OGH 9Ob19/13d

OGH9Ob19/13d24.7.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisions- und Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** A*****, vertreten durch Dr. Renate Sandner, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. „T*****“ *****, 2. K***** L*****, beide vertreten durch Dr. Johannes Hock sen., Dr. Johannes Hock jun. Rechtsanwälte Gesellschaft mbH in Wien, wegen Räumung und Unterlassung, über die Revision und den Rekurs der beklagten Parteien gegen die Entscheidung des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 12. Dezember 2012, GZ 18 R 37/12p-40, mit der infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Wiener Neustadt vom 29. November 2011, GZ 29 C 289/10t-34, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde,

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

I. Der Revision der beklagten Parteien gegen das Teilurteil des Berufungsgerichts wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

II. Der Rekurs der beklagten Parteien wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind Kosten des weiteren Verfahrens.

Text

Begründung

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Hauses mit einem Hof. Im Nachbarhaus betreiben die Erst- und Zweitbeklagte eine Tanzschule. Die Großmutter der Zweitbeklagten hatte den Hof in den 50er Jahren gemietet und eine Terrasse für die Tanzschule errichtet. Nach Differenzen wurden 1972 die Bestandrechte am Hof aufgegeben und eine Vereinbarung über die kostenlose Nutzung von zwei Parkplätzen durch den Vater der Zweitbeklagten sowie über die Vermittlung der anderen Parkplätze durch diesen gegen Provision geschlossen. Die Nutzungsmöglichkeit hinsichtlich eines Parkplatzes hat der Vater auf die Beklagten übertragen. Die Terrasse und ihre Umgebung, die aus der im Nachbarhaus gelegenen Tanzschule betreten werden konnten, wurden von den Beklagten faktisch weiterhin genutzt. Im Jahr 2008 ließ die Klägerin die Terrasse samt Stiegenabgang abreißen. Danach wurde der Hof nur noch von der Zweitbeklagten als Parkplatz benutzt.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin zuletzt, die Beklagten zu verpflichten, es zu unterlassen, die Liegenschaft der Klägerin zu nutzen, und deren Benutzung durch die Tanzschule zu unterbinden sowie die Fahrnisse zu entfernen. In eventu begehrt die Klägerin diese Unterlassung eingeschränkt um die Nutzung der dem Vater zugewiesenen Parkplätze. Die Klägerin stützt dies zusammengefasst darauf, dass die Beklagten und die Gäste der Tanzschule kein Recht auf die Benützung des Hofes, insbesondere der Terrasse und des Stiegenabgangs sowie der Parkplätze hätten. Sie stellten aber Tische, Sessel, Pflanzentröge, Bewässerungsanlagen und dergleichen auf und behaupteten auch ein Recht auf einen Fluchtweg aus der Tanzschule. Nur der Vater der Zweitbeklagten sei zur Nutzung der Parkplätze berechtigt. Gegen diesen laufe wegen widmungswidriger Verwendung ein Räumungsverfahren.

Die Beklagten beantragten die Abweisung der Klagebegehren und wendeten im Wesentlichen ein, dass sie aufgrund einer früheren Vereinbarung ein Recht auf Benützung der Terrasse und des Stiegenabgangs hätten. Auch stehe Ihnen ein Recht auf die Nutzung der Parkplätze zu bzw sei dieses aus einer Vereinbarung mit dem Vater der Zweitbeklagten abzuleiten. Ein widmungswidriges Verhalten liege nicht vor.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Es folgerte im Wesentlichen rechtlich, dass den Beklagten vom Vater der Zweitbeklagten zulässigerweise ein Parkplatz zur Benützung überlassen worden sei. Zur Ausübung dieses Rechts sei die Benützung der Liegenschaft der Klägerin notwendig. Da die Plattform (Terrasse) nicht mehr existiere, sei ihre Benützung insoweit ohnehin nicht mehr möglich. Daher seien alle Begehren abzuweisen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge. Es gab der Klage in dem nicht die Benützung der Pkw-Abstellplätze betreffenden Umfang statt. Die Beklagten hätten die Nutzung der Liegenschaft insoweit nie bestritten und daher außer Streit gestellt. Soweit sich das Klagebegehren auf den Zugang zu den Parkplätzen beziehe, sei eine Verfahrensergänzung erforderlich, um die Berechtigung der Beklagten zu prüfen. Die Revision und der Rekurs wurden vom Berufungsgericht mit der Begründung zugelassen, dass es an einer Rechtsprechung dazu fehle, ob die Annahme eines schlüssigen Zugeständnisses durch das Berufungsgericht gegen das Verbot der Überraschungsentscheidung verstoße bzw ob der Verweis einer Partei auf das in einem anderen Verfahren erstattete Vorbringen beachtlich sei.

Die Klägerin hat in ihren Rechtsmittelbeantwortungen beantragt, Revision und Rekurs mangels Darstellung einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

I. Zum Teilurteil

Voranzustellen ist, dass hier zwischen der Abgrenzung und allfälligen Teilbarkeit des Klage- und Eventualbegehrens, dem Nachweis bzw dem Wegfall der Wiederholungsgefahr sowie der Berechtigung der Begehren unterschieden werden muss.

Voraussetzung für die Erhebung einer Unterlassungsklage (insb Eigentumsfreiheitsklage) ist das Bestehen eines Rechtsschutzbedürfnisses und der Wiederholungsgefahr. Es muss ein Zustand fortdauern, der dem Kläger keine Sicherung gegen weitere Rechtsverletzungen bietet; dabei genügt die ernste Besorgnis weiterer Eingriffe. Maßgeblich ist, ob die Wiederholungsgefahr objektiv noch weiterbesteht (RIS-Justiz RS0012064 und RS0010467). Soweit es aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen zu einem Verstoß gar nicht mehr kommen kann, besteht kein Unterlassungsanspruch (RIS-Justiz RS0037664). Der Beklagte ist für einen späteren Wegfall der Wiederholungsgefahr behauptungs- und bescheinigungspflichtig (RIS-Justiz RS0005402).

Ob eine Wiederholungsgefahr in diesem Sinn besteht, ist nach der Sach- und Rechtslage bei Schluss der Verhandlung erster Instanz zu beurteilen; einem Unterlassungsbegehren kann daher nur stattgegeben werden, wenn die Wiederholungsgefahr noch in diesem Zeitpunkt weiterbesteht (RIS-Justiz RS0012057).

Nach den maßgeblichen Feststellungen ließ die Klägerin, nach Einbringung der Klage im Jahr 2006 offenbar aufgrund einer Entscheidung in einem Verfahren der Erstbeklagten, das deren Benützungsanspruch hinsichtlich der Terrasse samt Stiegenabgang verneinte, im Jahr 2008 die Terrasse samt Stiegenabgang abreißen. Danach wurde der Hof nur noch von der Zweitbeklagten als Parkplatz benutzt.

Das Berufungsgericht hat das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr im Sinne der dargestellten Rechtsprechung erstmalig aus einer schlüssigen Außerstreitstellung durch die Beklagten abgeleitet. Es ist davon ausgegangen, dass die Beklagten die in der Klage aufgestellten Behauptungen zur Nutzung durch das Aufstellen von Fahrnissen, der Verhinderung von Baumaßnahmen und der Berühmung eines Fluchtwegs nicht bestritten, sondern sich nur auf das Recht der Benützung berufen hätten.

Grundsätzlich ist auch die erstmalige Annahme eines schlüssigen Zugeständnisses durch die zweite Instanz möglich. Sie ist unter dem hier auch von den Beklagten geltend gemachten Rechtsmittelgrund des Mangels des Berufungsverfahrens zu überprüfen (zu § 267 ZPO als Verfahrensfrage RIS-Justiz RS0040078).

Auch aus einer unterbliebenen Bestreitung kann im Einzelfall auf ein schlüssiges Geständnis iSd § 267 ZPO geschlossen werden, wenn gewichtige Indizien dafür vorliegen (RIS-Justiz RS0039927).

Dies ist hier aber hinsichtlich des Vorliegens der Wiederholungsgefahr zu verneinen. Die Klägerin bezog sich in ihrer Klage im Jahr 2006 - von den Parkplätzen abgesehen - vorwiegend auf die unberechtigte Nutzung ihres Grundstücks durch die Beklagten im Bereich der Terrasse und der von dieser herabführenden Stiege und einer dort von einer Mauer umgebenen Grundfläche. Diese Nutzung wurde von den Beklagten auch tatsächlich nicht in Frage gestellt, sondern im Wesentlichen deren Berechtigung zu dieser Nutzung auf zwei verschiedenen Grundlagen eingewendet. Einerseits stützten sich die Beklagten auf die im Zusammenhang mit der Tanzschule bestehenden Nutzungsrechte hinsichtlich der Terrasse und dem Stiegenabgang und andererseits auf die Nutzungsvereinbarungen betreffend die Parkplätze. Hinsichtlich der Nutzung über die Tanzschule versuchte die Erstbeklagte ein dahingehendes Feststellungsbegehren in dem bereits genannten Parallelverfahren durchzusetzen.

Das hier vorliegende Verfahren war während des Feststellungsverfahrens für längere Zeit unterbrochen. Im Zeitpunkt der Fortsetzung des hier zu entscheidenden Verfahrens im Jahr 2010 war in der Zwischenzeit durch den Abriss der Terrasse und der Treppe im Jahr 2008 eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Umstände eingetreten. Die Beklagten haben ihr Vorbringen dahin präzisiert, dass sie sowohl ein eigenes als auch ein abgeleitetes Recht auf Benützung des Parkplatzes hätten. Das Erstgericht hat während des Verfahrens die Frage der behaupteten „Benützung“ mit den Parteien ausdrücklich erörtert und sein Verständnis dahin festgehalten, dass das Vorbringen die Behauptung von entweder den Stiegenaufgang und die Terrasse oder die Parkplätze betreffenden Rechten umfasse (AS 105). Im Ergebnis wurde also klar zwischen den beiden Anküpfungspunkten der Benützung, einerseits der Terrasse und den Stiegenabgang im Zusammenhang mit der Tanzschule und andererseits den Parkplätzen unterschieden. Die Beklagten haben sich nur noch auf die Nutzungsrechte hinsichtlich der Parkplätze gestützt.

Ausgehend davon ist das Berufungsgericht aber zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Beklagten eine sonstige Nutzung der Liegenschaft außer Streit gestellt hätten. Die Nutzung stand nur im Zusammenhang mit der Terrasse bzw hinsichtlich der Parkplätze - die gerade nicht Gegenstand des Teilurteils des Berufungsgerichts sind - außer Streit. Ausgehend von der Feststellung, dass seit dem Abriss nur die Zweitbeklagte den Hof als Parkplatz benutzt, ist daher im zugesprochenen Teil eine Wiederholungsgefahr nicht nachgewiesen.

Offen ist die Behauptung des Nutzungsrechts an den Parkplätzen, dessen Erörterung und Klärung im vorliegenden Verfahren noch nicht erfolgt ist.

Die Rechtssache war daher auch in diesem Umfang an das Erstgericht zurückzuverweisen.

II. Zum Aufhebungsbeschluss

Gemäß § 519 Abs 2 iVm § 502 ZPO ist der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss eines Berufungsgerichts nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa, weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist.

Die Zurückweisung eines vom Berufungsgericht zugelassenen Rekurses gegen einen Aufhebungsbeschluss wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz, § 528a ZPO; vgl Kodek in Rechberger ZPO3 § 528a Rz 1).

Die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage der Berücksichtigung des Vorbringens in einem anderen Verfahren wird vom Rekurs nicht weiter aufgegriffen. Im Übrigen wendet die Klägerin ein, dass die Verfahren ja auch verbunden gewesen sind.

Die von den Beklagten relevierte Frage, wer nun nach der konkreten Vertragsgestaltung, Berechtigter aus dem Vertrag betreffend die Überlassung der Parkplätze sein sollte, kann naturgemäß nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden und stellt demgemäß regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS-Justiz RS0042936).

Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, wonach im Einklang mit dem Wortlaut der Vereinbarung den Beklagten kein eigenes Recht zur Nutzung der Parkplätze eingeräumt wurde, aber der Vater der Zweitbeklagten, diesen seine Nutzungsberechtigung überlassen durfte, ist ausgehend von den konkreten dahingehenden Feststellungen durchaus vertretbar.

Das Berufungsgericht hat den Sachverhalt aber noch dahin als ergänzungsbedürftig erachtet, ob das Rechtsverhältnis des Vaters der Zweitbeklagten bereits wirksam beendet war. Schon weil der Oberste Gerichtshof keine Tatsacheninstanz ist, kann der Ansicht des Berufungsgerichts, dass der Sachverhalt in der von ihm dargestellten Richtung noch nicht genügend geklärt ist, nicht entgegengetreten werden (RIS-Justiz RS0042179). Zum Einwand der Beklagten, dass im Bestandverhältnis der Bestandgeber den Unterbestandnehmer nicht direkt in Anspruch nehmen könne, ist auf die Rechtsprechung zu verweisen, wonach dies davon abhängig ist, dass das Bestandverhältnis aufrecht ist (RIS-Justiz RS0062380 [T9, T10, T11, T12, T13]).

Insgesamt vermögen die Ausführungen der Beklagten in dem von diesen erhobenen Rekurs keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO darzustellen.

Der Rekurs war daher zurückzuweisen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Stichworte