OGH 9Ob64/13x

OGH9Ob64/13x25.3.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** GmbH, *****, vertreten durch Achammer & Mennel Rechtsanwälte OG in Feldkirch, gegen die beklagte Partei U***** GmbH, *****, vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 77.884,49 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 14. Mai 2013, GZ 4 R 55/13i‑169, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Endurteil des Landesgerichts Feldkirch vom 23. Jänner 2013, GZ 8 Cg 10/08k‑164, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Ersturteil als Endurteil in seinem Punkt 1. zu lauten hat:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 67.207,33 EUR samt 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 3. 1. 2007 binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Das Mehrbegehren von 10.677,16 EUR samt 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 3. 1. 2007 wird abgewiesen.“

Die Entscheidung über die Verpflichtung zum Kostenersatz für das gesamte Verfahren obliegt dem Erstgericht.

Entscheidungsgründe:

Mit Werkvertrag vom 24. 11. 2004 beauftragte die S***** GmbH die Klägerin mit der Lieferung und Verlegung des Estrichs beim Objekt „P*****“. Aufgrund einer nachträglichen Abänderung der ursprünglichen Leistungsbeschreibung durch die S***** GmbH waren für den Bodenaufbau im 4. und 5. Obergeschoss des Objekts Trittschalldämmplatten mit einer Auflast von 10 kN/m2 erforderlich.

Die Klägerin bestellte die Trittschalldämmplatten bei der M***** GmbH. Dabei wies sie ausdrücklich darauf hin, dass die Trittschalldämmplatten für eine Auflast von 10 kN/m2 geeignet sein müssen. Nach gemeinsamer Einsicht in einen Prospekt der Beklagten, in dem das Produkt „U***** Dämmplatte“ beschrieben wurde und dessen Eigenschaft „für Auflasten bis 10 kN/m2“ hervorgehoben war, bestellte die M***** GmbH in Absprache mit der Klägerin dieses Produkt bei der Beklagten als Herstellerin der Dämmplatten.

Die Beklagte lieferte die Trittschalldämmplatten am 29. 12. 2004 direkt auf die Baustelle. Die Klägerin verlegte sie am 29. und 30. 12. 2004. Am 3. und 4. 1. 2005 brachte die Klägerin im 4. Obergeschoss den Fließestrich auf.

In der Folge traten beim Estrich Rissbildungen durch Spannungen auf. Diese waren zum einen auf eine Überlastung im Bauzustand und zum anderen darauf zurückzuführen, dass die von der Beklagten gelieferten Trittschalldämmplatten der zugesagten Belastbarkeit von 10 kN/m² nicht entsprachen. Hätten die Trittschalldämmplatten die geforderte Belastbarkeit von 10 kN/m2 aufgewiesen, wäre es möglich gewesen, die aufgetretenen Risse zu verharzen und zu verdübeln, um die Vorgaben für den Bodenaufbau laut Leistungsverzeichnis zu erfüllen. Dafür wäre ein Aufwand von ca 1.790 EUR erforderlich gewesen. Das Herausreißen des Estrichs samt Trittschalldämmplatten wäre dann nicht notwendig gewesen.

Der angemessene Sanierungsaufwand im Zusammenhang mit dem Herausreißen des Estrichs und der Neuverlegung der Trittschalldämmplatten und des Estrichs betrug 82.174,49 EUR brutto. Davon entfällt auf den Ersatz der Trittschalldämmung ein Betrag von 8.897,63 EUR netto (= 10.677,16 EUR brutto).

Die Klägerin begehrt ‑ nunmehr im dritten Rechtsgang nach Klagseinschränkung und rechtskräftiger Teilabweisung im zweiten Rechtsgang ‑ von der Beklagten 77.884,49 EUR sA. Die von der Beklagten produzierten und gelieferten Trittschalldämmplatten hätten nicht die im Prospekt garantierten und zugesagten Eigenschaften, nämlich die Eignung für eine Belastbarkeit bis zu 10 kN/m², aufgewiesen. Die Beklagte hafte ihr ua aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (Vertrag zwischen der M***** GmbH und der Beklagten) für sämtliche Schäden, die ihr durch die erforderliche Sanierung entstanden seien.

Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ‑ soweit für die Revisionsentscheidung noch relevant ‑ ein, dass sie keine Haftung aus Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter treffe, weil es der Klägerin an einem schutzwürdigen Interesse an der Geltendmachung derartiger Ansprüche fehle. Die Klägerin könne ihre Ansprüche gegenüber ihrer Vertragspartnerin geltend machen. Reine Vermögensschäden seien zudem im Rahmen einer Haftung aus Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter nicht ersatzfähig.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren aufgrund der überbundenen Rechtsansicht des Berufungsgerichts im Aufhebungsbeschluss vom 8. 2. 2010 (ON 77) statt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es hielt an seiner im Aufhebungsbeschluss vertretenen Rechtsansicht zur Haftung der Beklagten aufgrund eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter fest. Die Beklagte sei als Produzentin der Trittschalldämmplatten und Prospekthersteller für die zugesicherten Produkteigenschaften verantwortlich gewesen. Da für sie bei Vertragsabschluss mit der M***** GmbH erkennbar gewesen sei, dass die Hauptleistung, nämlich die Lieferung der Trittschalldämmplatten, der Klägerin zukommen sollte, hafte sie gegenüber der aus diesem Vertrag begünstigten Dritten (Klägerin) auch für Vermögensschäden. Die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO sei im Hinblick auf die zwischenzeitlich ergangene Entscheidung 4 Ob 80/12m betreffend den Umfang der Verbesserungspflicht eines Verkäufers im Rahmen der Gewährleistung und der grundsätzlichen Subsidiarität eines Schadenersatzanspruchs aus Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter zulässig.

In ihrer dagegen gerichteten Revision beantragt die Beklagte die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Klagsabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung , die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig; sie ist auch teilweise berechtigt.

I. Die Beklagte macht als Verfahrensmangel geltend, dass das Berufungsgericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, an seine im Aufhebungsbeschluss des ersten Rechtsgangs vertretene Rechtsansicht gebunden zu sein. Richtigerweise hätte es aufgrund der Entscheidung 4 Ob 80/12m der Berufung Folge geben und das Klagebegehren abweisen müssen.

Die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor. Nach herrschender Rechtsprechung ist das Berufungsgericht an seine in einem Aufhebungsbeschluss ausgesprochene Rechtsansicht gebunden (RIS‑Justiz RS0042173; RS0042181; zuletzt 3 Ob 126/13w).

II.1. Nach ständiger Rechtsprechung bestehen die Schutz- und Sorgfaltspflichten aus einem Vertragsverhältnis nicht nur zwischen den Vertragsparteien, sondern auch gegenüber bestimmten dritten Personen, die durch die Vertragserfüllung erkennbar in erhöhtem Maße gefährdet werden und der Interessensphäre eines Vertragspartners angehören. Erfasst werden ua Dritte, an denen der Vertragspartner ein sichtbares eigenes Interesse hat oder hinsichtlich welcher ihm selbst offensichtlich eine Fürsorgepflicht zukommt (2 Ob 4/13x; RIS‑Justiz RS0034594; RS0037785; RS0020769).

2. Dass diese Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Rechtsfigur des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter auch im Anlassfall grundsätzlich vorliegen, wird in der Revision nicht in Frage gestellt.

3. Strittig ist hingegen, ob der Berechtigung des Klagsanspruchs entgegensteht, dass die Klägerin gegen ihre Vertragspartnerin, die M***** GmbH, eigene Ansprüche hätte. Nach ständiger, auch nach Kritik im Schrifttum (vgl 7 Ob 185/11y) aufrecht erhaltener, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wird der geschädigte Dritte dann nicht in den Schutzbereich eines fremden, dh zwischen anderen geschlossenen, Vertrags einbezogen, wenn der Dritte selbst einen deckungsgleichen Schadenersatzanspruch aus eigenem Vertrag gegen einen der beiden Kontrahenten hat (7 Ob 170/11t; 4 Ob 157/13m; 2 Ob 4/13x; RIS‑Justiz RS0022814; RS0037785 [T26]).

4. Die Revisionswerberin meint nun, die Klägerin hätte Gewährleistungsansprüche gegen die M***** GmbH geltend machen müssen. Im Rahmen des § 932 Abs 2 ABGB hätte die M***** GmbH nach der jüngsten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (4 Ob 80/12m) der Klägerin nicht nur die Trittschalldämmplatten, sondern auch die Ein- und Ausbaukosten ersetzen müssen. Dazu ist Folgendes auszuführen:

4.1. Nach Art 3 Abs 2 der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. 5. 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (im Folgenden kurz als Verbrauchsgüterkauf‑RL oder Richtlinie bezeichnet) hat der Verbraucher bei Vertragswidrigkeit entweder Anspruch auf die unentgeltliche Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsgutes durch Nachbesserung oder Ersatzlieferung nach Maßgabe des Absatzes 3 oder auf angemessene Minderung des Kaufpreises oder auf Vertragsauflösung in Bezug auf das betreffende Verbrauchsgut nach Maßgabe der Absätze 5 und 6. Nach Art 3 Abs 3 1. Satz Verbrauchsgüterkauf‑RL kann der Verbraucher vom Verkäufer zunächst die unentgeltliche Nachbesserung des Verbrauchsgutes oder eine unentgeltliche Ersatzlieferung verlangen, sofern dies nicht unmöglich oder unverhältnismäßig ist.

4.2. Umgesetzt wurde diese europarechtliche Vorgabe im nationalen Recht in § 932 Abs 2 ABGB. Danach kann der Übernehmer zunächst nur die Verbesserung oder den Austausch der Sache verlangen, es sei denn, dass die Verbesserung oder der Austausch unmöglich ist oder für den Übergeber, verglichen mit der anderen Abhilfe, mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden wäre. Die Haftung für „Mängel“ aufgrund fehlerhafter Montageanleitung hat der Gesetzgeber hingegen im KSchG (§ 9a Satz 2) umgesetzt (RV 422 BlgNR 21. GP 24).

4.3. In der zu den verbundenen Rechtssachen C‑65/09 ( Weber ) und C‑87/09 ( Putz ) ergangenen Entscheidung vom 16. 6. 2011 hat der EuGH eine ihm vorgelegte Frage wie folgt beantwortet: Art 3 Abs 2 und 3 der Verbrauchsgüterkauf‑RL ist dahin auszulegen, dass, wenn der vertragsgemäße Zustand eines vertragswidrigen Verbrauchsgutes, das vor Auftreten des Mangels vom Verbraucher gutgläubig gemäß seiner Art und seinem Verwendungszweck eingebaut wurde, durch Ersatzlieferung hergestellt wird, der Verkäufer verpflichtet ist, entweder selbst den Ausbau dieses Verbrauchsgutes aus der Sache, in die es eingebaut wurde, vorzunehmen und das als Ersatz gelieferte Verbrauchsgut in diese Sache einzubauen, oder die Kosten zu tragen, die für diesen Ausbau und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsgutes notwendig sind. Diese Verpflichtung des Verkäufers besteht unabhängig davon, ob er sich im Kaufvertrag verpflichtet hatte, das ursprünglich gekaufte Verbrauchsgut einzubauen (Rn 62, 79).

4.4. In der Entscheidung 4 Ob 80/12m (= RIS‑Justiz RS0127994 = ecolex 2013/43 [ Wilhelm ] = JBl 2013, 151 [ Faber ] = bbl 2012, 232 [ Egglmeier-Schmolke ]) sprach der Oberste Gerichtshof erstmals aus, dass die Gewährleistungspflicht einer mangelhaft gelieferten Ware (hier Heizkörper) auch den Ersatz der Ein- und Ausbaukosten umfasst. Die unentgeltliche Ersatzlieferung (iSd Art 3 Abs 3 Verbrauchsgüterkauf-RL), zu der der Verkäufer infolge mangelhafter Erfüllung verpflichtet sei (§ 932 Abs 2 ABGB: „Austausch der Sache“), umfasse nach der Rechtsprechung des EuGH (verbundene Rs C‑65/09, C‑87/09 Rn 48, 55) das Wahlrecht des Verkäufers, entweder selbst den Ausbau des mangelhaften Verbrauchsgutes aus der Sache, in die es eingebaut worden sei, vorzunehmen und das als Ersatz gelieferte Verbrauchsgut in diese Sache einzubauen, oder die Kosten zu tragen, die für diesen Ausbau und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsgutes notwendig seien.

4.5. Ob die vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Grundsätze auf den Anwendungsbereich der Verbrauchsgüterkauf‑RL zu beschränken oder auch auf Unternehmergeschäfte zu übertragen sind, blieb von der höchstgerichtlichen österreichischen Rechtsprechung bislang unbeantwortet.

4.6. Hingegen hat sich der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) mit dieser Frage in der Entscheidung vom 17. 10. 2012, VIII ZR 226/11 (BGHZ 195, 135 = NJW 2013, 220 = ZIP 2012, 2397) bereits ausführlich auseinandergesetzt. Er kam zum Ergebnis, dass die richtlinienkonforme Auslegung des § 439 Abs 1 2. Alt BGB, wonach der Käufer als Nacherfüllung nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen kann, auf den Verbrauchsgüterkauf beschränkt sei und sich nicht auf Kaufverträge zwischen Unternehmern oder zwischen Verbrauchern erstrecke. Die Vorgaben der Verbrauchsgüterkauf‑RL und des Urteils des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Weber/Putz bezögen sich nur auf den Verbrauchsgüterkauf und nicht auf andere Kaufverträge. Der deutsche Gesetzgeber habe die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben für die Nacherfüllung bei deren Umsetzung in das deutsche Recht nicht in die Sonderregelungen für den Verbrauchsgüterkauf (§§ 474 ff BGB), sondern in die für alle Kaufverträge geltenden Bestimmungen der §§ 433 ff BGB eingefügt. Eine Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung richtlinienfreien Rechts ergebe sich bei der hier vorliegenden richtlinienüberschießenden Umsetzung der Richtlinie in das nationale (deutsche) Recht zwar nicht aus dem Gemeinschaftsrecht, aber aus dem nationalen Recht. Die Vorstellungen des deutschen Gesetzgebers über Inhalt und Umfang der Nachlieferungspflicht gemäß § 439 Abs 1 2. Alt BGB stimmten nicht mit dem Verständnis des Europäischen Gerichtshofs über den Umfang der Nachlieferungspflicht gemäß Art 3 Abs 2 und 3 der Verbrauchsgüterkauf‑RL überein. Zwar habe der Gesetzgeber mit der Umsetzung der Vorgaben der Verbrauchsgüterkauf-RL für die Nacherfüllung in § 439 BGB eine einheitliche Regelung für alle Kaufverträge angestrebt. Dies habe jedoch auf einem Fehlverständnis über den von der Verbrauchsgüterkauf‑RL für den Verbrauchsgüterkauf vorgegebenen Umfang der Nacherfüllungspflicht bei der Ersatzlieferung einer mangelfreien Sache beruht. Deshalb spreche nichts dafür, dass der Gesetzgeber die Nachlieferungspflicht gemäß § 439 Abs 1 2. Alt BGB einheitlich für alle Kaufverträge geregelt hätte, wenn ihm die spätere Auslegung der Richtlinie durch den Gerichtshof bekannt gewesen wäre. Vielmehr sei davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die Umsetzung der Vorgaben der Verbrauchsgüterkauf‑RL für die Nachlieferungspflicht auf den Verbrauchsgüterkauf beschränkt hätte, wenn ihm damals bereits bekannt gewesen wäre, dass der Gerichtshof der Nachlieferung einen über die Wiederholung der Verkäuferpflichten hinausgehenden, in den Werkvertrag hineinreichenden Inhalt zuweise. Es könne daher nicht angenommen werden, dass es dem Willen des deutschen Gesetzgebers entspräche, eine so weitgehende Ausdehnung der Nachlieferungspflicht, wie sie der Gerichtshof für den Verbrauchsgüterkauf verbindlich vorgenommen habe, im Wege richtlinienkonformer Auslegung über den Verbrauchsgüterkauf hinaus auch auf andere Kaufverträge zu erstrecken.

4.7. Im weit überwiegenden deutschen Schrifttum ( Looschelders , Keine Aus‑ und Einbaupflicht des Verkäufers im Rahmen der Ersatzlieferung bei Kaufverträgen zwischen Unternehmern oder zwischen Verbrauchern, JA 2013, 149; Lorenz , Aus‑ und Wiedereinbaukosten bei der kaufrechtlichen Nacherfüllung zwischen Unternehmern, NJW 2013, 207; Gsell , BGH: Reichweite der richtlinienkonformen Auslegung beim Ersatz von Ausbaukosten von mangelhaften Liefergegenständen, LMK 2013, 343739; Fornasier , EuZW 2013, 159; Ayad , BGH entscheidet über Aus‑ und Einbaukosten ‑ keine Garantiehaftung im Unternehmerverkehr, BB 2013, 82; Szalai/Hofmann , VuR 2013, 104; Mörsdorf , JZ 2013, 191; dogmatisch zweifelnd: Schmidt , Die „Granulat“-Entscheidung des BGH zum kaufrechtlichen Nacherfüllungsanspruch ‑ Eine dogmatische und rechtspolitische Analyse, GPR 2013, 210) fand diese Entscheidung des BGH Zustimmung.

4.8. Das Oberlandesgericht Frankfurt hat in seiner bereits vor dem Urteil des BGH VIII ZR 226/11 am 21. 6. 2012 ergangenen Entscheidung 15 U 147/11 (NJOZ 2013, 376) ebenfalls ausgesprochen, dass § 439 Abs 1 2. Alt BGB nicht die Kosten des Einbaus der mangelfreien Sache umfasse, wenn es sich nicht um einen Verbrauchsgüterkauf, sondern um einen Kaufvertrag zwischen Unternehmern handle.

4.9. In der österreichischen Literatur finden sich zur hier relevanten Frage insbesondere Stellungnahmen von Faber und P. Bydlinski .

4.9.1. Faber (Aus‑ und Einbaukosten und Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung, 97 ff) sieht bessere Gründe bei einer gespaltenen Anwendung, wobei die Grenze im Wesentlichen beim Anwendungsbereich der Verbrauchsgüterkauf-RL gezogen werden sollte. Die vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Grundsätze zum Aus‑ und Einbau sollten sachlich auf Kaufverträge über bewegliche körperliche Sachen und persönlich auf Verträge beschränkt werden, in denen sich als Verkäufer ein Unternehmer und auf Käuferseite ein Verbraucher gegenüberstünden. Der grundsätzliche Wille des Gesetzgebers, mit dem GewRÄG 2001, BGBl I 2001/48, ein einheitliches Gewährleistungsrecht zu schaffen (RV 422 BlgNR 21. GP 20), sollte von vornherein nicht so stark gewichtet werden, wie zB in einem Fall, in welchem das Bestehen des konkreten Auslegungsproblems dem Gesetzgeber im Zeitpunkt seines Tätigwerdens bewusst sei. Es sei zu beachten, dass im Hinblick auf die Aus‑ und Einbaukostenfrage diese Willensbildung, soweit sie sich auch auf dieses konkrete Auslegungsproblem beziehe , ex post betrachtet zumindest „fehlerhaft“ erfolgt sei. Der Gesetzgeber habe sich wegen seiner „Fehlvorstellung“ über den Inhalt des später vom Europäischen Gerichtshof konkretisiert-modifizierten Austauschanspruchs gar keine Gedanken darüber machen können, ob er diese Vorgaben auch außerhalb des Anwendungsbereichs der Verbrauchsgüterkauf‑RL übernehmen möchte oder nicht. Da der Gesetzgeber des GewRÄG 2001 die Haftung für „Mängel“ aufgrund fehlerhafter Montageanleitung bewusst im KSchG (§ 9a Satz 2 KSchG) umgesetzt habe, weil die von der Verbrauchsgüterkauf‑RL angeordnete gewährleistungs-orientierte Haftung „nicht recht in das System der §§ 922 ff ABGB“ passe (RV 422 BlgNR 21. GP 24), könne davon ausgegangen werden, dass die Haftung für Mangelfolgeschäden (worunter nach traditionellem österreichischen Verständnis auch durch eine mangelhafte Montageanleitung verursachte Schäden an der Kaufsache gefallen wären) weiterhin dem allgemeinen Schadenersatzrecht zu überlassen sei, soweit anderes nicht unmittelbar durch die Verbrauchsgüterkauf‑RL erzwungen werde. Aus dem Blickwinkel des österreichischen Gesetzgebers zum Umsetzungszeitpunkt müsse das Weber/Putz‑ Urteil zur Frage der Aus‑ und Einbaukosten als hochgradig überraschend angesehen werden. Je überraschender das vom EuGH gefundene Auslegungsergebnis einer Richtlinienregelung sei, desto mehr spreche gegen einen hypothetischen Willen des Gesetzgebers zu einer einheitlichen Auslegung. Das gegen eine „gespaltene Auslegung“ von P. Bydlinski (siehe unten 4.10.2.) vorgetragene Argument sei zu eng gefasst und müsse sich letztlich einer interpretatorischen Gesamtabwägung stellen, in welche nicht nur Begründungssätze des Europäischen Gerichtshofs, sondern auch am autonom‑nationalen Recht orientierte Auslegungsgesichtspunkte einfließen könnten.

4.9.2. P. Bydlinski (Weite verschuldens-unabhängige Verkäuferhaftung nach Selbsteinbau durch den Käufer?, ÖJZ 2011/93, 895 ff) stützt seine Präferenz für eine einheitliche Auslegung in der Aus‑ und Einbaukostenfrage hingegen darauf, dass das aus seiner Sicht zentrale und tragfähigste Argument des Europäischen Gerichtshofs, nämlich dass die Folgen der Schlechterfüllung derjenige zu tragen habe, der nicht ordnungsgemäß erfüllt habe, keine verbraucherrechtlichen Spezifika aufweise und somit keine sachlichen Gründe für eine Ungleichbehandlung von Verbraucher- und sonstigen Geschäften bestünden. Dabei stellt er auch klar, dass das Argument des Europäischen Gerichtshofs überschießend (weil grundsätzlich für alle Mangelfolgeschäden anwendbar) sei und somit von vornherein in seinem Anwendungsbereich beschnitten werden müsse.

4.10. Der Oberste Gerichtshof schließt sich in Beurteilung der gegenständlichen Rechtsfrage der Ansicht des BGH VIII ZR 226/11, die im deutschen Schrifttum weit überwiegende Zustimmung fand, und der überzeugenden Argumentation von Faber an. Aus dem Blickwinkel des österreichischen Gesetzgebers zum Umsetzungszeitpunkt muss das EuGH‑Urteil in der Rechtssache Weber/Putz zur Frage der Aus‑ und Einbaukosten als außerordentlich überraschend angesehen werden. In Österreich war man sich vor dieser Entscheidung darüber einig, dass Aus‑ und Einbaukosten als Mangelfolgeschäden nur nach den Regeln des Schadenersatzrechts ersatzfähig sein sollten (RIS‑Justiz RS0022916; 1 Ob 272/12v; P. Bydlinski in KBB³ § 933a Rz 10; Zöchling-Jud in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.01 § 933a Rz 9). Schon dies spricht gegen einen hypothetischen Willen des Gesetzgebers zu einer einheitlichen Auslegung. „Ausbrechende“ Auslegungsergebnisse des Europäischen Gerichtshofs, mögen diese auch für die richtlinienkonforme Auslegung hinzunehmen sein, strahlen nicht auf das autonome Recht aus. Soweit der Gesetzgeber selbst durch Schaffung von unionsrechtlich determinierten Sonderregeln seinen Willen zur einheitlichen Umsetzung relativiert hat, kommt eine „gespaltene Auslegung“ grundsätzlich in Betracht, weil sie nur bereits bestehenden Sonderregeln (zB §§ 474 ff BGB; § 9 KSchG) eine weitere hinzufügt. Es muss davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber bei Kenntnis der konkreten unionsrechtlichen Vorgabe betreffend die Aus‑ und Einbaukostenfrage auch diese im Rahmen der allgemeinen bzw der Sonderregeln umgesetzt hätte.

4.11. Die insbesondere anhand des Wortlauts der Verbrauchsgüterkauf‑RL 1999/44/EG richtlinienkonforme Auslegung des § 932 Abs 2 ABGB ist somit auf Verträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern (§ 1 KSchG) beschränkt und erstreckt sich nicht auf Kaufverträge zwischen Unternehmern oder zwischen Verbrauchern. Es kann nicht angenommen werden, dass es dem Willen des österreichischen Gesetzgebers entspräche, eine so weitgehende Ausdehnung der Nachlieferungspflicht, wie sie der Europäische Gerichtshof in den Rechtssachen C‑65/09 ( Weber ) und C‑87/09 ( Putz ) für den Verbrauchsgüterkauf verbindlich vorgenommen hat, im Wege richtlinienkonformer Auslegung über den Verbrauchsgüterkauf hinaus auch auf andere Kaufverträge zu erstrecken.

5.1. Beim Landesgericht Feldkirch wurde zu 7 Cg 149/06s das Verfahren gegen die M***** GmbH ‑ im gegenständlichen Verfahren ursprünglich Erstbeklagte ‑ geführt. Die Klägerin hat in derselben Klagsschrift, gestützt ua auf Schadenersatz und Gewährleistung, für die Position „Estrich und Dämmung neu“ einen Ersatz von 35.149,96 EUR begehrt. Wie aus der damals vorgelegten Urkunde Beilage ./H ersichtlich, umfasst dieser Betrag auch die Kosten der neuen Trittschalldämmplatten im Ausmaß von 722,21 m² (8.897,63 EUR netto). Das Landesgericht Feldkirch wies das gesamte Klagebehren ab. Die M***** GmbH hafte nicht für die geltend gemachten Mangelfolgeschäden, weil sie weder rechtswidrig noch schuldhaft gehandelt habe. Gewährleistungsansprüche für die gelieferten Trittschalldämmplatten habe die Klägerin nicht geltend gemacht.

Tatsächlich hat die Klägerin aber einen Gewährleistungsanspruch gegen ihre Vertragspartnerin, die M***** GmbH geltend gemacht. Dieser umfasst den Ersatz der Kosten der Trittschalldämmplatten.

5.2. Ausgehend von der oben (Punkt II.3.) dargelegten Subsidiarität des Anspruchs der Klägerin gegenüber der Beklagten aus der Verletzung des zwischen der Beklagten und der M***** GmbH bestehenden Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter hat die Klägerin daher keinen Anspruch auf Ersatz des Mangelschadens von 8.897,63 EUR netto gegen die Beklagte. Sie hätte diesen Anspruch gegen die M***** GmbH hier in einem Rechtsmittelverfahren zu 7 Cg 149/06s des Landesgerichts Feldkirch durchsetzen können und müssen.

6. Das bloße Vermögen dritter Personen wird nach der Rechtsprechung in den Schutzbereich solcher Verträge nicht einbezogen (RIS‑Justiz RS0022475; RS0017068 [T1]). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht nur dann, wenn die Hauptleistung gerade einem Dritten zukommen soll (2 Ob 191/06m mwN; RIS‑Justiz RS0022475 [T1]; Karner in KBB² § 1295 Rz 19 mwN; Kodek in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.01 § 1295 Rz 61 mwN). Dies ist hier der Fall. Da die Beklagte in Kenntnis davon war, dass die Trittschalldämmplatten mit der zugesagten Belastbarkeit von 10 kN/m² für die Baustelle des Objekts „P*****“ benötigt werden, kommt es nicht darauf an, dass sie nicht genau wusste, in welchen Teilen des Objekts die Trittschalldämmplatten eingebaut würden.

Der Revision der Beklagten war daher teilweise Folge zu geben. Der vom Erstgericht zugesprochene Schadenersatzbetrag (Bruttobetrag) war um den Mangelschaden, nämlich die (Brutto‑)Kosten für die neuen Trittschalldämmplatten (8.897,63 EUR netto = 10.677,16 EUR brutto), zu kürzen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 Satz 1 letzter Halbsatz und Abs 3 Satz 1 ZPO (9 Ob 6/14v).

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