OGH 6Ob19/14h

OGH6Ob19/14h20.2.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** AG, *****, vertreten durch Greiter Pegger Kofler & Partner Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. G ***** GmbH, *****, 2. Dr. F***** B*****, vertreten durch MMag. Dr. Erich Lackner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 253.796 EUR sA, über die außerordentliche Revision der zweitbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 5. Dezember 2013, GZ 2 R 205/13h‑31, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1.1. § 1 KSchG stellt auf den Abschluss des Rechtsgeschäfts ab. Der Verbraucherschutz gilt für Rechtsgeschäfte, die Personen abschließen, die nicht Unternehmer sind. Eine Anknüpfung an das Verhältnis jener Personen, die sich zu einem späteren Zeitpunkt gegenüberstehen, ist daher mit dem Regelungszweck des KSchG nicht zu vereinbaren. Dies gilt auch bei Dauerschuldverhältnissen (vgl RIS‑Justiz RS0120082). Wird ein an einem Geschäft beteiligter Verbraucher später zum Unternehmer, so kommt ihm in sinngemäßer Anwendung des § 1 Abs 3 KSchG weiterhin der Verbraucherschutz zu Gute (Mayrhofer/Nemeth in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 1 KSchG Rz 85; vgl auch Krejci in Rummel, ABGB³ § 1 KSchG Rz 36).

1.2. Die Bürgschaft eines geschäftsführenden Alleingesellschafters zu unternehmerischen Zwecken stellt nach herrschender Rechtsprechung kein Verbrauchergeschäft dar (RIS‑Justiz RS0116313 [T4]).

2.1. Im vorliegenden Fall käme dem Zweitbeklagten der Schutz des KSchG nur dann zu Gute, wenn man davon ausgeht, dass er durch die von ihm am 26. 11. 2009 als Unternehmer unterfertigte Erklärung: „Sämtliche übrige Vereinbarungen, insbesondere die beigebrachten Sicherheiten, bleiben unverändert aufrecht. Bürge: ***** F***** B*****“ nicht neuerlich eine Bürgschaftserklärung hinsichtlich der aushaftenden Kreditsumme abgegeben hat.

2.2. Die nachträgliche Gewährung einer Ratenzahlung bedeutet eine Abänderung eines bestehenden Schuldverhältnisses im Sinn des § 1379 ABGB. Dies gilt auch für eine Kreditverlängerung (RIS‑Justiz RS0032457 [T2]). Durch eine Änderung des bestehenden Schuldverhältnisses im Sinne des § 1379 ABGB wird aber der Bestand der Bürgschaft nicht beeinflusst; allerdings darf die Position dritter Sicherungsgeber ohne ihre Zustimmung nicht verschlechtert werden (RIS‑Justiz RS0032454; Kajaba in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON 1.01 § 1379 Rz 4).

2.3. Im Hinblick auf den Wortlaut der vom Beklagten als Unternehmer abgegebenen Erklärung liegt nahe, dass es sich dabei um keine neue Verpflichtung, sondern lediglich um eine Wissenserklärung hinsichtlich der bestehenden Bürgschaft handelt. Für eine solche Auslegung spricht auch der Umstand, dass das Eingehen einer neuen Bürgschaftsverpflichtung bei einer bloßen Kreditverlängerung und Herabsetzung der Haftungssumme nicht notwendig ist. Damit haben die Vorinstanzen aber auf den vorliegenden Sachverhalt im Ergebnis zu Recht das KSchG angewendet.

3.1. Auch zur Prüfpflicht nach § 25c KSchG liegt bereits gesicherte Rechtsprechung vor. Je nach Art und Ausmaß der Verbindlichkeit muss der Gläubiger eine sorgfältige Bonitätsprüfung unter Verwendung der ihm zugänglichen Instrumente vornehmen, sich somit in jenem Umfang Kenntnis von der wirtschaftlichen Lage des Hauptschuldners verschaffen, wie dies ein sorgfältiger Kreditgeber üblicherweise tut (RIS‑Justiz RS0115984). Die Prüf‑ und Informationspflichten des Gläubigers dürfen in diesem Zusammenhang aber nicht überspannt werden. Es treffen ihn keine Nachforschungspflichten, die über eine mit der notwendigen kaufmännischen Sorgfalt durchgeführte Bonitätsprüfung hinausgehen. Letztlich kann auch das Verhalten des Interzedenten und dessen Bereitschaft zur Übernahme der Interzession die Nachforschungspflichten und damit auch die Informationspflichten des Gläubigers einschränken (RIS‑Justiz RS0115982 [T1]). Der Umfang der Nachforschungspflicht und der daraus resultierenden Informationspflicht hängt davon ab, in welcher Höhe der Kredit gewährt wurde und vor allem davon, unter welchen Umständen es zum Abschluss des Kreditvertrags gekommen ist (RIS‑Justiz RS0112839 [T3]). Das Kennen oder Kennenmüssen muss schon vor der, jedenfalls aber spätestens bei der Interzession vorliegen (RIS‑Justiz RS0113880).

3.2. Der Interzedent muss behaupten und beweisen, dass der Gläubiger die wirtschaftliche Notlage des Hauptschuldners, also dass dieser seine Verbindlichkeit voraussichtlich nicht oder nicht vollständig erfüllen werde, kannte oder kennen musste (RIS‑Justiz RS0120350).

3.3. Die Frage, ob ein Gläubiger unter den gegebenen Umständen erkennt oder erkennen muss, dass der Hauptschuldner seine Verbindlichkeiten voraussichtlich nicht oder nicht vollständig erfüllen werde, kann regelmäßig nur einzelfallbezogen beantwortet werden. Dabei sind meist erhebliche Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu beantworten (RIS‑Justiz RS0116208).

4.1. Nach den vom Obersten Gerichtshof zu Grunde zu legenden Feststellungen der Vorinstanzen (vgl RIS‑Justiz RS0043312) haben Mitarbeiter der Klägerin im Vorfeld der Kreditvertragsunterzeichnung mit Ing. R***** über das Projekt gesprochen und die Bonität der Schuldnerin anhand einer Rumpfbilanz über das Geschäftsjahr 2007 und der Projektunterlagen geprüft. Auch die Vermögensverhältnisse des Beklagten wurden geprüft. Eine Überprüfung der vorgelegten Urkunden dahingehend, dass diese gefälscht sind, erfolgte nicht. Allerdings gab es damals keinen augenscheinlichen Hinweis auf das Vorliegen von Fälschungen.

4.2. Soweit die Revision die Auffassung vertritt, die klagende Partei hätte auch die Vermögensverhältnisse von Ing. R***** prüfen müssen, ist ihr entgegenzuhalten, dass es auf dessen Vermögensverhältnisse gerade nicht ankam, weil dieser weder Schuldner des Kreditvertrags war noch für dessen Erfüllung haftete. In Bezug auf das finanzierte Projekt wurde er hingegen ohnehin in die Gespräche einbezogen. Im Übrigen ist dem Beklagten entgegenzuhalten, dass er gerade deswegen als Geschäftsführer aufgetreten ist, weil er um die finanziellen Probleme des Ing. R***** wusste und damit dazu beitrug, dass dieser nicht als Organ der Hauptschuldnerin aufschien.

4.3. Der Umstand, dass eine Mitarbeiterin der Klägerin die Fälschungen später entdeckte, indiziert keinen anfänglichen Sorgfaltsverstoß. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen wurde die nachfolgende Prüfung nämlich „außerordentlich genau“ durchgeführt.

4.4. Auch der Umstand, dass es sich bei der Hauptschuldnerin um eine relativ neu gegründete GmbH handelte, führte nicht dazu, dass davon ausgegangen werden könnte, dass sie ihre Verbindlichkeiten nicht vollständig erfüllen könnte. Diesbezüglich ist auf die Entscheidung 3 Ob 58/05h zu verweisen, wonach bei einer knapp vor der Interzession gegründeten GmbH „wohl nur Hellseher die Nichterfüllung der Kreditverpflichtungen der Hauptschuldnerin voraussehen hätten können“.

5. Soweit die Revision auf die „weiteren Ausführungen in der Berufung“ verweist, ist dies unzulässig und unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0043579).

6. Fragen zum Mäßigungsrecht nach § 25d KSchG werden von der Revision nicht mehr aufgegriffen. Im Übrigen ist diese Frage regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls abhängig (RIS‑Justiz RS0112840). Die von den Vorinstanzen vorgenommene Mäßigung auf zwei Drittel der ursprünglichen Haftungssumme erscheint im Hinblick auf die Umstände des Einzelfalls nicht korrekturbedürftig.

7. Damit bringt die Revision aber keine Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung zur Darstellung, sodass diese spruchgemäß zurückzuweisen war.

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