Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Der Kläger erwarb am 12. 12. 2005 vier A*****‑Genussscheine zu jeweils 2.291,25 EUR (Zertifikat Nr. 11.976) und am 9. 2. 2007 weitere sieben A*****‑Genussscheine zu jeweils 2.670 EUR (Zertifikat Nr. 15.712). Die gesamte Investition des Klägers betrug daher 19.845 EUR. Der Kauf der Genussscheine wurde dem Kläger durch die A***** AG (in der Folge: Vermittlerin) vermittelt. Mit der Zusendung eines Zertifikats, das die erworbenen Anteile an der A*****‑Beteiligungs AG (später umfirmiert zur A***** Gruppe AG, in der Folge: Emittentin) verbrieft, wurde der Kauf bestätigt. Die Genussscheine wurden bei der R***** gelagert und auf den Depotauszügen unter dem Titel „[Emittentin], Namensgenussschein, Serie 2001 O.N.“ geführt. Mit Schreiben vom 10. 10. 2008 erteilte der Kläger einen Auftrag zum Verkauf seiner A*****-Anteile an die Vermittlerin. Die Emittentin bestätigte den Erhalt dieses Schreibens am 14. 11. 2008, lehnte aber den Rückkauf der Genussscheine wegen eines bei ihr bestehenden Liquiditätsengpasses ab. Mit Schreiben vom 24. 10. 2008 teilte der Vorstand der Vermittlerin der Finanzmarktaufsicht mit, dass er die zur Erbringung von Wertpapierdienstleistungen bestehende Konzession zurücklege. Mit Feststellungsbescheid der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom 4. 11. 2008 wurde die Konzession gelöscht. Mit Beschluss der Generalversammlung der Beklagten vom 24. 11. 2008 erfolgte der Ausschluss der Vermittlerin als Mitglied der Beklagten. Die Emittentin war nie Mitglied (Gesellschafter) der Beklagten. Am 4. 5. 2011 wurde sowohl über das Vermögen der Vermittlerin als auch über jenes der Emittentin das Insolvenzverfahren eröffnet.
Der Kläger nimmt die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Haftungsgesellschaft nach § 75 WAG in Anspruch. Nach dem äußeren Anschein der Kaufverträge zum Erwerb der Genussscheine habe er den Eindruck gewonnen, einem einzigen Unternehmen gegenüberzustehen und daran Anteile zu erwerben; dass mehrere Gesellschaften (Vermittlerin und Emittentin) in einer komplexen und undurchschaubaren Konstruktion zusammenarbeiteten, habe er nicht erkannt. Ihm sei beim Kauf der Genussscheine ausdrücklich zugesichert worden, dass diese jederzeit zurückgekauft würden. Entgegen dieser Zusage sei ein gewünschter Rückkauf der Genussscheine abgelehnt worden. Der Kurswert im Zeitpunkt des Verkaufsauftrags habe 3.275 EUR pro Genussschein betragen; durch die Nichtbefolgung des Verkaufsauftrags sei dem Kläger daher ein Schaden in Höhe von 26.200 EUR entstanden. Im Zeitpunkt der unrichtigen Zusage eines jederzeitigen Rückkaufs sei die Vermittlerin noch Mitglied der Beklagten gewesen. Die Beklagte hafte auch für ehemalige Mitglieder. Der vertragliche Verzicht auf die ordentliche und außerordentliche Kündigung des Genussrechtskapitals verstoße gegen §§ 864a, 879 Abs 3 ABGB und sei unwirksam. Der Vermittlerin sei die Emittentin, mit der sie wirtschaftlich und personell untrennbar verflochten sei, zuzurechnen. Vermittlerin und Emittentin seien bereits im Oktober 2008 konkursreif gewesen; es liege eine Konkursverschleppung vor, die die Beklagte schadenersatzpflichtig mache.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger habe in Genussscheine der Emittentin investiert, die nie Mitglied (Gesellschafterin) der Beklagten gewesen sei. Die Vermittlerin sei zwar Mitglied gewesen, ihre Konzession sei aber am 4. 11. 2008 erloschen, was mit selbem Datum zu ihrem Ausschluss als Mitglied der Beklagten geführt habe. Es bestehe daher keine Verpflichtung zur Entschädigungsleistung. Die Emission von Wertpapieren (Genussscheinen) sei keine Wertpapierdienstleistung; Eigenkapital und Schuldverschreibungen des Wertpapierunternehmens seien von einer Entschädigung ausgeschlossen. Die Inhaber von A*****-Genussscheinen seien nach den Genussscheinbedingungen allgemein am Vermögen der Gesellschaft beteiligt, es liege auch eine Verlustteilnahme vor. Dieses Rechtsverhältnis sei eine „atypische“ stille Gesellschaft, weshalb Eigenkapital und daher kein Entschädigungsfall vorliege. Auch als Schuldverschreibungen seien die Genussscheine von der Entschädigung ausgeschlossen. Der Kläger habe nur der Emittentin der Genussscheine Zahlungen geleistet, nur dieser gegenüber, nicht aber gegenüber der Vermittlerin, habe er daher einen Rückzahlungsanspruch. Eine Haftung der Vermittlerin für Verbindlichkeiten ihrer Muttergesellschaft widerspreche dem Verbot der Einlagenrückgewähr (§ 52 AktG). Nach § 75 WAG bestehe keine Haftung für fehlerhafte Anlageberatung und für Kursverluste. Die Verletzung der Rückkaufsverpflichtung durch die Emittentin sei eine Verletzung von Wohlverhaltenspflichten, für die keine Haftung der Entschädigungseinrichtung bestehe. Das Gesetz sehe auch ausdrücklich keine zeitliche Nachhaftung vor. Da der Kläger nur 19.845 EUR investiert habe, könne er nicht 20.000 EUR Entschädigungsleistung verlangen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Eine Entschädigungspflicht der Beklagten bestehe nur, wenn über das Vermögen eines ihrer Mitgliedsinstitute der Konkurs eröffnet werde. Es sei daher erforderlich, dass dieses Institut zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung Mitglied der Beklagten sei. Dies treffe weder auf die Emittentin noch auf die Vermittlerin zu. Es liege auch keine planwidrige Lücke hinsichtlich der Haftung für ehemalige Mitglieder vor. Die Bejahung einer „Nachhaftung“ würde zu einer ungebührlichen Erhöhung des Risikos der übrigen Mitglieder führen, weil Wertpapierunternehmen, die nicht (mehr) Mitglieder seien, nicht beaufsichtigt würden, im Fall des Erlöschens der Konzession eine solche Beaufsichtigung auch nicht durch die Finanzmarktaufsicht erfolge, und diese Unternehmen auch keine jährlichen Beiträge zur Entschädigungseinrichtung zu leisten hätten.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Unerheblich sei, ob auf den Sachverhalt das WAG 1996 oder das WAG 2007 anzuwenden sei, weil die den Entschädigunganspruch eines Anlegers gegen die Entschädigungseinrichtung regelnden Bestimmungen beider Gesetze in den hier wesentlichen Punkten einander entsprächen. Die Entschädigungseinrichtung habe Anleger für Forderungen aus Wertpapierdienstleistungen zu entschädigen, die dadurch entstanden seien, dass eine Wertpapierfirma nicht in der Lage gewesen sei, entsprechend den gesetzlichen oder vertraglichen Regelungen Gelder zurückzuzahlen, die Anlegern im Zusammenhang mit Wertpapierdienstleistungen geschuldet werden und/oder den Anlegern die Instrumente zurückzugeben, die diesen gehören und für deren Rechnungen im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften verwaltet werden. Von der Entschädigung ausgeschlossen seien Forderungen im Sinne von § 93 Abs 5 Z 1a bis 12 BWG sowie Bestandteile des Eigenkapitals der Wertpapierfirma. Schuldverschreibungen seien nicht sicherungspflichtige Forderungen. Der Kläger stütze sein Entschädigungsbegehren nicht auf einen Anspruch auf Zurückzahlung von Geldern gegen ein (ehemaliges) Mitgliedsinstitut der Beklagten im Zusammenhang mit einer Wertpapierdienstleistung, sondern behaupte vielmehr einen Schadenersatzanspruch mit der Begründung, beim Erwerb der Genussscheine vom Anlageberater (als Erfüllungsgehilfen der Vermittlerin und der Emittentin) über das Risiko der Anlage falsch beraten worden zu sein. Schadenersatzansprüche aus einer falschen Anlageberatung begründeten schon nach dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen des WAG 1996 und WAG 2007 keinen Entschädigungsanspruch. Ein solcher Anspruch setze vielmehr einen ‑ wegen Insolvenz uneinbringlichen ‑ vertraglichen oder gesetzlichen Zurückzahlungsanspruch aus einer Wertpapierdienstleistung voraus. Nach den Erwägungen der EU-Richtlinie 97/9/EG über die Systeme für die Entschädigung der Anleger sei es deren Zweck, Anleger vor „Betrügereien“ zu schützen. Nach den Materialien zum WAG 1996 bestehe bei der bloßen Vermittlung zwischen Käufern und Verkäufern oder bei der Beratung kein „Unterschlagungsrisiko“ wie bei der Vermögensverwaltung. Der Gesetzgeber habe also eine Haftung der Entschädigungseinrichtung für jene Schäden schaffen wollen, die sich aus dem konzessionswidrigen (rechtswidrigen) „Halten“ von Geldern oder Finanzinstrumenten durch ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen ergäben. Wenn das Wertpapierdienstleistungsunternehmen oder seine Organe so Einfluss auf einen Dritten nähmen, dass Zahlungen nicht widmungsgemäß einem Wertpapierverrechnungskonto der Anleger gutgeschrieben oder an diese abgeführt, sondern einem Dritten zugeführt würden, könne eine weitere Fallkonstellation eines haftungsbegründenden Haltens gegeben sein. Keiner dieser Fälle liege hier vor. Der Kläger habe weder ein direktes Halten seiner Gelder durch die Vermittlerin behauptet, die allein Mitglied der Beklagten gewesen sei, noch habe er behauptet, dass diese ‑ wenn auch nur durch Einflussnahme auf andere A*****‑Gesellschaften ‑ die Genussscheine des Klägers (vereinbarungswidrig) an die Emittentin oder Dritte (zurück-)verkauft und den Erlös einbehalten habe. Die Vermittlerin habe vielmehr den Erwerb der Genussscheine durch den Kläger nur vermittelt, nicht aber über Gelder des Klägers direkt oder indirekt verfügt. Soweit der Kläger einen vertraglichen oder gesetzlichen Anspruch auf Erstattung des Einstandspreises oder Kurswerts der Genussscheine zufolge Kündigung seines Beteiligungsverhältnisses oder zufolge Ausübung des ihm allenfalls vertraglich zustehenden Rückverkaufsrechts behaupte, richte sich dieser gegen die Emittentin, an die er die Zahlungen geleistet habe. Dieser Anspruch resultiere nicht aus dem Wertpapierdienstleistungsgeschäft der Vermittlerin, vielmehr aus dem Emmissionsgeschäft, und auch nicht aus einem rechtswidrigen „Halten“ von Geldern des Klägers durch diese oder andere unter deren Einfluss stehenden A*****‑Gesellschaften. Soweit dieser Anspruch insolvenzbedingt uneinbringlich sein sollte, was für die Beteiligungsgesellschaft gar nicht behauptet sei, verwirkliche sich das gewöhnliche, auch Wertpapiergeschäften vielfach anhaftende Insolvenzrisiko, für das die Beklagte nicht einzustehen habe. Erwägungen dieser Art lägen auch dem Haftungsausschluss für Eigenkapital und Schuldverschreibungen nach § 75 Abs 3 letzter Satz WAG 2007 iVm § 93 Abs 5 Z 10 BWG zugrunde. Ein Entschädigungsanspruch des Klägers bestehe daher nicht, ohne dass es auf die Frage ankäme, ob und unter welchen Voraussetzungen die Beklagte auch für ehemalige Mitglieder hafte.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und im Sinn des subsidiären Aufhebungsantrags auch berechtigt.
1.1. Die Klage wurde am 21. 6. 2011 eingebracht. Auf den Sachverhalt ist daher das WAG 2007 anzuwenden (§ 108 Abs 1 WAG 2007).
1.2. Das Berufungsgericht geht zunächst zutreffend davon aus, dass die beklagte Anlegerentschädigungseinrichtung nicht zur Deckung von Ansprüchen aus der Beratungshaftung verpflichtet ist (1 Ob 242/12p = RIS-Justiz RS0126147 [T1]; 8 Ob 45/13w). Es hat aber verkannt, dass der Kläger (anders als im Fall der Entscheidung 1 Ob 242/12p) auch Vorbringen zu einem indirekten Halten seiner Gelder durch die Vermittlerin erstattet hat.
1.3. Der Kläger hat sich nämlich nicht nur darauf berufen, dass sämtliche Erwerbe der Genussscheine von der Vermittlerin vermittelt worden seien, sondern auch darauf, dass diese mit der Emittentin eine wirtschaftlich und personell verflochtene und für ihn undurchschaubare Einheit gebildet habe. Unterstellt man die Richtigkeit dieser Behauptung, läge ein mittelbares Halten von Kundengeldern durch die Vermittlerin vor, wofür die Beklagte unter den gesetzlichen Voraussetzungen zu haften hätte.
1.4. Nach dem Grundtatbestand des § 75 Abs 3 WAG 2007 greift die Anlegerentschädigung ein, wenn das Wertpapierunternehmen nicht in der Lage ist, dem Anleger geschuldetes Geld zurückzuzahlen oder dem Anleger gehörende Finanzinstrumente zurückzugeben. Rückforderungsansprüche können sich außer aus den vertraglichen Regelungen auch aus dem Schadenersatz-, Bereicherungs‑ oder Sachenrecht ergeben. Der Richtliniengeber und der Gesetzgeber gehen im Fall einer Insolvenzeröffnung bei konzessionswidrig gehaltenen, also rechtswidrig zugeeigneten Kundengeldern von einem derartigen Rückzahlungsanspruch aus (vgl auch 9 Ob 50/09g: „wenn diese Mittel wegen des Konkurses nicht mehr an die Anleger zurückgeführt werden können“).
Warum (im Hinblick auf die Vermittlerin) kein Entschädigungsfall vorliegen und die Emission von Genussscheinen nicht entschädigungspflichtig sein soll, wenn der Anleger aufgrund des Unternehmensgegenstands, der in der Vermittlung bzw im Verkauf von Kapitalanlagen oder Beteiligungen besteht, den Eindruck des Erwerbs einer solchen Veranlagung haben muss, vermag die Beklagte nicht zu begründen (vgl 8 Ob 45/13w).
1.5. Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung (vgl RIS-Justiz RS0126148) kommt als „Halten“ auch ein mittelbares Halten in Betracht. Ein solches liegt etwa vor, wenn sich nicht das Wertpapierunternehmen selbst, sondern eine Tochtergesellschaft oder (nach den Behauptungen hier:) ein mit dem Wertpapierunternehmen sonst rechtlich oder wirtschaftlich verbundener Rechtsträger die Kundengelder oder die Finanzinstrumente aneignet. In Betracht kommt etwa eine Verflechtung der beiden Rechtsträger im Sinn einer Beherrschung oder einer weitgehenden Identität der Eigentümer (8 Ob 45/13w bei einem nahezu deckungsgleichen Sachverhalt unter Auseinandersetzung mit dem Begriff des „Haltens“ im Anschluss an die Entscheidung 9 Ob 50/09g).
1.6. Zur Frage der Verflechtung der beiden in Rede stehenden Gesellschaften und einer allfälligen Eigentümeridentität wurden keine Feststellungen getroffen. Aus diesem Grund kann die Entschädigungspflicht der Beklagten für Genussscheine der Emittentin noch nicht abschließend beurteilt werden.
2. Für das weitere Verfahren ist auf folgende Umstände hinzuweisen:
2.1. Dass die Beklagte auch für ein ehemaliges Mitglied, das im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung über sein Vermögen nicht mehr Mitglied der beklagten Entschädigungseinrichtung war, einzustehen hat, entspricht nunmehr gefestigter und überzeugend begründeter Rechtsprechung. Danach ist für die Haftung der Entschädigungseinrichtung maßgeblich, dass das später in Konkurs verfallene Wertpapierunternehmen zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses über die Wertpapierdienstleistung Mitglied der Entschädigungseinrichtung war. Nicht notwendig ist, dass die Mitgliedschaft auch noch im Zeitpunkt der Konkurseröffnung besteht (RIS-Justiz RS0128769).
2.2. Ein Anleger, der einem entsprechend konzessionierten Unternehmen, das Mitglied der Entschädigungseinrichtung ist, einen Auftrag zur Erbringung einer Wertpapierdienstleistung erteilt, kann grundsätzlich damit rechnen, dass ihm die Entschädigungseinrichtung einen Schaden bis zum Höchstbetrag von 20.000 EUR ersetzen wird, wenn dieses Mitglied gegen das Verbot des Haltens von Kundengeldern oder Finanzinstrumenten der Kunden verstößt. Es wäre daher nicht richtlinienkonform, bestimmten Anlegern diesen Schutz nur deshalb nicht zukommen zu lassen, weil das betreffende Unternehmen ‑ aus welchem Grund auch immer ‑ vor der Konkurseröffnung seine Mitgliedschaft bei der Entschädigungseinrichtung verliert (RIS-Justiz RS0128770).
2.3. Eine zeitliche Begrenzung der Haftung für ein ehemaliges Mitglied dahin, dass der Entschädigungsfall innerhalb einer bestimmten Frist ab Konzessionsverlust eintreten müsste, besteht nicht (10 Ob 50/12v; 8 Ob 45/13w).
2.4. Dass Schuldverschreibungen von der Anlegerentschädigung nicht ausgenommen sind, hat der Oberste Gerichtshof erst jüngst mit ausführlicher Begründung ausgesprochen (8 Ob 45/13w). Der Senat hält dieses Ergebnis für zutreffend und folgt dieser Auffassung.
3.1. Die Beklagte hat ihre mangelnde Leistungspflicht weiters aus dem Eigenkapitalcharakter der zugrunde liegenden Genussscheine abgeleitet. Auch diese Einrede ist unbegründet.
3.2. Von der Entschädigungspflicht sind nach § 75 Abs 3 letzter Satz WAG 2007 Forderungen im Sinn von § 93 Abs 5 Z 1a bis 12 BWG sowie Bestandteile des Eigenkapitals der Wertpapierfirma ausgenommen.
Nach § 93 Abs 5 Z 2 BWG besteht eine Ausnahme von der Sicherung durch die Sicherungseinrichtung für Eigenmittel gemäß § 23 BWG, nach § 93 Abs 5 Z 6 und 7 BWG besteht eine Ausnahme für folgende Einlagen und Forderungen: Z 6 von a) Geschäftsleitern und Mitgliedern gesetzlich oder satzungsgemäß zuständiger Aufsichtsorgane des Kreditinstituts oder der Wertpapierfirma gemäß § 12 Abs 1 WAG 2007 sowie bei Kreditgenossenschaften von ihren Vorstandsmitgliedern, b) persönlich haftenden Gesellschaftern von Kreditinstituten oder Wertpapierfirmen in der Rechtsform einer Personengesellschaft des Handelsrechts, c) Einlegern und Forderungsberechtigten, die zumindest 5 vH des Kapitals des Kreditinstituts oder der Wertpapierfirma gemäß § 12 Abs 1 WAG 2007 halten, d) Einlegern und Forderungsberechtigten, die mit der gesetzlichen Kontrolle der Rechnungslegung des Kreditinstituts oder der Wertpapierfirma gemäß § 12 Abs 1 WAG 2007 betraut sind und e) Einlegern und Forderungsberechtigten, die eine der in lit. a bis d genannten Funktionen in verbundenen Unternehmen (§ 244 UGB) des Kreditinstituts oder der Wertpapierfirma gemäß § 12 Abs 1 WAG 2007 innehaben, wobei Beteiligungen, die unter den Schwellen gemäß § 24 Abs 3a liegen, die Ausnahme gemäß dieser lit. nicht auslösen, Z 7. Einlagen und Forderungen naher Angehöriger (§ 72 StGB) der unter Z 6 genannten Einleger oder Forderungsberechtigten, die für Rechnung der unter Z 6 genannten Einleger oder Forderungsberechtigten handeln, sowie Dritter, die für Rechnung der unter Z 6 genannten Einleger oder Forderungsberechtigten handeln.
3.3. Die Ausnahmen in § 93 BWG stammen aus dem Anhang I zur Richtlinie 94/19/EG (RV 94 BlgNR 20. GP; vgl auch 2 Ob 30/00a) sowie aus dem Anhang I zur Richtlinie 97/9/EG . Art 4 Abs 2 der Anlegerentschädigungsrichtlinie räumt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit ein, dass bestimmte Anleger von der Deckung durch das Anlegerentschädigungssystem ausgeschlossen sind oder dass ihnen eine weniger umfangreiche Deckung gewährt wird. Die ausgeschlossenen Anleger sind in Anhang I der Richtlinie angeführt. Diese unionsrechtlichen Ausnahmebestimmungen besitzen unmittelbare Wirkung; entgegenstehende nationale Rechtsvorschriften haben unangewendet zu bleiben (8 Ob 45/13w).
3.4. Anhang I Z 4 der Anlegerentschädigungs-richtlinie (auch Anhang I Z 7 der Einlagensicherungsrichtlinie) enthält (personenbezogene) Ausnahmen von der Deckungspflicht für Verwaltungsratsmitglieder, Geschäftsleiter und persönlich haftende Gesellschafter, weiters für Personen, die mindestens 5 % des Kapitals halten, für Personen, die mit der gesetzlichen Kontrolle der Rechnungsunterlagen betraut sind, und Anleger, die vergleichbare Funktionen in anderen Unternehmen derselben Unternehmensgruppe innehaben (8 Ob 45/13w). Eine allgemeine Ausnahme für Bestandteile des Eigenkapitals der Wertpapierfirma besteht nach Unionsrecht hingegen nicht; § 75 Abs 3 letzter Satz WAG ist insoweit unionsrechtlich nicht gedeckt (ebenso 8 Ob 45/13w hinsichtlich der Ausnahme nach § 93 Abs 5 Z 10 BWG für „Schuldverschreibungen des Kreditinstituts oder der Wertpapierfirma“).
3.5. Dass der Kläger nach dem Unionsrecht unter die zuvor aufgezeigten personenbezogenen Ausnahmen von der Deckungspflicht durch das Anlegerentschädigungssystem fiele, hat die Beklagte nicht behauptet. Dass die Veranlagung des Klägers 5 vH des Kapitals der Emittentin erreicht hätte, ist angesichts der notorischen ‑ in dreistellige Millionenbeträge gehenden ‑ Höhe der Anlagen bei der Emittentin ausgeschlossen.
4.1. Die Beklagte hat eingewendet, das Klagebegehren widerspreche den strengen Gläubigerschutzvorschriften des AktG, insbesondere dem Verbot der Einlagenrückgewähr gemäß § 52 AktG. Die Beklagte besitze im Fall einer Leistung an den Kläger einen Rückgriffsanspruch in gleicher Höhe gegenüber der Vermittlerin; deren Vermögen würde sich dadurch zu Gunsten der Emittentin (und zum Nachteil der Gläubiger der Vermittlerin) verringern. Dies sei eine gemäß § 52 AktG verbotene Einlagenrückgewährung. Dieser Einwand ist unbegründet.
4.2. Die hier vom Kläger geltend gemachte und auf § 75 WAG 2007 gegründete Ersatzleistung wird nicht von der Emittentin, sondern von einem Dritten begehrt. Damit liegt ein dreipersonales Verhältnis vor, das schon nach seiner Grundstruktur von § 52 AktG abweicht und eine analoge Anwendung dieser Bestimmung nicht nahelegt.
Sollten die Genussscheine tatsächlich als Eigenkapital anzusehen sein, könnte zudem ‑ wenn überhaupt ‑ nur die Erfüllung von Regressansprüchen der Beklagten gegen die Vermittlerin einer verbotenen Einlagenrückgewähr gleichzusetzen sein. Davon zu trennen ist aber der im vorliegenden Verfahren verfolgte Anspruch des Klägers gegen die Beklagte, der auf einer unionsrechtlichen Grundlage beruht und als solcher nicht zu einer Vermögensverschiebung von der Vermittlerin zum Kläger führt. Das Verbot der Einlagenrückgewähr kann diesem Anspruch daher keinesfalls entgegenstehen.
Zu einem ähnlichen Sachverhalt hat der Oberste Gerichtshof (7 Ob 77/10i und 6 Ob 28/12d bzw RIS-Justiz RS0126930) ausgesprochen, dass Prospekthaftungsansprüche gegenüber aktienrechtlichen Bestimmungen über die Kapitalerhaltung Vorrang genießen und Prospekthaftungsansprüche schadenersatzberechtigter Gläubiger und deren Befriedigung keinen Tatbestand der Einlagenrückgewähr nach § 52 AktG erfüllen, weil sie nicht causa societatis erfolgen. Auch im hier zu entscheidenden Fall wird eine auf § 75 WAG 2007 gegründete Ersatzleistung an einen Genussscheinberechtigten nicht causa societatis vorgenommen, und dieser erhält die Zahlung nicht in seiner allfälligen Eigenschaft als Gesellschafter, sondern als geschädigter Gläubiger.
4.3. Der Kläger kann deshalb unabhängig von der Frage, ob er als Inhaber von Genussscheinen der Emittentin als deren Gesellschafter zu behandeln ist (vgl dazu etwa Kaufauftrag Beil ./A Rückseite, Risikohinweise Genusscheine: „Die Genussrechte sind den aktionärstypischen Vermögensrechten nachgebildet und verbriefen zumeist eine Beteiligung am Gewinn und/oder am Liquidationserlös der Gesellschaft. Sie beruhen jedoch nicht auf einem Gesellschaftsverhältnis, sondern sind allein schuldrechtlicher Natur“), bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen nach § 75 WAG 2007 die beklagte Haftungsgesellschaft ungeachtet des Verbots der Einlagenrückgewähr gemäß § 52 AktG in Anspruch nehmen.
5. Im fortgesetzten Verfahren wird ‑ im Falle der Bejahung des Anspruchs dem Grunde nach ‑ mit dem Kläger zu erörtern sein, ob die ersatzfähige Gesamtkaufsumme für die getätigte Investition den eingeklagten Höchstbetrag erreicht, insbesondere, ob das Agio von 7 % als Spesenaufwand oder als Teil des Kaufpreises vereinbart wurde.
6. Ausgehend von einer unrichtigen Rechtsansicht haben die Tatsacheninstanzen keine ausreichenden Feststellungen im aufgezeigten Sinn getroffen. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verbreiterung der Tatsachengrundlagen im aufgezeigten Sinn an das Erstgericht zurückzuverweisen.
7. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.
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