OGH 4Ob159/13f

OGH4Ob159/13f20.1.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Dr. F*****, vertreten durch die Zumtobel Kronberger Rechtsanwälte OG in Salzburg, gegen die beklagte Partei Anlegerentschädigung ***** GmbH, *****, vertreten durch die Preslmayr Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 20.000 EUR sA, über die Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. April 2013, GZ 1 R 208/12h-20, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 30. Juni 2012, GZ 43 Cg 150/10x-14, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Beide Revisionen werden zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 889,87 EUR (darin enthalten 148,31 EUR USt) an Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht ließ die Revision zur Frage der Berücksichtigung zu erwartender künftiger Zahlungen aus dem Liquidationsvermögen der S*****-Fonds, zur angemessenen Prüffrist und zur Anrechnung bereits erfolgter Zahlungen aus der Liquidationsmasse ausländischer Fonds, welche aus den Mitteln der geschädigten Anleger gespeist wurden, zu.

Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen (RIS-Justiz RS0112921). Sie ist hier zu verneinen, weil sämtliche genannten Rechtsfragen mittlerweile durch den Obersten Gerichtshof geklärt wurden.

I. Zur Revision des Klägers:

1. Anrechnung der Zahlungen aus dem Liquidationsverfahren in Luxemburg

Der Kläger wendet sich gegen eine prozentuelle Kürzung der Entschädigungssumme aufgrund der Zahlungen aus dem Liquidationsfonds. Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung ist der Entschädigungsbetrag in Fällen, in denen der Schaden des Anlegers den in § 75 Abs 2 und § 76 Abs 4 WAG 2007 (davor § 23b Abs 2 Satz 3 und § 23c Abs 4 WAG 1996) genannten Betrag (von derzeit 20.000 EUR) übersteigt, und der Anleger einen Teil seines eingesetzten Geldes - hier: aus einem zahlreichen Anlegern anteilig zugeordneten Fondsvermögen - zurück erhält, im Verhältnis des zurückgeflossenen Geldes zum ursprünglichen Schaden zu kürzen (RIS-Justiz RS0128925, RS0116893 [T1]; 1 Ob 21/13i; 9 Ob 37/13a; 6 Ob 49/13v). Der zu ermittelnde Einlagensicherungsbetrag ist daher um jenen Prozentsatz zu mindern, mit dem bereits eine quotenmäßige Befriedigung der Ansprüche des Einlegers erfolgte. Die vom Berufungsgericht vorgenommene quotenmäßige Kürzung des Anspruchs des Klägers entspricht daher der zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.

2. Fälligkeit betreffend Depot Nr. 928*****

Der Kläger führt aus, seine Forderung aus dem genannten Depot sei fällig, zumal eine allfällige Vinkulierung keinerlei Auswirkung auf die Forderungsprüfung habe und eine Prüffrist von einem Monat angemessen sei. Dem ist aber (wie schon vom Berufungsgericht) entgegenzuhalten, dass selbst bei Bescheinigung der Devinkulierung noch eine dreimonatige Auszahlungsfrist zur Prüfungsfrist hinzukäme, die zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz jedenfalls noch nicht abgelaufen gewesen wäre und der Anspruch aus dem Depot Nr. 928***** daher jedenfalls nicht fällig war. Die Abweisung dieses Teilbetrags inklusive Zinsen ist daher nicht zu beanstanden.

II. Zur Revision der Beklagten:

1. Prüffrist

Die Beklagte macht geltend, das Berufungsgericht hätte bei richtiger rechtlicher Beurteilung von einer sechsmonatigen Prüffrist ausgehen müssen. Die Fälligkeit der Klagsforderung wäre daher erst nach Schluss der Verhandlung erster Instanz eingetreten.

Dem ist aber die jüngst ergangene Rechtsprechung entgegen zu halten, wonach ohne das Vorliegen eines besonders komplexen Sachverhalts, der weitreichende Überprüfungshandlungen erfordern würde, und angesichts der europarechtlichen Vorgabe einer raschen Entschädigung und einer deshalb zu verlangenden unverzüglichen Prüfung der Anmeldungen eine Prüffrist von drei Monaten angemessen und ausreichend ist (2 Ob 171/12d, 6 Ob 49/13v, 10 Ob 39/13b uva).

Auch hier kann von einem besonders komplexen Sachverhalt nicht die Rede sein, sodass das Berufungsgericht vertretbar von einer Prüffrist von drei Monaten ausgehen konnte.

2. Anrechnung von Zahlungen aus den S*****-Fonds

Die Beklagte wendet sich gegen die Berücksichtigung der Investition zu Depot Nr. 928***** bei der Anrechnung der Auszahlung aus der Liquidation der S*****-Fonds, weil dieses vinkuliert sei. Das Berufungsgericht hätte im Sinne des Erstgerichts von einer Liquidationsquote von 20 % ausgehen müssen.

Dazu hat das Berufungsgericht - auch mangels substantiierten Widerspruchs der Beklagten - festgehalten, dass sich die Quotenzahlung aus Luxemburg auf den Gesamtbetrag der Veranlagungen des Klägers beziehe. Davon ist daher weiterhin auszugehen. Folgerichtig vermindert daher die ausgezahlte Quote die Gesamtforderung und nicht bloß die maximale Entschädigungsleistung von 20.000 EUR. Die vom Berufungsgericht herangezogene Berechnungsmethode ist daher vertretbar.

3. Zug-um-Zug-Eventualantrag

Die Beklagte vermeint, ihre Entschädigungszahlung an den Kläger würde nicht zu ihrem Eintritt in dessen Rechte gegenüber den S*****-Fonds im Wege der Legalzession (§ 1358 ABGB) führen. Ihre Zahlungspflicht sei daher Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche des Klägers gegen die S*****-Liquidationsmasse auszusprechen.

Auch diesbezüglich ist der Beklagten die mittlerweile ständige Rechtsprechung entgegen zu halten, wonach die Zahlungspflicht einer nach dem WAG 1996 eingerichteten Entschädigungseinrichtung gegenüber dem geschädigten Anleger nicht an die Voraussetzung geknüpft ist, dass der Anleger seine Forderungen gegen den Wertpapierdienstleister oder gegen denjenigen Rechtsträger Zug um Zug an sie abtritt, bei dem die unter dem Einfluss des Wertpapierdienstleisters veranlagten Gelder vorhanden sind und gegen den der Anleger auch ein direktes Forderungsrecht hat. Ein derartiger Rechtsübergang findet bereits nach § 1358 ABGB statt (RIS-Justiz RS0128939).

III. In Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen im Sinn von § 502 Abs 1 ZPO waren daher beide Revisionen als unzulässig zurückzuweisen.

IV. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41 und 50 ZPO. Die von den beiden Parteien erstatteten Revisionsbeantwortungen dienten der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung. Es kann den Parteien kostenmäßig nicht zum Nachteil gereichen, dass sie ihre Rechtsmittelbeantwortungen zu einem Zeitpunkt erstattet haben, als die im Rechtsmittel der Gegenseite aufgeworfenen erheblichen Rechtsfragen noch nicht durch andere Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs hinreichend geklärt waren. Beide Parteien haben daher ihrem jeweiligen Prozessgegner dessen Revisionsbeantwortungskosten zu ersetzen (vgl auch 10 Ob 39/13b), wobei eine Saldierung den aus dem Spruch ersichtlichen Zuspruch an den Kläger ergibt.

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