European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0070OB00229.13X.1211.000
Spruch:
Der in der außerordentlichen Revision enthaltene Rekurs gegen die Verwerfung der Berufung wegen Nichtigkeit und die außerordentliche Revision werden zurückgewiesen.
Begründung
Die Klägerin begehrt mit der am 4. Mai 2001 eingebrachten Klage festzustellen, dass der Kaufvertrag mit dem Beklagten vom 31. 8. 1999 wegen Geschäftsunfähigkeit rechtsunwirksam sei, in eventu begehrt sie ‑ unter Berufung auf Irrtum, List, Wegfall der Geschäftsgrundlage ‑, dass der Vertrag (über eine Liegenschaft zum Kaufpreis 6,98 Mio ATS = 507.256,38 EUR) aufgehoben werde.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht verwarf die Berufung wegen Nichtigkeit, gab ihr im Übrigen nicht Folge und sprach aus, der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige 30.000 EUR und die ordentliche Revision sei nicht zulässig.
In der außerordentlichen Revision macht die Klägerin Mangelhaftigkeit (ua bzgl „der Erledigung der Frage der Nichtigkeit“) und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend. Die Rechtsmittelausführungen berufen sich weiterhin auf die ‑ vom Berufungsgericht verneinte ‑ Mangelhaftigkeit und Nichtigkeit des Verfahrens erster Instanz und machen umfangreich geltend, das Gericht zweiter Instanz habe (auch) die Beweisrüge nur mangelhaft erledigt.
Rechtliche Beurteilung
Soweit sich das Rechtsmittel gegen die Verwerfung der Berufung wegen Nichtigkeit wendet, ist es absolut unzulässig :
Eine ‑ wie hier ‑ bereits vom Berufungsgericht verneinte Nichtigkeit des Verfahrens erster Instanz kann vor dem Obersten Gerichtshof nicht mehr geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0042981 [T3 bis T16]); handelt es sich dabei doch um einen Beschluss gemäß § 519 Abs 1 ZPO, der ‑ auch wenn er in das Berufungsurteil aufgenommen wurde ‑ absolut unanfechtbar ist (RIS‑Justiz RS0043405), weil er keine in dieser Bestimmung geregelte Ausnahme betrifft. Nach herrschender Meinung sind solche Entscheidungen in dritter Instanz unbekämpfbar (7 Ob 188/11i ua; Zechner in Fasching/Konecny ² § 503 ZPO Rz 69 mwN).
Eine erhebliche Rechtsfrage wird nicht aufgezeigt:
Denn auch die Frage, ob ein schon in der Berufung behaupteter Mangel des Verfahrens erster Instanz vom Berufungsgericht zu Recht verneint wurde, ist nach ständiger Rechtsprechung vom Revisionsgericht nicht mehr zu überprüfen (RIS-Justiz RS0042963). Da dem Obersten Gerichtshof ein Eingehen auf die von der Revisionswerberin weiter geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz verwehrt ist, ist auch die Begründung, die das Berufungsgericht für das Nichtvorliegen des Verfahrensmangels gegeben hat, der Überprüfung durch das Revisionsgericht entzogen. Dieser Grundsatz kann auch nicht durch die Behauptung umgangen werden, das Berufungsverfahren sei mangelhaft geblieben, weil das Berufungsgericht der Mängelrüge nicht gefolgt sei (RIS-Justiz RS0042963 [T58]; RS0043061 [T18]; vgl auch RS0043144).
Selbst eine mangelhafte oder unzureichende Beweiswürdigung könnte im Revisionsverfahren nicht mehr angefochten werden (RIS-Justiz RS0043371 [T5, T12, T21]). Nur wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisrüge überhaupt nicht oder mit einer bloßen Scheinbegründung befasst hätte, wäre sein Verfahren mangelhaft ( Zechner in Fasching/Konecny ² IV/1 § 502 ZPO Rz 102; RIS-Justiz RS0043371; RS0040180). Dass diese Voraussetzungen hier erfüllt wären, zeigt die Revision aber ebenfalls nicht auf: Auf die ‑ aktenwidrigen ‑ Ausführungen, das Berufungsgericht habe sich überhaupt nicht mit der Beweisrüge befasst und nachvollziehbare Überlegungen über die Beweiswürdigung nicht angestellt, ist nämlich schon deshalb nicht weiter einzugehen, weil den Seiten 15 ff der Berufungsentscheidung ohnehin eine ausführliche Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen Argumenten der Rechtsmittelwerberin zu entnehmen ist.
Auch der Rechtsrüge gelingt es nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen:
Nach ständiger Rechtsprechung hängen Fragen der Vertragsauslegung typischerweise vom Einzelfall ab und begründen daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0042936; RS0042776). Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, begründet nur dann eine erhebliche Rechtsfrage, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS-Justiz RS0042936; RS0042776 [T3, T6]; RS0042871 ua). Dies würde selbst dann gelten, wenn eine andere Auslegung ebenfalls vertretbar wäre (RIS-Justiz RS0042936 [T3, T17]; RS0042776 [T2, T23]; RS0112106 [T2 bis T4]; 1 Ob 178/13b). Wie offenbar auch die Klägerin in der Zulassungsbeschwerde erkennt, wäre daher nur eine auffallende Fehlbeurteilung im Interesse der Rechtssicherheit wahrzunehmen (RIS-Justiz RS0112106 [T6]; jüngst: 7 Ob 162/13v). Eine solche zeigt aber die außerordentliche Revision nicht auf.
Es ist von der ‑ in dritter Instanz nicht mehr angreifbaren ‑ Tatsachengrundlage auszugehen, aus der sich die Geschäftsfähigkeit der Klägerin zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses eindeutig ergibt.
Der Sachverhalt bietet überhaupt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin eine Fehlvorstellung darüber hatte, was für einen Vertrag sie abschloss, oder dass sie ohne eine bestimmte Fehlvorstellung den Vertrag nicht geschlossen hätte. Schon deshalb scheidet eine Anfechtung wegen Irrtums und Arglist aus.
Soweit sich die Klägerin auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage beruft, ist ihr zu entgegnen, dass dem Sachverhalt jegliche Anhaltspunkte dafür fehlen, dass ihre Entscheidung oder die ihres Sohnes oder die Erzielung eines bestimmten Kaufpreises zu einer „ Geschäftsgrundlage “ des Vertrags geworden wären:
Nach der Rechtsprechung kann nur der Wegfall der typischen Grundlage, das heißt jener, die jedermann mit einem solchen Geschäft verbindet und bei deren Wegfall der im Vertragsinhalt zum Ausdruck gelangte, von beiden Teilen anerkannte wesentliche Vertragszweck nicht nur zeitweilig unerreichbar geworden ist, allenfalls zur Vertragsauflösung führen (RIS-Justiz RS0017530 [T17]). Es muss also ein geschäftstypischer Umstand sein, der stets und von jedermann mit dem Geschäft verbunden wird. Nur unter dieser Voraussetzung käme dem Umstand als Geschäftsgrundlage rechtliche Bedeutung zu (vgl RIS-Justiz RS0017551, RS0017516; 4 Ob 20/11m [P 3.1.]). Gerade bei entgeltlichen Verträgen, bei denen Leistung durch Gegenleistung bedingt ist und bei denen mangels Unentgeltlichkeit das Motiv, sofern es nicht vereinbart ist, grundsätzlich unbeachtlich ist, ist das über die Leistung und Gegenleistung hinausgehende Motiv nicht als selbstverständlich anzusehen (RIS-Justiz RS0017530 [T22]).
Im Hinblick auf die hier gegebenen besonderen Umstände des Vertragsschlusses (insb das Vermeiden der Zwangsversteigerung und das Gewinnen von Zeit) kann keine Rede davon sein, jedermann wäre selbstverständlich davon ausgegangen, dass der Vertrag auch zu einer Entschuldung führen sollte. Daher ist eine diesbezügliche (gemeinsame) Geschäftsgrundlage jedenfalls nicht als stillschweigend vorausgesetzt anzusehen, und eine ausdrückliche Vereinbarung dieser Umstände scheidet nach den getroffenen Feststellungen eindeutig aus. Die Beurteilung des Berufungsgerichts ist somit jedenfalls vertretbar.
Die außerordentliche Revision der Klägerin ist daher ‑ mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO ‑ zurückzuweisen, was gemäß § 510 Abs 3 ZPO keiner weiteren Begründung bedarf.
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