OGH 13Os11/14p

OGH13Os11/14p23.4.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. April 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Fellner als Schriftführer in der Strafsache gegen Georg S***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 2 Z 1 SMG sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 28. November 2013, GZ 71 Hv 111/13g‑62, sowie die Beschwerden des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Absehen vom Widerruf einer bedingten Strafnachsicht und Verlängerung der diesbezüglichen Probezeit nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Georg S***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 2 Z 1 SMG (A) sowie der Vergehen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 12 dritter Fall StGB, § 28 Abs 1 erster, zweiter und dritter Fall SMG (B), des Betrugs nach § 146 StGB (C) und der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB (D) schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien und an anderen Orten

(A) gewerbsmäßig vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich Pico mit einem Wirkstoffgehalt von zumindest 20 % Methamphetamin, anderen überlassen, und zwar

1) vom Juni 2012 bis zum Oktober 2012 in zahlreichen Angriffen rund 75 Gramm dem Patrick P***** und

2) im Juni 2012 in zwei Angriffen 3,6 Gramm der Daniela G*****,

wobei er schon einmal wegen einer Straftat im Sinn des § 28a Abs 1 SMG verurteilt worden ist,

(B) durch Chauffeurdienste zu strafbaren Handlungen des abgesondert verfolgten Alexander H*****, konkret dazu, dass dieser Pico in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz, dass es in Verkehr gesetzt werde, in F***** und an anderen Orten übernahm, nach Wien transportierte und dort in einer Wohnung aufbewahrte, beigetragen (§ 12 dritter Fall StGB), nämlich

I) im April 2012 in Bezug auf rund 170 Gramm mit einem Wirkstoffgehalt von zumindest 73 % Methamphetamin und

II) vom Jahresbeginn 2012 bis zum 25. April 2012 in Bezug auf eine 10 Gramm Methamphetamin‑Reinsubstanz jedenfalls übersteigende Menge,

(C) mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz andere durch Vorspiegelung seiner Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit zu Handlungen verleitet, die diese um zusammen rund 770 Euro am Vermögen schädigten, nämlich

I) am 29. Juli 2011 Gewahrsamsträger des Unternehmens Pr***** zur Vermietung eines Transporters und

II) am 25. August 2011 Gewahrsamsträger einer O***** zum Überlassen von Treibstoff, weiters

(D) seine im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gröblich verletzt und dadurch bewirkt, dass der Unterhalt der Unterhaltsberechtigten ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet worden wäre, indem er vom 1. Jänner 2011 bis zum 16. September 2013 für seine am 8. März 1996 geborene Tochter Rebecca S***** unzureichende Unterhaltszahlungen leistete.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Der Mängelrüge (Z 5) zuwider lässt das Erstgericht die Feststellungen zum Wirkstoffgehalt des vom Schuldspruch A umfassten Suchtgifts keineswegs unbegründet (Z 5 vierter Fall), sondern stützt sich insoweit auf den Umstand, dass die sichergestellte Menge (B/I) einen Wirkstoffgehalt von 73 % aufwies und hievon ausgehend hinsichtlich der nicht sichergestellten Menge jedenfalls von einem durchschnittlichen Wirkstoffgehalt (20 %) auszugehen sei (US 14). Diese Schlussfolgerung widerspricht weder den Denkgesetzen noch grundlegenden Erfahrungssätzen und ist solcherart unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (14 Os 74/02, SSt 64/39; RIS‑Justiz RS0116732 und RS0118317).

Gegebenenfalls unzulässiges Überraschen des Angeklagten durch eine ihm nicht bekannte Notorietät (12 Os 49/04, SSt 2004/40; RIS‑Justiz RS0119094) liegt schon deshalb nicht vor, weil auch die Anklage hinsichtlich des vom Schuldspruch A umfassten Suchtgifts von einem 20%igen Wirkstoffgehalt ausgeht (ON 13 S 1 und 3) und dies dem Beschwerdeführer anlässlich des Anklagevortrags (ON 61 S 3) zur Kenntnis gebracht wurde.

Die vermisste Begründung der Konstatierungen zur subjektiven Tatseite in Bezug auf das Überlassen einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Suchtgiftmenge (A) findet sich auf der US 15.

Der Beschwerdeeinwand, das Erstgericht stelle „aa.O.“ fest, dass „dem Angeklagten die Mengen nicht bekannt gewesen seien“, entzieht sich mangels Aktenbezugs einer inhaltlichen Erwiderung.

Das Vorbringen, das Erstgericht konstatiere die vom Schuldspruch B/I umfasste Suchtgiftmenge mit 170,2 Gramm Pico (US 7), lasse aber „die Feststellung über die Menge des Pico vermissen“, ist unverständlich.

Mit den die Urteilsbegründung zum Reinheitsgrad des vom Schuldspruch B/I umfassten Suchtgifts betreffenden Ausführungen bezieht sich die Beschwerde nicht auf entscheidende Tatsachen, weil die für den Schuldspruch B (gemäß § 28 Abs 1 SMG) subsumtionsrelevante Grenzmenge (§ 28b SMG) nach den Feststellungen des Erstgerichts jedenfalls schon durch die zum Schuldspruch B/II konstatierten Taten überschritten worden ist (US 8).

Hinzu kommt, dass aus der ‑ unter dem Aspekt der Z 5 insoweit maßgebenden (RIS‑Justiz RS0119370) ‑ Gesamtbetrachtung der Entscheidungsgründe unmissverständlich hervorgeht, dass die Tatrichter die Feststellungen zum Wirkstoffgehalt der dem Schuldspruch B/I zu Grunde liegenden Suchtgiftmenge auf die diesbezügliche Sicherstellung gründen (siehe US 7 f und 14 iVm US 15 f).

Entgegen der Beschwerde ist die Begründungskette, wonach in Bezug auf den Schuldspruch B nicht mit der für das Strafverfahren erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden könne, dass sich der Vorsatz des Angeklagten auf eine das 15‑fache der Grenzmenge übersteigende Menge bezog (§ 28 Abs 2 SMG), aufgrund dessen Angaben im Ermittlungsverfahren sowie unter Berücksichtigung des objektiven Tathergangs aber jedenfalls ein auf das Überschreiten der (einfachen) Grenzmenge gerichtet gewesener Vorsatz (§ 28 Abs 1 SMG) festzustellen sei (US 16), keineswegs in sich widersprüchlich (Z 5 dritter Fall).

Ob der Beschwerdeführer Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen durch gewinnbringenden Verkauf oder in anderer Form überlassen hat, ist nicht subsumtionsrelevant (siehe § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG), womit das diesbezügliche Beschwerdevorbringen ins Leere geht.

Aus welchem Grund die mengenmäßige Relation zwischen einem allfälligen Suchtgift‑Eigenkonsum des Beschwerdeführers und den Suchtgift‑Weitergaben hier von Bedeutung sein soll, wird nicht klar.

Durch die Berufung auf den Zweifelsgrundsatz (Art 6 Abs 2 MRK, § 14 StPO) wird ein aus Z 5 beachtlicher Mangel nicht behauptet (RIS‑Justiz RS0102162, jüngst 15 Os 148/13y).

Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zum Schuldspruch C fehlende Feststellungen zur subjektiven Tatseite behauptet, ohne von den dazu getroffenen Urteilskonstatierungen (US 10 f) auszugehen, verfehlt sie den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).

Die vermisste Begründung zu den angesprochenen Feststellungen (der Sache nach Z 5 vierter Fall) findet sich auf den US 17 f.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufung, die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Absehen vom Widerruf einer bedingten Strafnachsicht sowie die gemäß § 498 Abs 3 dritter Satz StPO als erhoben zu betrachtende Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss auf Verlängerung einer Probezeit kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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