OGH 14Os186/13d

OGH14Os186/13d25.2.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Februar 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ent als Schriftführer in der Strafsache gegen Freddy G***** wegen des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 Abs 2, 86 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 12. September 2013, GZ 13 Hv 93/13x‑39, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Geymayer, des Angeklagten Freddy G***** und seiner Verteidigerin Dr. Reuterer zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

Freddy G***** wird für das ihm zur Last liegende Verbrechen der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 Abs 2, 86 StGB unter Bedachtnahme gemäß § 31 Abs 1 StGB auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 9. Juli 2013, GZ 15 Hv 47/13t‑8, nach § 86 StGB zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Strafneubemessung verwiesen.

Ihm fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Freddy G***** des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 Abs 2, 86 StGB schuldig erkannt und hiefür unter Bedachtnahme gemäß § 31 StGB auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 9. Juli 2013, AZ 15 Hv 47/13t, nach § 86 StGB zu einer Zusatzstrafe von drei Jahren verurteilt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er am 9. Juni 2013 in Graz Daniela Gr***** durch das Versetzen eines mit beiden Händen ausgeführten Stoßes gegen den Oberkörper, durch den sie rücklings über drei Stufen zu Boden stürzte und mit dem Hinterkopf auf dem Boden aufschlug, vorsätzlich am Körper misshandelt, wobei die Tat den Tod der Genannten zur Folge hatte.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus den Gründen der Z 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt teilweise Berechtigung zu.

Der Subsumtionsrüge (Z 10) zuwider war eine nähere Präzisierung der ‑ im Rechtsmittel ohnehin zitierten ‑ Feststellung zur subjektiven Vorhersehbarkeit der Todesfolge (US 5 f) hinsichtlich der Erkennbarkeit einzelner Elemente der Gefahrensituation für den Beschwerdeführer für die rechtsrichtige Subsumtion nicht notwendig. Ein solches Erfordernis ist auch der zitierten Kommentarstelle (Burgstaller/Fabrizy in WK2 StGB § 86 Rz 7) und Rechtsprechung (9 Os 77/79, ÖJZ‑LSK 1979/321 und 13 Os 102/79, ÖJZ‑LSK 1979/374) nicht zu entnehmen.

Mit Spekulationen dazu, dass der Angeklagte bei der Tatbegehung die Position des Tatopfers (ein bis zwei Meter vor den Stufen) aufgrund der diffusen Lichtverhältnisse am Tatort (einer Diskothek) möglicherweise gar nicht wahrnehmen konnte (vgl im Übrigen dessen dazu geständige Verantwortung, ON 38 S 7), wird bloß unzulässig die erstgerichtliche Beweiswürdigung (US 9) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung bekämpft. Von einer durch die (geringfügige) Alkoholisierung des Tatopfers erhöhten Gefährlichkeit seines Verhaltens gingen die Tatrichter im Übrigen gar nicht aus (US 5).

Der unsubstatiierte weitere Einwand der Subsumtionsrüge (Z 10), die ‑ hinreichenden ‑ Urteils-annahmen zum Misshandlungsvorsatz (US 5) wären nicht geeignet, die vorgenommene rechtliche Beurteilung zu tragen, vielmehr „hätte das Erstgericht bloß zu einem Schuldspruch im Sinn des § 80 StGB kommen können“, erschöpft sich ein weiteres Mal in bloßer Rechtsbehauptung.

Die Ableitung dieser Konstatierung aus dem objektiven Täterverhalten (dem Versetzen eines plötzlichen, unvermittelten und heftigen, mit beiden Händen ausgeführten, Stoßes durch den 165 Kilogramm schweren Angeklagten gegen das in 1 bis 2 Meter Entfernung vor drei Stufen stehende, 45 Kilogramm leichte Opfer, durch den dieses zu Sturz kam und Hämatome erlitt; US 4) begegnet dem ersichtlich vertretenen Beschwerdestandpunkt zuwider unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) keinen Bedenken (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 452; RIS-Justiz RS0092867).

Insoweit war die Nichtigkeitsbeschwerde daher zu verwerfen.

Demgegenüber zeigt die Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall) zutreffend auf, dass das Erstgericht die (Zusatz-)Strafe unter Zugrundelegung eines (zum Nachteil des Angeklagten) falschen Strafrahmens verhängt und solcherart seine Strafbefugnis überschritten hat. Denn es ging davon aus, dass der Angeklagte mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 9. Juli 2013, AZ 15 Hv 74/13t, auf das es (richtig) nach § 31 StGB Bedacht genommen hat, zu einer (für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt worden sei (US 2), obwohl sich aus der in der Hauptverhandlung zusammenfassend vorgetragenen (ON 38 S 29) Abschrift dieses Urteils die Verhängung einer neunmonatigen Unrechtsfolge ergibt (ON 8 im bezughabenden Beiakt).

Während nämlich § 31 Abs 1 erster Satz StGB die Voraussetzungen für die Verhängung einer Zusatzstrafe normiert, legen der zweite und dritte Satz dieser Bestimmung den Strafrahmen für diese Konstellation spezifisch fest: die Grenze des zweiten Satzes erfährt eine Einschränkung durch die Anordnung des dritten Satzes, wonach der Sanktionsrahmen der nunmehr begründeten strafbaren Handlung durch die (tatsächlich) verhängte Unrechtsfolge des Vor-Urteils reduziert wird. Dies stellt dann den Rahmen für die konkrete Strafbemessung nach § 40 StGB dar (vgl zum Ganzen Ratz in WK² StGB § 31 Rz 8 und § 40 Rz 1).

Geht ein Gericht ‑ wie hier ‑ entgegen § 31 Abs 1 StGB von einem zu weiten Strafrahmen aus, begründet dies Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO, auch wenn die verhängte Unrechtsfolge innerhalb des richtigen Strafrahmens liegt (Ratz in WK² StGB § 31 Rz 14, 15; RIS‑Justiz RS0099852, RS0085974 [T2, T3], RS0112524 [T11], RS0108409; näher Ratz, WK-StPO § 281 Rz 667 ff).

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, daher im Strafausspruch aufzuheben, ohne dass es eines Eingehens auf das weitere Vorbringen der Sanktionsrüge (Z 11 dritter Fall) bedurfte.

Damit hat die Strafneubemessung durch den Obersten Gerichtshof zur Vermeidung eines weiteren Rechtsgangs auf der Grundlage der aus dem Vorurteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 9. Juli 2013, AZ 15 Hv 74/13t (ON 8 im bezughabenden Beiakt), zu treffenden Konstatierungen zu erfolgen (Ratz, WK‑StPO § 285i Rz 5 und § 288 Rz 45). Danach war gemäß § 31 Abs 1 StGB (erneut) auf dieses Urteil Bedacht zu nehmen und von einem durch die dort verhängte neunmonatige Freiheitsstrafe reduzierten Sanktionsrahmen des nunmehr begründeten Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 Abs 2, 86 StGB auszugehen.

Erschwerend waren das Zusammentreffen zweier Verbrechen (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB), mildernd hingegen der bisher ordentliche Lebenswandel (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB) und das ‑ im Ergebnis ‑ reumütige Geständnis des Angeklagten (ON 38 S 5 ff, 29; § 34 Abs 1 Z 17 StGB).

Der vom Beschwerdeführer reklamierte Milderungsgrund der Unbesonnenheit nach § 34 Abs 1 Z 7 StGB ist nur heranzuziehen, wenn der Täter einem Willensimpuls folgt, der aus besonderen Gründen der Lenkung durch das ruhige Denken entzogen ist (Ebner in WK² StGB § 34 Rz 18), wofür vorliegend keine Anhaltspunkte erkennbar sind. Hinsichtlich der fahrlässig herbeigeführten Tatfolge scheidet die Annahme des in Rede stehenden Milderungsgrundes von vornherein aus (RIS-Justiz RS0091037; Ebner in WK² StGB § 34 Rz 19).

Davon ausgehend erweist sich mit Blick auf die allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung (§ 32 StGB) und auf die im erwähnten Vor-Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz verhängte Sanktion (§ 40 StGB) eine zusätzliche Freiheitsstrafe von drei Jahren als tat- und schuldangemessen. Aufgrund des im Bedachtnahmeurteil angelasteten Verhaltens und des hier aktuellen massiven und aus nichtigem Anlass gegen ein körperlich weit unterlegenes Opfer geführten Angriffs ist nicht von einer hohen Wahrscheinlichkeit auszugehen, dass der Rechtsbrecher keine strafbaren Handlungen mehr begehen werde, sodass die Gewährung teilbedingter Strafnachsicht (§ 43a Abs 3 StGB) nicht in Betracht kommt.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Kassation des Strafausspruchs und die Strafneubemessung zu verweisen.

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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