbegehren der Klägerin stattgegeben wurde, als Teilurteil bestätigt. Die Kostenentscheidung bleibt insoweit der Endentscheidung vorbehalten.

2. Im Übrigen, somit in den Aussprüchen über das Räumungsbegehren und in der Kostenentscheidung, werden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte ist seit 1. 2. 2005 Mieterin einer nun im Eigentum der Klägerin stehenden Wohnung. Der Mietvertrag wurde mit einer Befristung von einem Jahr abgeschlossen und sodann um ein Jahr und in der Folge um zwei weitere Jahre verlängert. Es steht nicht fest, dass die Beklagte von der Klägerin ein Schreiben vom 2. 5. 2011 erhalten hatte, in der ihr die Anhebung des Mietzinses aus der vereinbarten Wertsicherung und der neue Mietzins bekannt gegeben worden waren.

Die Klägerin begehrte mit Mietzins- und Räumungsklage vom 8. 2. 2012 von der Beklagten die Zahlung offener Mietzinsrückstände aus nicht bezahlten Wertsicherungsbeträgen aus dem Zeitraum April 2011 bis Jänner 2012 in Höhe von insgesamt 240,11 EUR (= monatlich 24,44 EUR abzüglich eines Betriebskostenguthabens) sowie die Räumung des Bestandobjekts. Gemäß § 1118 ABGB werde wegen grob schuldhafter Zahlungsverweigerung und qualifiziertem Mietzinsrückstand die Aufhebung des Mietvertrags erklärt. Darüber hinaus sei das Mietverhältnis bis 31. 1. 2009 befristet gewesen und habe sich bis 31. 1. 2012 verlängert. Das Mietobjekt werde von der Beklagten seither titellos benützt.

Die Beklagte bestritt und beantragte mangels Zugangs des Schreibens vom 2. 5. 2011 Klagsabweisung. Die Befristungen seien unwirksam. Es werde die „Zwischenfeststellung eines allfälligen Rückstandes von Betriebskosten und Indexangleichungsbeträgen“ beantragt, wobei nach Vorlage der vom Gesetz vorgesehenen Urkunden die Bereitschaft zur Bezahlung der entsprechenden Differenzbeträge bestehe.

In der Tagsatzung vom 15. 3. 2012 legte die Klägerin eine Kopie des Schreibens vom 2. 5. 2011 vor. Die Parteienvertreter stellten den Teilanwendungsbereich des MRG außer Streit. Bis zum Schluss der Verhandlung wurde der eingeklagte Betrag nicht bezahlt.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Die Befristungen seien unzulässig. Gemäß § 16 Abs 9 MRG habe der Mieter dem Vermieter den erhöhten Hauptmietzins von dem auf das Wirksamwerden der Indexveränderung folgenden Zinstermin an zu entrichten, wenn der Vermieter dem Mieter in einem nach Wirksamwerden der Indexveränderung ergehenden Schreiben, jedoch spätestens 14 Tage vor dem Termin sein Erhöhungsbegehren bekannt gebe. Da der Zugang des Schreibens vom 2. 5. 2011 nicht feststehe, sei die Beklagte nicht zur Zahlung des erhöhten Mietzinses für den klagsgegenständlichen Zeitraum verpflichtet. Spätere Mietzinse seien nicht verfahrensgegenständlich. Es liege kein Rückstand vor.

Das Berufungsgericht erachtete das Zahlungsbegehren samt Zinsen seit 16. 3. (richtig:) 2012 sowie das Räumungsbegehren als berechtigt. Im außer Streit gestellten Teilanwendungsbereich des MRG sei § 16 Abs 9 MRG nicht anwendbar. Die Beklagte habe die Wertsicherungsbeträge nach Vorlage des Schreibens vom 2. 5. 2011 nicht weiter bestritten. Sie sei daher zur Zahlung der offenen Valorisierungsbeträge verpflichtet. Die geltend gemachten Beträge seien mit Vorlage des Schreibens vom 2. 5. 2011 in der Tagsatzung vom 15. 3. 2012 hinreichend konkretisiert worden. Dennoch sei bis zum Schluss der Verhandlung keine Zahlung erfolgt. Da die Beklagte nach Vorlage des Schreibens vom 2. 5. 2011 kein Vorbringen dahin erstattet habe, dass sie kein grobes Verschulden an der Nichtzahlung treffe, komme ein Vorgehen nach § 33 Abs 2 MRG nicht in Betracht. Auch das Räumungsbegehren sei daher berechtigt.

In ihrer dagegen gerichteten außerordentlichen Revision beantragt die Beklagte die Abänderung des Berufungsurteils im Sinn einer Klagsabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu, ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und im Hinblick auf die Anwendbarkeit des § 33 Abs 2 und 3 MRG berechtigt .

1. Vorab ist die Klägerin zur Unzulässigkeit der Befristungen auf die Beurteilung des Erstgerichts zu verweisen. Demnach liegt ein unbefristetes Mietverhältnis vor.

2. Die Beklagte meint zunächst, das Berufungsgericht hätte nicht vom Teilanwendungsbereich des MRG und folglich der Unanwendbarkeit des § 16 Abs 9 MRG ausgehen dürfen. Das Berufungsgericht hat sich dazu allerdings auf die Erklärung der Parteienvertreter in der Tagsatzung vom 15. 3. 2012 gestützt, die den Teilanwendungsbereich des MRG außer Streit gestellt hatten. Richtig ist, dass nur Tatsachenbehauptungen, nicht aber Rechtsausführungen Gegenstand eines Geständnisses sein können ( Rechberger in Fasching , ZPG III 2 §§ 266, 267 ZPO Rz 2). Da die Erklärung aber durch rechtskundige Parteienvertreter erfolgte, kann darin hier nur eine verkürzte Ausdrucksweise dafür gesehen werden, dass sie die faktischen Voraussetzungen für die Teilanwendbarkeit des MRG zugestehen wollten. Die Beklagte ist dem entsprechenden Berufungsvorbringen der Klägerin, dass keine Vollanwendbarkeit des MRG gegeben sei, auch nicht entgegen getreten. Da die Frage sowohl im erstinstanzlichen Verfahren als auch im Rechtsmittel der Klägerin thematisiert wurde, konnte die Beklagte von der Rechtsansicht des Berufungsgerichts auch nicht überrascht sein. Ausgehend davon hat das Berufungsgericht die Möglichkeit der ‑ andernfalls nach § 16 Abs 9 MRG unzulässigen ‑ Geltendmachung von Werterhöhungsbeiträgen für die Vergangenheit zutreffend bejaht.

3. Die Beklagte meint weiter, dass der Beginn der Valorisierung erst mit 16. 3. 2012 als dem Tag der gerichtlichen Vorlage des Mahnschreibens vom 2. 5. 2011 angenommen werden könne, sie seit April 2012 den erhöhten Mietzins bezahle und deshalb die Mahnklage und Verfahrensfortsetzung nicht als Auflösungserklärung iSd § 1118 ABGB gewertet werden dürfe.

Nach der Rechtsprechung ist in der Zustellung einer Räumungsklage auch eine Einmahnung iSd § 1118 ABGB zu erblicken, sofern darin die Mietzinsschuld hinreichend konkretisiert ist (RIS‑Justiz RS0021229 [T5, T6]). Erfolgt die Einmahnung iSd § 1118 ABGB erst durch die Klagszustellung und ist das Räumungsbegehren in diesem Zeitpunkt daher noch nicht berechtigt, so können Zinsrückstände das Räumungsbegehren nur dann rechtfertigen, wenn sie wenigstens zu irgendeinem Zeitpunkt des erstinstanzlichen Verfahrens qualifiziert iSd §1118 ABGB waren und der Bestandnehmer nach der Mahnung mit der rückständigen Zinsschuld für eine vorangegangene Periode länger als bis zum nächsten Zinstermin in Rückstand geblieben ist (8 Ob 92/11d).

Die Geltendmachung der Wertsicherung setzt selbst bei Anwendbarkeit des § 16 Abs 9 MRG nur ein ausdrückliches Begehren auf Zahlung des erhöhten Mietzinses und die ziffernmäßige Angabe der Erhöhung voraus, nicht aber auch eine detaillierte Berechnung oder dergleichen ( Hausmann in Hausmann/Vonkilch MRG 3 § 16 Rz 89; Würth/Zingher/Kovanyi Miet‑ und Wohnrecht I 22 § 16 Rz 40; jeweils mwN).

Ein in diesem Sinne hinreichend bestimmtes Begehren war hier bereits in der am 8. 2. 2012 eingebrachten und am 21. 2. 2012 der Beklagten zugestellten Klage enthalten. Selbst wenn man in diesem Punkt der Ansicht des Berufungsgerichts folgt, das dafür auf den 15. 3. 2012 (gerichtliche Vorlage des Mahnschreibens) abstellte, trifft es nicht zu, dass die Verfahrensfortsetzung nicht als Interesse der Klägerin an einer Auflösungserklärung iSd § 1118 ABGB gesehen werden kann ‑ wurde von der Beklagten doch unbestrittenermaßen bis zum 29. 10. 2012 als dem Tag des Schlusses der mündlichen Verhandlung in erster Instanz keine Zahlung der bis Jänner 2012 aufgelaufenen und eingeklagten Mietzinsrückstände geleistet.

4. Die Beklagte bringt auch vor, entgegen ihrem Antrag auf Zwischenfeststellung vom 2. 3. 2012 keine Orientierung darüber erhalten zu haben, inwieweit ein gerechtfertigter Mietzinsrückstand im Zusammenhang mit der Wertangleichung bestehe. Damit nimmt sie offenkundig auf § 33 Abs 2 und 3 MRG Bezug.

In einem wegen Räumung und Zahlung geführten Rechtsstreit ist über den behaupteten Zahlungsrückstand zwingend mit Teilurteil zu entscheiden. Eines Teilurteils bedarf es nur dann nicht, wenn grobes Verschulden vorliegt oder wenn der mit dem Beweis für das Fehlen groben Verschuldens an einem Mietzinsrückstand belastete Mieter nicht einmal entsprechende Behauptungen aufgestellt hat (RIS‑Justiz RS0111942 [T6]). Grobes Verschulden setzt ein besonderes Maß an Sorglosigkeit voraus, sodass der Vorwurf, der Mieter habe die Interessen des Vermieters aus Rechthaberei, Willkür, Leichtsinn, Streitsucht oder aus Gleichgültigkeit verletzt, berechtigt erscheinen muss ( Würth/Zingher/Kovanyi Miet‑ und Wohnrecht I 22 § 33 MRG Rz 28 f). Zweifel über die wahre Rechtslage können ebenso wie auch ein Irrtum über das Vorliegen eines Zahlungsrückstands in der Regel nur leichte Fahrlässigkeit begründen; erst das Beharren auf einem bei nüchterner Überlegung als unrichtig erkennbaren Standpunkt kann deutlich machen, dass es kein fehlerhaftes Vorstellungsbild, sondern Rechthaberei gewesen sein muss, die den qualifizierten Zahlungsrückstand herbeigeführt hat (RIS‑Justiz RS0070327). War der relativ geringe Mietzinsrückstand nicht ganz einfach zu ermitteln und waren sich selbst die Vorinstanzen in der Frage, ob überhaupt ein solcher Rückstand bestehe, nicht einig, muss nicht vom „unzweifelhaften“ Bestehen eines Zinsrückstands und vom groben Verschulden ausgegangen werden (RIS‑Justiz RS0070327 [T6]).

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte vorgebracht, das Aufforderungsschreiben vom 2. 5. 2011 nicht erhalten zu haben und deshalb nicht in Kenntnis der Indexanpassung gewesen zu sein. Richtig ist, dass sich das weitere Vorbringen der Beklagten nach der in der Tagsatzung vom 15. 3. 2012 erfolgten Vorlage des Schreibens vom 2. 5. 2011 nicht mehr auf die Indexanpassung bezog. Allerdings ist nicht zu übersehen, dass dem Klagevertreter in der Tagsatzung vom 15. 3. 2012 die Möglichkeit zur Einbringung eines vorbereitenden Schriftsatzes und dem Beklagtenvertreter eine dreiwöchige Frist zur Erstattung einer Replik eingeräumt worden war (ON 4 AS 26), der Beklagtenvertreter erst in der Tagsatzung vom 29. 10. 2012 Kenntnis vom vorbereitenden Schriftsatz des Klagevertreters erlangte und die Verhandlung noch an diesem Tag geschlossen wurde. Das Unterbleiben eines weiteren Vorbringens zur Indexanpassung kann daher auch bloß auf diese besondere Prozesssituation zurückzuführen sein. Berücksichtigt man, dass die Beklagte bereits in ihrem vorbereitenden Schriftsatz ON 3 den Mietzinsrückstand, wie dargelegt, bestritten hatte, dass selbst die Vorinstanzen über das Bestehen eines Rückstands der Beklagten uneins waren und dass der erhöhte Mietzins seit Vorlage des Schreibens vom 2. 5. 2011 zufolge einer von Klagsseite nicht widersprochenen Aussage in der Tagsatzung vom 29. 10. 2012 bezahlt wird, so zeigen sich in einer Gesamtschau keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte aus Rechthaberei, Willkür oder aus einem anderen der genannten Motive die Zahlung der eingeklagten Erhöhungsbeträge verweigert oder sonst grob fahrlässig gehandelt hätte. Damit lagen aber die Voraussetzungen für die Fällung eines Teilurteils über das Begehren auf Zahlung des aushaftenden Mietzinses vor.

5. Der Oberste Gerichtshof ist nicht gehindert, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen selbst mit Teilurteil über das Zahlungsbegehren zu entscheiden, geht es doch bei der Prüfung des Verschuldensgrades stets um die Lösung einer grundsätzlich revisiblen Rechtsfrage, mit der im Fall des § 33 Abs 2 und 3 MRG die Fällung eines Teilurteils als verfahrensrechtliche Konsequenz untrennbar verbunden ist (2 Ob 149/06k).

6. Da sich die Revision der Beklagten im Hinblick auf das Zahlungsbegehren der Klägerin als nicht berechtigt erwiesen hat, ist ihr insoweit keine Folge zu geben und die Entscheidung des Berufungsgerichts als Teilurteil zu bestätigen.

Hingegen kann über das Räumungsbegehren noch nicht entschieden werden. Insoweit sind die Entscheidungen der Vorinstanzen in teilweiser Stattgebung der Revision aufzuheben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Verhandlung und Entscheidung über das Räumungsbegehren aufgetragen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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