Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Stefan A wird verworfen.
Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Josef B wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in den den Angeklagten Josef B betreffenden Teilen aufgehoben und die Sache zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Josef B auf diese Entscheidung verwiesen.
Der Berufung des Angeklagten Stefan A wird dahin Folge gegeben, daß die Freiheitsstrafe auf 6 1/2 (sechseinhalb) Jahre herabgesetzt wird.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten A die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden der Angeklagte Stefan A des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach dem § 87 Abs 1 und Abs 2, zweiter Deliktsfall, StGB und der Angeklagte Josef B des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach den §§ 83 Abs 1 (84 Abs 1), 86 StGB schuldig erkannt, weil sie am 16. Mai 1978 in Wien im einverständlichen Zusammenwirken als Beteiligte (§ 12 StGB) dem Alexander C und der Franziska D durch Versetzen einer Vielzahl von Faustschlägen und Fußtritten gegen Kopf und Körper schwere Körperverletzungen (§ 84 Abs 1 StGB), und zwar Stefan A auch durch Versetzen mehrerer Schläge mit einem Stahlrohrsessel gegen Kopf und Körper der genannten Personen absichtlich (§ 5 Abs 2 StGB), Josef B aber vorsätzlich zufügten, wobei die Tat bei Alexander C an sich schwere Verletzungen, nämlich einen Bruch des linken Jochbogens, einen Teilabriß der Unterlippe, eine Gehirnerschütterung mit lange anhaltender Bewußtlosigkeit, eine ca 6 cm lange Rißquetschwunde an der Stirne rechts, eine ca 3 cm lange Rißquetschwunde im Bereich der linken Augenbraue und einen Bluterguß an den Lidern des linken Auges, verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsstörung, bei Franziska D hingegen deren Tod zur Folge hatte.
Dieses Urteil bekämpfen beide Angeklagte mit getrennt ausgeführten, ziffernmäßig den Nichtigkeitsgrund der Z 5, Josef B auch jenen der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO relevierenden Nichtigkeitsbeschwerden. Der Angeklagte Stefan A macht mit seiner Mängelrüge - in der sich seine Beschwerdeausführungen auch schon erschöpfen - dem Schöffengericht allein zum Vorwurf, es habe mit Stillschweigen übergangen, daß er anläßlich seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsrichter den Widerruf seiner früheren (geständigen) Darstellung vor der Polizei in bezug auf die Verwendung eines Stahlrohrsessels als Schlagwerkzeug insoweit plausibel begründet habe, als er damals ausführte, er habe sich bei der polizeilichen Vernehmung vom Bestreben leiten lassen, 'das Geschäft zu retten' (nämlich durch Weiterführung seiner beruflichen Funktion im Gastgewerbe durch den Mitangeklagten B) und außerdem auch in Erwägung gezogen, daß man ihm angesichts seiner Vorstrafen ohnehin keinen Glauben schenken werde. Die Nichterörterung dieses Vorbringens im Urteil begründe eine erhebliche Unvollständigkeit desselben im Sinne des angezogenen Nichtigkeitsgrundes. Dem ist zu erwidern, daß das Erstgericht ausführlich und im Einklang sowohl mit den Denkgesetzen als auch mit der allgemeinen Lebenserfahrung begründet hat, warum es in Ansehung der Frage, wer von den beiden Angeklagten bei den schweren Mißhandlungen der eingangs genannten Personen auch noch einen Stahlrohrsessel als Schlagwerkzeug verwendete - was für die Annahme der Absicht (§ 87 Abs 1 StGB) des Betreffenden, schwer zu verletzen, ersichtlich mitbestimmend für das Erstgericht war (vgl Bd II/S 13) - der Verantwortung des Mitangeklagten B und den eigenen Angaben des Stefan A vor der Polizei (Band I/S 119 und 135, Vorhalte Bd I/S 482 und 496), nicht aber der dann davon abweichenden Verantwortung des Letztgenannten vor dem Untersuchungsrichter (Band I/S 50) und in der Hauptverhandlung (Band I/S 473) gefolgt ist (vgl Band II/ S 15 bis 19, insbesondere S 18). Es hatte sich hiebei mit den einzelnen Verfahrensergebnissen keineswegs etwa Satz für Satz auseinanderzusetzen, sondern war im Sinne der Vorschrift des § 270 Abs 2 Z 5 StPO bloß verhalten, in gedrängter Darstellung anzugeben, welche entscheidungswesentlichen Tatsachen es als erwiesen oder als nicht erwiesen angenommen hat und aus welchen Gründen es dies tat; dieser Verpflichtung ist das Schöffengericht aber nach dem Gesagten nachgekommen. Von einem Begründungsmangel im Sinne des Nichtigkeitsgrundes der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO kann demnach keine Rede sein. Vielmehr stellt das Beschwerdevorbringen bloß den unzulässigen Versuch einer Bekämpfung der erstgerichtlichen Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung dar und muß demnach unbeachtet bleiben.
Rechtliche Beurteilung
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A erweist sich sohin als nicht begründet.
Mit seiner auf den Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde wendet sich der Angeklagte Josef B lediglich gegen die Zurechnung des Todes der Franziska D als fahrlässig herbeigeführt und wirft dem Urteil in dieser Beziehung eine unvollständige Begründung vor. Der Mängelrüge kommt Berechtigung zu.
Nicht berechtigt ist zwar der (auf das Fehlen eines Kausalzusammenhanges hinauslaufende) Einwand der Beschwerde, der Angeklagte B habe nur bei der ersten Phase der Mißhandlungen gegen Franziska D mitgewirkt, wobei die dabei zugefügten Verletzungen möglicherweise nicht zur Lungenfettembolie als Todesursache geführt hätten, was aber bei den von Stefan A in der zweiten Phase der Tätlichkeiten (an denen der Beschwerdeführer nicht mehr mitgewirkt habe) mit dem Stahlrohrsessel erteilten Schlägen mit größerer Wahrscheinlichkeit anzunehmen sei. Das Erstgericht mußte sich nicht näher damit auseinandersetzen, welche Verletzungen durch den Beschwerdeführer Josef B zugefügt worden sind, weil nach den diesbezüglich nicht angefochtenen Urteilsfeststellungen (Band II/S 14) alle diese Verletzungen zusammen, die Franziska D erlitten hat, somit auch die vom Angeklagten in der ersten Phase der Tätlichkeiten gegen Franziska D verursachten, zum Eintritt einer Lungenfettembolie (und damit zum Tode der Franziska D) führten, dieser Erfolg daher auch durch die Tätlichkeiten des Beschwerdeführers real herbeigeführt wurde. Eben darum ist für die Frage der Kausalität unbeachtlich, daß der Mitangeklagte A während der Abwesenheit des Beschwerdeführers der Franziska D durch Schläge mit dem Stahlrohrsessel weitere (erhebliche) Verletzungen zufügte, weil es für die strafrechtliche Zurechnung eines Verhaltens als ursächlich für einen bestimmten Erfolg genügt, daß der Angeklagte durch seine Tätlichkeiten eine der Bedingungen geschaffen hat, unter denen der Erfolg eintritt.
Mit Recht macht die Mängelrüge aber unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit geltend, daß das Erstgericht sich über Umstände hinwegsetzte, die gegen die Vorhersehbarkeit des Todes der Franziska D durch den Beschwerdeführer und damit gegen dessen Zurechenbarkeit sprechen.
Beim Tatbestand des § 86 StGB ist im Hinblick auf die Bestimmung des § 7 Abs 2 StGB auch im Falle einer Mittäterschaft (bei der grundsätzlich eine wechselseitige Haftung auch für die jeweils vom anderen unternommenen Mißhandlungen und damit eine strafrechtliche Verantwortlichkeit für den im Rahmen des gemeinsamen deliktischen Handelns eingetretenen Gesamterfolg besteht) die Prüfung der Frage, ob der (ungewollte) Eintritt der Todesfolge den (Mit-) Tätern als von diesen (wenn auch allenfalls nur unbewußt) fahrlässig herbeigeführt zuzurechnen ist, für jeden Tatbeteiligten gesondert vorzunehmen, jedoch unter (Mit-) Berücksichtigung der Gesamtheit der von den einvernehmlich Agierenden im Rahmen des gemeinsamen Vorsatzes begangenen Tätlichkeiten (JBl 1979, S 440). Ob den Täter auch der Vorwurf der Fahrlässigkeit in bezug auf den strafqualifizierenden Erfolg (§ 7 Abs 2 StGB) trifft, ist nach § 6 StGB zu prüfen; diese Prüfung hat sich in der Regel auf das Moment der objektiven und subjektiven Vorhersehbarkeit des Erfolges (und des Kausalverlaufes im allgemeinen) zu beschränken (vgl SSt 46/67, EvBl 1976/203).
Grundsätzlich ist für den Täter ein qualifizierter Erfolg dann vorhersehbar und ihm subjektiv zuzurechnen, wenn dieser nach den Erfahrungen des täglichen Lebens eintreten konnte (EvBl 1976/201), wobei für die Frage der Vorhersehbarkeit dieses Erfolges gewiß auch die Person des Mittäters und das Ausmaß der nach den Umständen von ihm zu erwartenden Tätlichkeiten eine Rolle spielt. Nach den Urteilsfeststellungen schien es dem Beschwerdeführer Josef B genug zu sein, als der Mitangeklagte Stefan A den Alexander C zu einem Wasserhahn geschleppt, ihn dort unter den Wasserstrahl gehalten und schließlich beide Opfer blutüberströmt bewußt- und regungslos am Boden lagen, weshalb er Stefan A aufforderte, mit den Tätlichkeiten aufzuhören.
Während sich der Beschwerdeführer Josef B vom Tatort entfernte, zum PKW vorausging und dort einige Minuten wartete, ergriff Stefan A einen Stahlrohrsessel und schlug damit auf Franziska D und Alexander C ein. Schon aus der Fassung des Urteilsspruches (in welchem diese Tätlichkeiten mit dem Stahlrohrsessel allein dem Angeklagten A angelastet werden) ergibt sich eine Zäsur hinsichtlich des einverständlichen Zusammenwirkens zwischen dem Beschwerdeführer und Stefan A und den Tätlichkeiten des letzteren in dieser zweiten Phase der Mißhandlungen. Nach den Urteilsgründen wollten die Angeklagten den beiden in einer Loge des Gastgartens nächtigenden Personen 'einen gehörigen Denkzettel verpassen' (Band II/S 12), sodaß sich das bewußte und gewollte Zusammenwirken nur auf die Verabreichung von Faustschlägen und Fußtritten während der ersten Phase der Mißhandlungen beschränkte. Die darauf folgenden Tätlichkeiten, nämlich das Versetzen von Schlägen mit dem Stahlrohrsessel, werden - wenn man das Urteil richtig versteht - somit lediglich dem Mitangeklagten A angelastet, sodaß für die Frage der Vorhersehbarkeit des tödlichen Erfolges durch den Beschwerdeführer Josef B jene Tätlichkeiten des Stefan A ausscheiden, die dieser ohne Zusammenwirken mit dem Angeklagten B in der Absicht auf Zufügung schwerer Körperverletzung begangen hat. Diesen Umstand, daß die Tätlichkeiten gegenüber Franziska D in zwei Phasen erfolgten, ließ das Erstgericht in seinem Ausspruch über die Zurechnung des Todes der Franziska D als auch vom Angeklagten B fahrlässig herbeigeführt aber ungewürdigt, sodaß das Urteil in dieser Hinsicht im Sinne der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO mangelhaft begründet ist.
Die vom Erstgericht sinngemäß getroffene Feststellung, daß beiden Angeklagten zumindest bei Verlassen des Tatortes die lebensgefährliche Lage und die Möglichkeit des Todeseintrittes ihrer Opfer bewußt gewesen sein mußte, ist im gegebenen Zusammenhang rechtlich ohne Bedeutung, da es für die Vorhersehbarkeit eines schweren Erfolges (nach § 86 StGB) nur auf den Zeitpunkt der Tätlichkeiten ankommt. In dieser Beziehung liegt aber beim Angeklagten B, der schon nach der ersten Phase der Tätlichkeiten den Tatort verließ, ein Feststellungsmangel vor.
Es war daher in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B und unter Anwendung des § 289 StPO das Urteil in allen diesen Angeklagten betreffenden Teilen aufzuheben und die Sache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang zurückzuverweisen. Im zweiten Rechtsgang wird auch die nicht angefochtene Frage, ob auch die in der ersten Phase der Tätlichkeiten zugefügten Verletzungen kausal für den Tod der Franziska D waren, einer näheren Klärung unterworfen werden müssen. Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten Stefan A nach dem zweiten Strafsatz des § 87 Abs 2 StGB zu 7 1/2 Jahren Freiheitsstrafe.
Bei der Strafbemessung nahm es erschwerend an, daß der Angeklagte mehrmals wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender Taten verurteilt wurde, besonders grausam, brutal und roh handelte, die Wehr- und Hilflosigkeit der beiden Opfer ausnützte, aus besonders verwerflichen Gründen handelte und die Tat sich gegen zwei Personen gerichtet hat; als mildernd hingegen wertete es den Umstand, daß seine Aussage vor der Polizei wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat.
Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte Stefan A eine Herabsetzung
der Freiheitsstrafe an.
Die Berufung ist begründet.
Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe zwar im wesentlichen richtig erfaßt, es hat nach Lage des Falles aber nicht darauf Bedacht genommen, daß der Angeklagte zur Tatzeit schwer alkoholisiert - das Erstgericht nahm einen Blutalkoholwert von 2,45 %o als erwiesen an, Band II, Seite 16 - gewesen ist. Der Vorwurf des Versetzens in einen Rauschzustand überwiegt nur dann den Vorwurf der durch den Rausch bewirkten verminderten Zurechnungsfähigkeit, wenn der Täter beim Genuß berauschender Mittel zumindest damit rechnen mußte, und zwar nicht nur theoretisch, sondern auf Grund konkreter Anhaltspunkte, daß er im berauschten Zustand eine strafbare Handlung begehen könnte (Leukauf-Steininger, 2. Auflage, RN 3 bei § 35 StGB). Solche konkreten Anhaltspunkte für die Annahme, daß der Angeklagte schon im Zeitpunkt der Berauschung damit rechnen mußte, daß es zu Tätlichkeiten kommen werde, wurden vom Erstgericht aber nicht festgestellt. In Würdigung dieses Umstandes erachtet der Oberste Gerichtshof, daß die im Spruche ersichtliche Freiheitsstrafe dem Unrechtsgehalt der Tat, dem Verschuldensgrad des Angeklagten und seinem Persönlichkeitsbild angemessen ist.
Der Angeklagte Josef B war mit seiner Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.
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