OGH 2Ob191/06m

OGH2Ob191/06m23.3.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith, Dr. Grohmann und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** KG, *****, vertreten durch Dr. Hans-Jörg Haftner, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen die beklagte Partei ÖAMTC-Zweigverein *****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 7.814,28 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Berufungsgericht vom 16. März 2006, GZ 21 R 94/06s-27, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 24. Jänner 2006, GZ 14 C 487/05v-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 665,66 (darin EUR 110,94 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Reinhard G***** stand mit der klagenden Partei, einer Autohändlerin, in Verhandlungen bezüglich des Ankaufes eines PKWs der Type Alfa Romeo um einen Kaufpreis von EUR 26.000,--, der zur Hälfte durch einen Kredit finanziert werden sollte. Vor Annahme des Anbotes der klagenden Partei veranlasste Reinhard G***** bei der beklagten Partei die Durchführung einer „ÖAMTC-Kaufüberprüfung". Der Prüfbericht enthielt den Hinweis auf einen Vorschaden. Der Kaufvertrag kam nicht zustande.

Die klagende Partei begehrt von der beklagten Partei Schadenersatz in Höhe der Differenz zwischen dem vorgesehenen Kaufpreis und dem mittlerweiligen Verkaufswert des Fahrzeuges, das bis dato nicht veräußert habe werden können. Die beklagte Partei habe grob fahrlässig ein falsches Gutachten erstellt und damit die konkrete Verkaufsgelegenheit der klagenden Partei zunichte gemacht. Auftraggeber der beklagten Partei sei zwar der Kaufinteressent gewesen. Da aber für die beklagte Partei erkennbar gewesen sei, dass sich das Gutachten auf den Geschäftsabschluss auswirken werde, erstrecke sich ihre Haftung als Sachverständiger auch auf den potentiellen Autoverkäufer, sohin die klagende Partei. Die beklagte Partei bestritt und wandte ein, die klagende Partei stehe zu ihr in keinem Vertragsverhältnis und werde durch den Gutachtensauftrag nicht geschützt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, ohne den Vorwurf eines falschen Gutachtens und dessen Kausalität für den unterbliebenen Abschluss des Kaufvertrages einer Prüfung zu unterziehen. Es ging vom eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt aus und verneinte die Begründung vertraglicher Schutz- und Sorgfaltspflichten zu Gunsten der klagenden Partei, die weder der Interessenssphäre des Auftraggebers angehört, noch im Vertrauen auf das Gutachten der beklagten Partei wirtschaftliche Dispositionen getroffen habe. Das Gutachten habe nur den Interessen des Auftraggebers gedient. Das von der klagenden Partei angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Der Auftraggeber habe für die beklagte Partei erkennbar beabsichtigt, eine Grundlage für seinen Kaufentschluss zu gewinnen. Allfällige Dispositionen der klagenden Partei, die das Fahrzeug zu diesem Zeitpunkt bereits als vorschadensfrei zu einem bestimmten Kaufpreis angeboten habe, seien dabei nicht zur Diskussion gestanden. Es könne daher keine Rede davon sein, dass der Kaufinteressent mit der Auftragserteilung an die beklagte Partei die - in rein wirtschaftlicher Hinsicht überdies gegensätzlichen - Interessen der klagenden Partei mitverfolgt habe.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mit der sinngemäßen Begründung zu, es stelle eine über den Einzelfall hinaus bedeutsame Rechtsfrage dar, ob in die objektiv-rechtlichen Sachverständigenpflichten der Autofahrervereinigungen bei der Durchführung von Ankaufstests auch die Interessen der Gebrauchtwagenhändler einzubeziehen seien.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, die zweitinstanzliche Entscheidung im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht bezeichneten Grund zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

Die klagende Partei steht weiterhin auf dem Standpunkt, dass sie in den Schutzbereich des zwischen dem Kaufinteressenten und der beklagten Partei eingegangenen Vertragsverhältnisses einzubeziehen sei. Der beklagten Partei habe bewusst sein müssen, dass durch ein unrichtiges Gutachten das Interesse der klagenden Partei, das überprüfte Fahrzeug um einen angemessenen Kaufpreis veräußern zu können, beeinträchtigt wird. Sie habe daher für den der klagenden Partei zugefügten Vermögensschaden aus dem Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter bzw auf Grund der „allgemeinen zivilrechtlichen Informationshaftung" nach § 1300 Satz 1 ABGB einzustehen.

Hiezu wurde erwogen:

Die Ersatzpflicht des Sachverständigen nach den §§ 1299, 1300 ABGB ist grundsätzlich auf den aus dem Schuldverhältnis Berechtigten beschränkt (RIS-Justiz RS0026234). Eine Haftung gegenüber Dritten kommt nur dann in Betracht, wenn der Besteller des Gutachtens für den Sachverständigen erkennbar gerade auch die Interessen des Dritten mitverfolgt (5 Ob 18/00h; 7 Ob 273/00y; RIS-Justiz RS0026552, RS0017178), sodass, wie dies der Oberste Gerichtshof in neuerer, nunmehr ständiger Rechtsprechung vertritt, die objektiv-rechtlichen Sorgfaltspflichten auf den Dritten zu erstrecken sind (3 Ob 67/05g = JBl 2006, 178 mwN; Karner in KBB § 1300 Rz 3). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Sachverständige damit rechnen muss, dass sein Gutachten Dritten zur Kenntnis gelangen und diesen als Grundlage für ihre Dispositionen dienen wird (7 Ob 513/96 = SZ 69/258; 6 Ob 81/01g; 3 Ob 93/05f; RIS-Justiz RS0106433). Geschützt ist demnach der Dritte, wenn eine Aussage erkennbar drittgerichtet ist, also ein Vertrauenstatbestand vorliegt, der für den Dritten eine Entscheidungsgrundlage darstellen soll (7 Ob 513/96; 3 Ob 67/05g;

Karner aaO). Wesentlich ist daher vor allem, zu welchem Zweck das

Gutachten erstattet wurde. Mangels ausdrücklicher Bestimmung im

Vertrag kann sich die Beurteilung nach der Verkehrsübung richten (7

Ob 513/96; 3 Ob 67/05g; auch 6 Ob 39/06p = JBl 2006, 723 = GesRZ

2006, 151 = ecolex 2006/240 [Kapsch aaO 578]). Aus dem

Gutachtensauftrag ergibt sich, welche Interessen Dritter geschützt sind (7 Ob 273/00y; 6 Ob 81/01g; 3 Ob 93/05f).

Die Vorinstanzen haben die Grundsätze dieser Rechtsprechung zutreffend auf den vorliegenden Fall angewandt. Sie haben auch die unterschiedliche Interessenlage der potentiellen Parteien des Kaufvertrages richtig erkannt:

Veranlasst ein Kaufinteressent bei einem Autofahrerclub die Durchführung einer „Kaufüberprüfung" bzw eines „Ankaufstests", kommt es ihm in aller Regel darauf an, Informationen über den Zustand jenes Kraftfahrzeuges zu erlangen, dessen Kauf er in Erwägung gezogen hat. Demgegenüber ist bei einem Fahrzeughändler, der einem Kaufinteressenten bereits ein konkretes Verkaufsangebot unterbreitet hat, davon auszugehen, dass er den Zustand des Fahrzeuges schon kennt (vgl 1 Ob 414/97g = SZ 71/88). Sein Interesse ist demnach typischerweise nur noch darauf ausgerichtet, dass der Kaufvertrag zu den vorgesehenen Bedingungen zustandekommt.

Auch im vorliegenden Fall hatte die klagende Partei die Konditionen des Veräußerungsgeschäftes bereits festgelegt, während (nur) der Kaufinteressent für seine abschließende Willensbildung noch zusätzlicher Informationen bedurfte. Unter diesen Umständen liegt es aber auf der Hand, dass der „Ankaufstest", für die beklagte Partei erkennbar, nur dem Kaufinteressenten, nicht aber auch der klagenden Partei als Entscheidungsgrundlage dienen sollte. Deren Interesse am Abschluss eines Kaufvertrages ist nach dem klar hervorleuchtenden Zweck des Gutachtensauftrages daher nicht geschützt. Die Beurteilung nach der Rechtsfigur des Vertrages mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter kann zu keinem anderen Ergebnis führen. Wie die klagende Partei selbst erkennt, wird das bloße Vermögen dritter Personen in den Schutzbereich solcher Verträge nicht einbezogen (RIS-Justiz RS0017068 [T1], RS0022475). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht nur dann, wenn die Hauptleistung gerade einem Dritten zukommen soll (8 Ob 287/01s = JBl 2003, 379; 3 Ob 67/05g; RIS-Justiz RS0022475 [T1]; Karner aaO § 1295 Rz 19). Vom Vorliegen dieser Ausnahme, welche die klagende Partei nun für sich reklamiert, kann aber aus den bereits erörterten Gründen keine Rede sein. Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass der von einem Kaufinteressenten an den beklagten ÖAMTC-Zweigverein erteilte Auftrag zur Durchführung eines „Ankaufstests" schutzwürdige Interessen des außerhalb dieses Vertragsverhältnisses stehenden klagenden Autohändlers nicht berührt.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Stichworte