OGH 7Ob39/14g

OGH7Ob39/14g22.4.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. D***** S*****, und 2. G***** GmbH, *****, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Muchitsch, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei A*****‑AG, *****, vertreten durch Scherbaum Seebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 9. Jänner 2014, GZ 3 R 228/13v‑35, womit das Endurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 14. November 2013, GZ 20 Cg 73/12p‑30, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0070OB00039.14G.0422.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der erstklagenden Partei die mit 978,84 EUR (darin 163,14 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken. Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Revision an den Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO).

1. Nach § 2 Abs 2 KHVG sind jedenfalls mitversichert der Eigentümer, der Halter und Personen, die mit Willen des Halters bei der Verwendung des Fahrzeugs tätig sind oder mit dem Fahrzeug befördert werden oder den Lenker einweisen.

2. Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist eine Frage des Einzelfalls, der zur Wahrung der Rechtssicherheit, Rechtseinheit und Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt (RIS‑Justiz RS0042828). Der Wille des Fahrzeughalters nach § 2 Abs 2 KHVG kann grundsätzlich auch schlüssig im Sinn des § 863 ABGB aus seinem Verhalten abgeleitet werden (7 Ob 19/80, 7 Ob 303/05t). Ob von einer schlüssigen Willenserklärung auszugehen ist, muss anhand der Umstände des Einzelfalls entschieden werden und geht über die Bedeutung des Anlassfalls regelmäßig nicht hinaus.

Dass das Berufungsgericht den Umstand, dass der Erstkläger mit dem Willen der Halterin beim Beladen tätig war, daraus ableitete, dass ein Verladen des vier Tonnen schweren Stahlträgerbundes auf den LKW nur durch den Fahrer ohne Beiziehung eines Hallenkrans und einer Person zu dessen Bedienung schlicht undenkbar sei, stellt keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung dar.

Diese rechtliche Beurteilung durch das Berufungsgericht bedurfte keiner Beweiswiederholung oder ‑ergänzung. Die in diesem Zusammenhang gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt daher nicht vor.

3. Der Begriff „beim Betrieb“ nach § 1 EKHG bedeutet, dass entweder ein innerer Zusammenhang mit einer dem Kraftfahrzeugbetrieb eigentümlichen Gefahr oder, wenn dies nicht der Fall ist, ein adäquat ursächlicher Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Fahrzeugs bestehen muss (RIS‑Justiz RS0022592). Es muss somit ein unmittelbar ursächlicher, örtlicher und zeitlicher Zusammenhang des Schadens mit dem Betriebsvorgang oder der Betriebseinrichtung des Fahrzeugs gegeben sein (7 Ob 182/08b mwN). Der Begriff „Verwendung eines Fahrzeugs“ in § 2 Abs 1 KHVG ist nach ständiger Rechtsprechung in noch weiterem Sinn zu verstehen als der Begriff des Betriebs im Sinn des § 1 EKHG (RIS‑Justiz RS0116494, RS0088978). Versicherungsschutz zufolge „Verwendung“ des Fahrzeugs im Sinn des § 2 KHVG besteht demnach bei Gebrauch (Verwendung) des Fahrzeugs als solches schlechthin (RIS‑Justiz RS0088976, RS0088978).

Vorbereitungshandlungen für das Be‑ und Entladen werden zum Ladevorgang gerechnet, der zur Verwendung des Fahrzeugs gehört (7 Ob 3/95, 2 Ob 214/01m, 7 Ob 148/03w, 7 Ob 182/08b je mwN). Nicht dem Gebrauch zuzurechnen sind dagegen solche Vorbereitungshandlungen vor Beginn des Beladens, bei denen das Fahrzeug noch nicht beteiligt ist (7 Ob 177/04w, 7 Ob 182/08b mwN).

Im vorliegenden Fall stieß der am Hallenkran fehlerhaft fixierte ‑ gerade aufzuladende ‑ Stahlträgerbund während des eigentlichen Beladevorgangs an die vordere Runge des LKW, verdrehte sich aufgrund des Anstoßes und traf den sich als Einweiser auf der Ladefläche des LKW befindlichen Fahrer.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dieser Schaden sei in unmittelbar ursächlichem, örtlichem und zeitlichem Zusammenhang mit dem Ladevorgang gestanden, der Erstkläger sei damit bei der Verwendung des Fahrzeugs tätig gewesen und daher im Sinne des § 2 Abs 2 KHVG Mitversicherter, ist nicht zu beanstanden.

4. Der Deckungsumfang des Versicherers ist in § 2 KHVG gesetzlich zwingend umschrieben. Nach dessen Abs 1 umfasst die Versicherung die Befriedigung begründeter oder die Abwehr unbegründeter Ersatzansprüche, die aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen gegen den Versicherungsnehmer oder mitversicherte Personen erhoben werden, wenn durch die Verwendung des versicherten Fahrzeugs Personen verletzt oder getötet werden, Sachen beschädigt oder zerstört worden oder abhanden gekommen sind oder ein Vermögensschaden verursacht worden ist, der weder Personen‑ noch Sachschaden ist. Weder der Umstand, dass der Erstkläger schuldhaft handelte, noch die Gefährlichkeit des von ihm betätigten Hallenkrans schließt den zu gewährenden Deckungsschutz aus.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Der Erstkläger wies auf die Unzulässigkeit der Revision hin.

Stichworte