OGH 9ObA136/13k

OGH9ObA136/13k29.1.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk und Mag. Johann Schneller als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei W***** T*****, vertreten durch Mag. Dr. Edwin Mächler, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei J***** D*****, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl Rechtsanwalts Gesellschaft mbH in Graz, sowie die Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei 1. T***** GmbH, *****, vertreten durch Pascher & Schostal Rechtsanwälte OG in Wien, und 2. R***** AG, *****, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17‑19, wegen 18.973,64 EUR sA und Feststellung (5.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. September 2013, GZ 6 Ra 53/13f‑40, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Am 7. 5. 2011 ereignete sich in der Verladehalle der Zweitnebenintervenientin ein Arbeitsunfall. Dabei wurde der bei der Zweitnebenintervenientin als Vorarbeiter beschäftigte Kläger vom Beklagten, der als ein von der Erstnebenintervenientin überlassener Arbeitnehmer einen Gabelstapler lenkte, verletzt. Beim Rückwärtsfahren stieß der Beklagte mit dem Stapler gegen den Kläger, weil er bei diesem Fahrmanöver nicht rückwärts blickte. Zum Unfallszeitpunkt war der Kläger als Vorarbeiter und Vorgesetzter des Beklagten mit dem Abladevorgang beschäftigt. Er scannte die angelieferten Waren, koordinierte und überwachte den gesamten Abladevorgang. Die Staplerfahrer sind nicht berechtigt, dem Vorarbeiter Anordnungen zu geben. Die Arbeit des Staplerfahrers ist mit dem Abladen der Ware am zugewiesenen Stellplatz abgeschlossen.

Die Beurteilung, ob eine bestimmte Person bei einem konkreten Arbeitseinsatz als Aufseher im Betrieb iSd § 333 Abs 4 ASVG anzusehen ist, ist stets einzelfallbezogen vorzunehmen, sodass sich in diesem Zusammenhang ‑ vom Fall einer auffallenden Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz abgesehen ‑ keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO stellen (9 ObA 107/07m; 8 ObA 3/10i; 2 Ob 53/11z ua).

Für die Qualifikation des Aufsehers ist eine mit einem gewissen Pflichtenkreis und Selbständigkeit verbundene Stellung zur Zeit des Unfalls erforderlich. Er muss die Verantwortung für das Zusammenspiel persönlicher und technischer Kräfte tragen. Nicht entscheidend ist, ob die Aufsicht ganz unbeschränkt oder mit Unterordnung unter einem Vorgesetzten ausgeübt wird. Eine Dauerfunktion im Betrieb ist nicht erforderlich (RIS‑Justiz RS0085519; RS0088337; Neumayr in Schwimann, ABGB³ § 333 ASVG Rz 70 f). Bei einer Zwei‑Mann‑Partie wurde auch schon der Arbeitnehmer als Aufseher iSd § 333 Abs 4 ASVG angesehen, der hinsichtlich einer bestimmten Arbeit entscheidungsbefugt ist (RIS‑Justiz RS0085612). Im Zusammenhang mit dem Betrieb von Kraftfahrzeugen wurde beim Fahrzeuglenker dann die Aufsehereigenschaft bejaht, wenn dieser neben der Einhaltung der Straßenverkehrsvorschriften und der Fahrzeugbedienung oder ‑beladung auch noch weitere Pflichten und Befugnisse hat (RIS‑Justiz RS0085491; RS0085576).

Von dieser Rechtsprechung sind die Vorinstanzen bei der Verneinung der Aufsehereigenschaft des Beklagten nicht abgewichen. Der Beklagte hat sich darauf gestützt, dass er zum Unfallszeitpunkt mit der Leitung des Auftrags, den Transport der vom LKW angelieferten Waren durchzuführen, beschäftigt gewesen sei. Selbst mit den vom Beklagten ‑ ohne ein entsprechendes Vorbringen in erster Instanz erstattet zu haben ‑ begehrten ergänzenden Feststellungen, nämlich dass er sich bei Beginn seines Dienstes aussuchen habe können, welchen von mehreren Staplern er für die Arbeit verwende, in der Halle keine bestimmte Fahrtroute einhalten, in einem Buch seine Arbeitszeiten aufzeichnen habe müssen und selbst entscheiden habe können, wie viel Last er mit dem Stapler aufnehme, lässt sich die zur Bejahung einer Aufsehereigenschaft iSd § 333 Abs 4 ASVG erforderliche Verantwortung und Entscheidungsbefugnis gegenüber dem als Vorarbeiter tätigen Kläger nicht begründen. Dem Beklagten kam keine Weisungsbefugnis und auch keine besondere Fürsorgepflicht gegenüber dem Kläger zu, die über die Verantwortlichkeit hinausgeht, die jeder Staplerfahrer zur Vermeidung von Sach‑ oder Personenschäden auch gegenüber allen anderen beim Betrieb tätigen Personen hat. Dem Beklagten kam daher auch aufgrund der Aufgabenverteilung und Arbeitseinteilung keine ‑ entgegen dem der Entscheidung 8 ObA 3/10i zugrundeliegenden Sachverhalt ‑ betriebs‑ organisatorische allgemeine Weisungsbefugnis gegenüber dem Kläger zu. Er zog den Kläger (anders der Sachverhalt in 8 ObA 5/03y) auch nicht zu Hilfsverrichtungen im Zusammenhang mit dem von ihm grundsätzlich selbständig durchzuführenden Warentransport mit dem Stapler heran.

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Beklagten zurückzuweisen.

Stichworte