Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das Berufungsurteil wird dahin abgeändert, dass insgesamt das klagsabweisende Ersturteil wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.085,09 EUR (darin 180,85 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 1.095,98 EUR (darin 74,66 EUR USt und 648 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war bei der Beklagten vom 1. 3. 2011 bis 29. 2. 2012 als Angestellter beschäftigt. Im schriftlichen Dienstvertrag finden sich ua folgende Bestimmungen:
„ 4. Entgelt:
4.1. Der Dienstgeber verpflichtet sich, dem/der Dienstnehmer(in) ein Entgelt von brutto EUR 105.000,00 jährlich zu bezahlen (monatlich brutto EUR 7.500,00 ‑ 14 x jährlich). Die Sonderzahlungen gelangen je zur Hälfte mit den Gehältern März, Juni, September und Dezember zur Auszahlung.
4.2. Etwaige kollektivvertragliche Sozialzulagen sind in diesem Jahresbruttogehalt inkludiert.
4.3. Allfällige vom Dienstgeber bezahlte Prämien, Tantiemen etc. sind freiwillige Leistungen, auf die dem Dienstnehmer kein Rechtsanspruch erwächst und die in einen allfällig entstehenden zukünftigen Abfertigungsanspruch nicht eingerechnet werden.
4.4. Unter Berücksichtigung der definierten Tätigkeiten und der vom (von der) Dienstnehmer(in) bekannt gegebenen Vordienstzeiten halten die Vertragsteile fest, dass im Sinne des Kollektivvertrages für die Angestellten der österreichischen Landes‑Hypothekenbanken in der jeweils gültigen Fassung eine Einstufung in der Tätigkeitsgruppe D Stufe 9 anzusetzen ist.
4.5. Zusätzlich zum laufenden Bezug gemäß Punkt 4.1. wird dem (der) Dienstnehmer(in) im ersten Jahr der Dienstzugehörigkeit (1.3.2011 bis 28.2.2012) die Bezahlung einer Jahresprämie in der Höhe von maximal EUR 10.000,00 brutto jährlich in Aussicht gestellt, im zweiten Jahr der Dienstzugehörigkeit (1.3.2012 bis 28.2.2013) die Bezahlung einer Jahresprämie in der Höhe von maximal EUR 6.500,00 brutto jährlich und im dritten Jahr der Dienstzugehörigkeit (1.3.2013 bis 28.2.2014) die Bezahlung einer Jahresprämie in der Höhe von maximal EUR 15.000,00 brutto jährlich in Aussicht gestellt.
Die Auszahlung der Jahresprämie erfolgt kalenderjahrbezogen. Das heißt, die oben genannten Beträge werden entsprechend für das jeweilige Kalenderjahr der Vertragslaufzeit aliquotiert.
Bei unterjährigem Austritt gebühren die angegebenen Maximalwerte jeweils aliquot.
4.6. Ob und in welcher Höhe eine Prämie gemäß Punkt 4.5. zur Auszahlung gelangt, ist von einer gesonderten Beschlussfassung bzw. Entscheidung des Dienstgebers abhängig. Darüber hinaus werden folgende Kriterien für die Ausbezahlung einer Jahresprämie definiert:
Im ersten und zweiten Jahr der Dienstzugehörigkeit:
70 % des für das erste und zweite Jahr der Dienstzugehörigkeit oben genannten Maximalwertes gelangen in Abhängigkeit von der Erreichung der individuellen Jahresziele des (der) Dienstnehmers(in), welche zwischen dem Vorstand und dem (der) Dienstnehmer(in) einer gesonderten Vereinbarung festgehalten werden, zur Auszahlung.
30 % des für das erste bzw. zweite Jahr der Dienstzugehörigkeit genannten Maximalwertes gelangen in Abhängigkeit vom erzielten Jahresergebnis des Dienstgebers zur Auszahlung.
Im dritten Jahr der Dienstzugehörigkeit:
50 % des oben genannten Maximalwertes für das dritte Jahr der Dienstzugehörigkeit gelangen in Abhängigkeit von der Erreichung der individuellen Jahresziele des (der) Dienstnehmers(in), welche zwischen dem Vorstand und dem (der) Dienstnehmer(in) in einer gesonderten Vereinbarung festgehalten werden, zur Auszahlung.
50 % des für das dritte Jahr der Dienstzugehörigkeit oben genannten Maximalwertes gelangen in Abhängigkeit vom erzielten Jahresergebnis des Dienstgebers zur Auszahlung.“
Diesen schriftlichen Vereinbarungen entgegenstehende mündliche Abreden der Parteien konnten nicht festgestellt werden. Die erst am 14. 12. 2011 festgelegten Ziele für das Jahr 2011 hat der Kläger erreicht. Ob auch die Beklagte das für die Auszahlung der Prämie erforderliche Jahresergebnis 2011 erzielte, steht nicht fest. Eine Beschlussfassung über die Auszahlung der Prämie an den Kläger durch die Beklagte erfolgte nicht. Die Finanzmarktaufsicht bezog im Dezember 2012 gegenüber der Beklagten die Position, dass für das Geschäftsjahr 2011 weder die wirtschaftlichen noch die gesetzlichen Voraussetzungen für die Auszahlung von Bonuszahlungen bestehen.
Der Kläger begehrt in der Klage 10.000 EUR an Prämie, die ihm nicht nur im schriftlichen Dienstvertrag zugesichert, sondern vom Prokuristen der Beklagten im Zuge der Vertragsverhandlungen quasi als „Draufgabe“ zum Gehalt zugesagt worden sei. Zudem widerspreche es dem Willkürverbot, wenn ihm die Beklagte im Dienstvertrag eine Prämie in Aussicht stelle, erst beinahe ein Jahr nach Beginn des Dienstverhältnisses die Ziele festsetze und dann, wenn er die Ziele erreicht habe, sich darauf berufe, dass noch eine gesonderte Entscheidung über die Auszahlung der Prämie notwendig sei.
Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ‑ soweit im Revisionsverfahren entscheidungswesentlich ‑ ein, dass der Kläger keinen Anspruch auf die Prämie habe, weil sie ihm lediglich unverbindlich in Aussicht gestellt worden sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Aus dem Text des Dienstvertrags ergebe sich klar, dass die Prämienvereinbarung unter dem Vorbehalt der Unverbindlichkeit abgeschlossen worden sei. Eine anderslautende mündliche Zusage der Beklagten habe nicht festgestellt werden können. Die Verweigerung einer lediglich unverbindlich zugesagten Prämie verstoße auch nicht gegen das Willkürverbot.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge und dem Klagebegehren im Umfang von 7.000 EUR sA statt. Die Unverbindlichkeit der Prämie sei keineswegs klar vereinbart. Einige Vertragsbestimmungen (Vereinbarung eines Maximalbetrags, eines prozentuellen Aufteilungsschlüssels und der Kriterien für die Auszahlung) würden auf einen Verpflichtungswillen der Beklagen hinweisen. Auch die Formulierung “in Aussicht stellen“ sei mehrdeutig. Darunter könne auch ein (verbindliches) Versprechen verstanden werden. Die Beklagte treffe als Vertragsverfasser daher die Unklarheitenregel des § 915 Abs 2 ABGB. Das Mehrbegehren von 3.000 EUR sA sei abzuweisen, weil nicht feststehe, dass die Beklagte das für die Auszahlung der gesamten Jahresprämie erforderliche Jahresergebnis erreicht habe.
Gegen den klagsstattgebenden Teil der Berufungsentscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem auf gänzliche Klagsabweisung gerichteten Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die außerordentliche Revision der Beklagten ist zulässig (§ 502 Abs 1 ZPO).
In seiner freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt der Kläger, die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
1. Die geltend gemachten Nichtigkeitsgründe des § 477 Abs 1 Z 4 und Z 8 ZPO werden weder durch überschießende noch durch widersprüchliche Feststellungen verwirklicht. Die von der Beklagten angenommene Nichtigkeit liegt daher nicht vor.
2. Auch ein darauf gestützter Verfahrensmangel ist nicht erkennbar (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
3. Der Arbeitsvertrag unterliegt den Auslegungsregeln der §§ 914 f ABGB. Bei der Auslegung von Verträgen ist nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften, sondern die Absicht der Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht (§ 914 ABGB).
Für die Anwendung des § 915 zweiter Fall ABGB, der nur zum Tragen kommt, wenn die Auslegung nach § 914 ABGB zu keinem klaren Ergebnis führt, ist hier kein Raum, weil unter den gegebenen Umständen klar ist, wie die Vertragserklärung des Arbeitgebers gemeint war und wie sie auch vom Kläger verstanden werden musste (RIS‑Justiz RS0017752, RS0017957, RS0017951, RS0109295): Im konkreten Fall ist nämlich in 4.3. des Dienstvertrags festgehalten, dass die Prämie eine freiwillige Leistung ohne Rechtsanspruch ist, in 4.5., dass die Prämie in Aussicht gestellt wird und in 4.6., dass es von einer gesonderten Beschlussfassung bzw Entscheidung des Dienstgebers abhängig ist, ob und in welcher Höhe eine Prämie zur Auszahlung gelangt. Weder der Sinn der Worte „in Aussicht gestellt“ in seiner gewöhnlichen, also im allgemeinen Sprachgebrauch üblichen Bedeutung ‑ mögen sich auch in einem Wörterbuch noch andere Begriffsinhalte finden lassen ‑ noch die vorhandenen Regelungen über die Voraussetzungen und Auszahlungsmodalitäten der Prämie begründen Zweifel am klar vereinbarten Unverbindlichkeitsvorbehalt (arg „Prämien ... sind freiwillige Leistungen ... kein Rechtsanspruch“). Ein von diesem eindeutigen Wortlaut abweichender Parteiwille kam im Verfahren nicht hervor.
Ausgehend vom Vorliegen einer freiwilligen, unverbindlichen Leistung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht bzw ohne Einräumung eines Anspruchs auf eine zukünftige Leistungserbringung (9 ObA 113/08w; 8 ObA 55/10m; 9 ObA 30/12w), durfte der Kläger auch trotz Erreichen der vereinbarten Ziele im Jahr 2011 nicht damit rechnen, die dafür in Aussicht gestellte Prämie in jedem Fall, also auch ohne gesonderte Entscheidung der Beklagten zu erhalten. Auf einen von der Beklagten im Zusammenhang mit der unterlassenen Beschlussfassung über die Auszahlung der Prämie an den Kläger aus unsachlichen Motiven überschrittenen Ermessensspielraum kann der Kläger die Berechtigung seines Begehrens schon deshalb nicht stützen, weil ein derartiger Ermessensspielraum hier nicht vereinbart wurde. Abgesehen davon lässt der festgestellte Sachverhalt auch jegliche Anhaltspunkte für eine willkürliche und völlig unsachliche Behandlung des Klägers durch die Beklagte vermissen.
Der Revision der Beklagten ist daher Folge zu geben. Das Berufungsurteil ist in seinem bekämpften klagsstattgebenden Teil (7.000 EUR sA) dahin abzuändern, dass unter Einschluss des mit Berufungsurteil bereits rechtskräftig abgewiesenen Teils des Klagebegehrens (3.000 EUR sA) das klagsabweisende Ersturteil wiederherzustellen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Für die Berufungsbeantwortung gebührt ein ERV‑Zuschlag lediglich in Höhe von 1,80 EUR (RIS‑Justiz RS0126594 [T1]). Die Kosten für die Revision errechnen sich beim verzeichneten Ansatz von 232,20 EUR richtig mit 1.095,98 EUR. Dieser Rechenfehler war zu korrigieren.
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