OGH 9Ob69/13g

OGH9Ob69/13g29.1.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** KG, *****, vertreten durch Dr. Bernhard Gumpoldsberger, Rechtsanwalt in Sattledt, gegen die beklagte Partei Ing. W. S*****gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Hubert Köllensperger und Mag. Wolfgang Stockinger, Rechtsanwälte in Wels und deren Nebenintervenienten 1) D***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Harald Schwendinger und Dr. Brigitte Piber, Rechtsanwälte in Salzburg, 2) U*****, vertreten durch Greiter Pegger Kofler & Partner, Rechtsanwälte in Innsbruck, und 3) L*****, vertreten durch Musey Rechtsanwalt GmbH in Salzburg, wegen 2.457.983,59 EUR sA, über die außerordentlichen Revisionen der beklagten Partei und der Erstnebenintervenientin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 18. September 2013, GZ 6 R 123 /13w‑93, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Normzweck des § 1313a ABGB ist es, dass der, der den Vorteil der Arbeitsteilung in Anspruch nimmt, auch das Risiko tragen soll, dass an seiner Stelle der Gehilfe schuldhaft rechtlich geschützte Interessen des Gläubigers verletzt. Maßgebend ist, ob der Gehilfe bei der Verfolgung der Interessen des Schuldners tätig war, das heißt, ob er in das Interessenverfolgungsprogramm des Schuldners und damit in seinen Risikobereich einbezogen war (1 Ob 265/03g mwN; 2 Ob 234/12v; RIS‑Justiz RS0028606; RS0028425).

Nach nunmehr ständiger (RIS‑Justiz RS0118512), auf der Entscheidung 1 Ob 265/03g (= SZ 2004/19 = JBl 2004, 648 [Lukas] = ecolex 2004/278 [Wilhelm] = VR 2004, 175 [Strahwald]) basierender Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bedient sich ein Werkunternehmer eines Dritten zur Erfüllung seiner Leistungspflichten und hat daher für dessen Verschulden wie für sein eigenes einzustehen, wenn er nach vertraglichen Absprachen nicht nur eine bestimmte Werkleistung zu erbringen, sondern dafür auch ein nach deren Zweck erforderliches und geeignetes Produkt eines selbstständigen und weisungsfreien Dritten bereitzustellen hat und diesen Dritten unmittelbar in die Erbringung der werkvertraglichen Erfüllungshandlungen einbezieht. Dann haftet er auch für dessen Verschulden wie für eigenes (RIS‑Justiz RS0118512; RS0028606).

Die Beantwortung der Frage, ob der Werkunternehmer für den Dritten gemäß § 1313a ABGB haftet oder nicht, richtet sich somit primär nach den Vereinbarungen zwischen ihm und dem Werkbesteller (6 Ob 170/08f; 2 Ob 4/13x; vgl Wilhelm, ecolex 2004/278 [Entscheidungsanmerkung] unter Hinweis auf F. Bydlinski, Zur Haftung für Erfüllungsgehilfen im Vorbereitungsstadium, JBl 1995, 477, 558; Lukas, JBl 2004, 648 [Entscheidungs-anmerkung] mwN). Gerade bei der Zurechnung selbständiger Unternehmer kommt es besonders auf den konkreten Inhalt des Vertrags zwischen dem Werkbesteller und dem Werkunternehmer und die dabei übernommenen Sorgfaltspflichten an (vgl 8 Ob 106/12i).

Die Auslegung einer Vereinbarung stellt nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nur dann eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS‑Justiz RS0042936), dem Berufungsgericht also eine erhebliche Fehlbeurteilung vorzuwerfen wäre, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit aufgegriffen werden müsste (6 Ob 170/08f ua).

Gleicherweise entzieht sich die Beurteilung, ob das Fehlverhalten eines Gehilfen noch innerhalb des für den Geschäftsherrn wahrzunehmenden Pflichtenkreises liegt und ein sachlicher Zusammenhang mit dem Interessenverfolgungsprogramm des Geschäftsherrn besteht, einer allgemeinen Aussage und richtet sich typischerweise nach den konkreten Umständen des Einzelfalls (2 Ob 191/12w mwN ua; vgl RIS‑Justiz RS0028530).

Das Berufungsgericht gelangte im Anlassfall zum Ergebnis, dass die beklagte Werkunternehmerin die Leistungspflicht samt Garantiehaftung für ein technisch einwandfrei ausgeführtes Werk übernommen habe. Damit habe die Beklagte auch die (über das Gewährleistungsrecht hinausgehende) Verantwortung für die Eignung des Betons übernommen. Dieses Interpretationsergebnis des zwischen den Parteien abgeschlossenen Werkvertrags stößt dabei schon deshalb nicht auf derart massive Bedenken im Sinne der zuvor dargestellten Rechtsprechung, weil die beklagte Werkunternehmerin gegenüber der klagenden Werkbestellerin unter anderem im schriftlichen Werkvertrag ausdrücklich erklärt hat, die Garantie für die Güte sämtlicher angebotenen und durchgeführten Arbeiten, Lieferungen und verwendeten Materialien (auf die Dauer von drei Jahren, gerechnet vom Tag der positiven Schlussabnahme) zu übernehmen und sich verpflichtet hat, während der Garantiefrist die eventuell auftretenden Mängel an der Ausführung oder am Material kostenlos zu beheben. Damit kann aber durchaus ‑ jedenfalls vertretbar ‑ gesagt werden, dass die Beklagte die „Garantie für die Gesamtleistung“ übernommen hat (vgl 6 Ob 170/08f). Dass diese Garantie mit drei Jahren befristet und diese Frist zum Zeitpunkt der Klagseinbringung bereits abgelaufen war, ist für die Heranziehung dieser Klausel ausschließlich zur Bestimmung des vereinbarten Schuldinhalts des abgeschlossenen Werkvertrags unbeachtlich. Auf unmittelbare aus dieser Garantie abzuleitende Schadenersatzansprüche haben die Vorinstanzen die Berechtigung des Klagebegehrens nicht gestützt.

Wenn das Berufungsgericht aufgrund der konkreten Umstände des vorliegenden Falls die Haftung der Beklagten für das Verschulden der von ihr als Betonlieferantin beauftragten Erstnebenintervenientin damit begründete, dass die Erstnebenintervenientin mit Willen der Beklagten unmittelbar in die werkvertragliche Erfüllungshandlung eingebunden gewesen sei, ist ihr ebenfalls keine derart krasse Fehlbeurteilung unterlaufen, die zur Wahrung der Rechtssicherheit und Rechtseinheit einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte. Schließlich hat die Erstnebenintervenientin die Betonsorte, die in der speziellen Zusammensetzung mangels Eignung für den konkreten Einsatzzweck dann nicht geeignet war und daher zum Schadenseintritt führte, als zum ausgeschriebenen Magerbeton gleichwertige Betonart schriftlich samt beigeschlossenen Dokumentationen angeboten, an die Baustelle mit dem Betonmischwagen angeliefert und durch ihren Fahrer entladen. Da jedenfalls bei der Beklagten als dem bauausführenden Unternehmen die aus dem Werkvertrag hervorgehende herstellungsspezifische Leistungspflicht verblieb, dass eine für den konkreten Zweck geeignete Betonsorte (Betonmischung) zum Einsatz kommt, ist es vertretbar, die Erstnebenintervenientin als Erfüllungsgehilfin der Beklagten anzusehen. Die Beklagte hat die Erstnebenintervenientin in Erfüllung ihrer herstellungsspezifischen Sorgfaltspflicht und damit in die Verfolgung ihrer konkreten geschäftlichen Interessen einbezogen. Ein Abweichen des Berufungsgerichts von der ständigen Rechtsprechung, insbesondere den in 1 Ob 265/03g dargestellten Grundsätzen, das einer Korrektur im Einzelfall bedürfte, vermögen die Beklagte und die Erstnebenintervenientin nicht aufzuzeigen.

2. Zum Verschulden der Nebenintervenientin führte das Berufungsgericht aus, dass die Beklagte oder die Erstnebenintervenientin zum Zwecke des Entlastungsbeweises nach § 1298 ABGB einen geeigneten (konkreten) Sachverhalt behaupten und beweisen hätte müssen, aus dem sich das mangelnde Verschulden der Erstnebenintervenientin an der misslungenen Betonmischung ergeben hätte. Auch die Auslegung des Inhalts von Prozessbehauptungen einer Partei, ob eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, begründet in der Regel keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung, sofern nicht eine zur Wahrung der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung vorliegt (5 Ob 16/13h ua; RIS‑Justiz RS0042828 [T15, T23]). Davon kann aber hier keine Rede sein. Die konkrete Behauptung der Erstnebenintervenientin, die aufgetretenen Treiberscheinungen beim verwendeten Beton hätten nur deshalb entstehen können, weil von einem ihrer Zulieferer Bestandteile für den Beton mit einem zu hohen Sulfatgehalt geliefert worden seien, findet sich erstmals in ihrem außerordentlichen Rechtsmittel (§ 504 Abs 2 ZPO). Auf Fragen der Gehilfenkette muss daher ebenso wenig eingegangen werden, wie auf die Frage, inwieweit der Zulieferer der Erstnebenintervenientin ohne sein Verschulden daran gehindert wurde, Bestandteile mit dem richtigen Sulfatgehalt zu liefern.

3. Ob die Klägerin ein Mitverschulden an dem von ihr geltend gemachten Schaden trifft, ist ebenfalls eine Frage des Einzelfalls, die die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht verwirklicht (RIS‑Justiz RS0087606 [T11]). Die Beklagte begründet ihren Mitverschuldenseinwand damit, dass der von der Klägerin beauftragte Architekt die Verwendung des streitgegenständlichen Betons angeordnet habe und die Klägerin nach herrschender Rechtsprechung als Werkbestellerin für die Versäumnisse und Fehler ihres Planers hafte. Diese Argumentation geht aber am festgestellten Sachverhalt vorbei. Der Architekt des gegenständlichen Bauvorhabens hat zwar die Verwendung der von der Nebenintervenientin angebotene Betonsorte nach Rücksprache mit ihrem Statiker genehmigt, aber selbstverständlich und erkennbar nur in jener Zusammensetzung, in der die entsprechende, für das Bauvorhaben notwendige Druckfestigkeit im beigelegten Prüfbericht der Zweitnebenintervenientin bestätigt wurde. Hätte der verwendete Beton die im Prüfbericht zugesagten Eigenschaften erfüllt, hätte er den vom Architekten schon in der Ausschreibung gestellten Anforderungen entsprochen. Zum Einsatz brachten die Beklagte und die Erstnebenintervenientin dann aber eine für die konkrete Verwendung gänzlich ungeeignete Betonmischung, wenn auch derselben Betonsorte. Ein der Klägerin zuzurechnendes Fehlverhalten des Architekten ist nicht erkennbar. Eines Eingehens auf die vom Berufungsgericht vertretene und ebenfalls auf 1 Ob 265/03g gestützte Rechtsansicht, ein allfälliges Verschulden des Architekten begründe kein Mitverschulden iSd § 1304 ABGB, sondern die Klägerin hätte dann einen nach § 1302 ABGB solidarisch mithaftenden Schuldner, weil sie sich nur zu ihrem Nutzen und nicht zu ihrem Nachteil eines fachkundigen Planers bedient habe, bedarf es daher nicht.

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO sind die außerordentlichen Revisionen der Beklagten und der Erstnebenintervenientin zurückzuweisen.

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