Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 744,43 EUR (darin enthalten 124,07 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Frage der Subsidiarität des Entschädigungsanspruchs im Hinblick auf Ansprüche des Anlegers im Insolvenzverfahren des Wertpapierdienstleistungsunternehmens bzw der Frage der Rechtsfolgen eines unzureichenden Deckungsvermögens noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt.
Rechtliche Beurteilung
Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen (RIS-Justiz RS0112921). Eine im Zeitpunkt der Einbringung des Rechtsmittels aufgeworfene erhebliche Rechtsfrage fällt aber weg, wenn die bedeutsame Rechtsfrage zwischenzeitig durch eine andere Entscheidung des Obersten Gerichtshofs geklärt wurde (RIS-Justiz RS0112921 [T5]). Da dies hier der Fall ist, ist die Revision - entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) - nicht zulässig. Die Revisionswerberin zeigt auch sonst keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:
Dies ist wie folgt zu begründen (§ 510 Abs 3 ZPO):
1.1. Zur Fälligkeit:
Nach der hier maßgeblichen Bestimmung des § 23b Abs 2 dritter Satz WAG 1996 hat die Entschädigungseinrichtung zu gewährleisten, dass, falls über ein Mitgliedsinstitut der Konkurs eröffnet wird, Forderungen eines Anlegers aus Wertpapierdienstleistungen gemäß § 93 Abs 2a BWG bis zu einem Höchstbetrag von 20.000 EUR oder Gegenwert in fremder Währung pro Anleger auf dessen Verlangen und nach Legitimierung innerhalb von drei Monaten ab dem Zeitpunkt, zu dem Höhe und Berechtigung der Forderung festgestellt wurden, ausbezahlt werden.
Der Oberste Gerichtshof hat mittlerweile in einer Reihe jeweils vergleichbare Fälle betreffender Entscheidungen bekräftigt, dass die Feststellung der Forderung gemäß § 23b Abs 2 und § 23c Abs 4 WAG 1996 auf einer selbstständigen Prüfung von Höhe und Berechtigung der angemeldeten Anlegerforderung durch die Entschädigungseinrichtung beruht (RIS-Justiz RS0126982) und die Prüftätigkeit der Entschädigungseinrichtung nach dem klaren Gesetzeswortlaut nicht nur das schlichte Verlangen des Anlegers, sondern zusätzlich dessen Legitimierung voraussetzt (RIS-Justiz RS0116895; RS0126982 [T1]). Der Anspruchsteller hat zunächst nachzuweisen, welche Gesellschaft seine Vertragspartnerin war, welchen Betrag er tatsächlich investiert hat, wann und auf welches Konto er die Überweisung(en) vorgenommen hat und gegebenenfalls ob und in welchem Ausmaß er aus einem Fondsvermögen bereits Befriedigung erlangt hat. Für die beklagte Entschädigungseinrichtung als am Geschäft nicht beteiligte Dritte muss die Grundlage der Haftung nachgewiesen sein, damit ihre Pflicht zur inhaltlichen Prüfung einsetzt (8 Ob 65/12k; 8 Ob 73/12m). Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung reicht dafür die Bekanntgabe des Namens, der Depotnummer und der Forderungshöhe nicht aus (RIS-Justiz RS0126982 [T3, T4]).
Mit welchen Mitteln dieser Nachweis zu führen ist, ist vom Obersten Gerichtshof nicht in genereller Weise für § 23b Abs 2 dritter Satz WAG 1996 vorzugeben, weil es dafür maßgeblich auf die Umstände des Einzelfalls ankommt (9 Ob 55/12x).
1.2. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, im konkreten Fall reichten die von der Klägerin am 4. 3. 2011 und im Laufe des Verfahrens vorgelegten und der beklagten Partei gemäß § 112 ZPO direkt zugestellten Urkunden (Anlegerzertifikat, diverse Zahlungsbelege und ein Depotauszug, der Einzahlungen enthält) als Nachweis für die grundsätzliche Haftung der Beklagten aus, um diese zu einer weitergehenden inhaltlichen Prüfung zu veranlassen, weicht von dieser Rechtsprechung nicht ab. Dass das Erstgericht aus den am 4. 3. 2011 vorgelegten Urkunden und im Laufe des weiteren Verfahrens vorgelegten Kontoauszügen an nachgewiesenen Veranlagungen nicht die geltend gemachten 14.918,06 EUR, sondern nur 11.845,52 EUR feststellte, weil entsprechende Belege fehlten bzw schwer oder nicht lesbar waren, vermag den Eintritt der Fälligkeit nicht zu hindern. Das Gesetz trägt der Anlegerentschädigungseinrichtung ausdrücklich die selbstständige Prüfung (auch) der Höhe der angemeldeten Anlegerforderung auf. Nur wenn der Kläger lediglich die Depotnummer und die Höhe der gestellten Forderung angegeben hätte, könnte die Ablehnung der Überprüfung den Eintritt der Fälligkeit des eingeklagten Anspruchs auf Entschädigung nicht bewirken (siehe oben Pkt 1.1.).
1.3. Zur Frage der Länge der Prüffrist wurde jüngst in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 4. 4. 2013, 2 Ob 171/12d, die europarechtlich (Richtlinie 97/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. 3. 1997 über Systeme für die Entschädigung der Anleger) gebotene Notwendigkeit der raschen Entschädigung und die deshalb zu verlangende unverzügliche Prüfung der Anmeldungen hervorgehoben. Die vom Berufungsgericht als angemessen erachtete Prüffrist von drei Monaten ist - gemessen an bereits vorliegender Rechtsprechung - nicht korrekturbedürftig (5 Ob 63/12v; 2 Ob 171/12d; 4 Ob 182/12m; 1 Ob 31/13k). Fristgerechte Anmeldungen sind jedenfalls unverzüglich zu prüfen und gegebenenfalls Entschädigungen binnen der für jede Forderung jeweils neu laufenden Dreimonatsfrist auszuzahlen. Auch in der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Fälligkeit der Forderung sei im gegenständlichen Fall unter Berücksichtigung einer angemessenen dreimonatigen Prüffrist und der anschließenden dreimonatigen Zahlungsfrist (§ 23b Abs 2 WAG) am 4. 9. 2011 eingetreten, kann daher keine aufzugreifende Fehlbeurteilung erblickt werden.
2. Zum Einfluss der Ansprüche von Anlegern im Konkurs des SICAV-Fonds in Luxemburg wurde bereits in der Entscheidung 2 Ob 171/12d vom 4. 4. 2013 ausgeführt, dass die Entschädigungsforderung des Anlegers nach dem WAG ohne Rücksichtnahme auf den Verfahrensstand im Konkursverfahren des Wertpapierdienstleistungsunter-nehmens, aber auch des SICAV-Fonds zur Zahlung fällig sei. Ein Abwarten des Ergebnisses des Insolvenzverfahrens, das letztlich zur sicheren Kenntnis der Höhe der Forderung gegen die Entschädigungseinrichtung nötig wäre, wenn die Konkursquote abzuziehen wäre, unterliefe die von der Richtlinie mehrfach betonte Raschheit der Entschädigung. Die bloße Aussicht auf den künftigen Erhalt einer nach wie vor nicht genau bestimmbaren, prozentuellen Quote auf Basis der nachgewiesenen Investition sei einer hier und jetzt bestehenden Zugriffsmöglichkeit auf Gelder oder Instrumente nicht gleichzuhalten.
Im vorliegenden Fall hat die beklagte Partei zwar behauptet, dass der Kläger im Umfang von 70 % seiner Investition einen direkten Anspruch und damit Zugriff auf das Vermögen des SICAV-Fonds habe und in diesem Ausmaß Befriedigung daraus erlange. Nicht anders als im Verfahren 2 Ob 171/12d hat sie allerdings nicht behauptet, dass der einzelne Anleger über ein ihm zustehendes Einzelkundenkonto in Luxemburg oder ein ihm zustehendes Finanzinstrument frei verfügen könne. Wie dargelegt, kann aber das bloße Forderungsrecht auf eine künftige Quote am Liquidationsvermögen des insolventen Fonds keine Berücksichtigung finden. Danach liegen aber auch die von der beklagten Partei behaupteten sekundären Feststellungs- bzw Verfahrensmängel bezüglich des Anspruchs des Klägers gegenüber dem SICAV-Fonds nicht vor (9 Ob 55/12x).
3. Zu der von der beklagten Partei wegen Unzulänglichkeit des Haftungsfonds begehrten kridamäßigen Verteilung des Treuhandvermögens wurde mittlerweile vom Obersten Gerichtshof ebenfalls bereits mehrfach ausgesprochen, dass dafür eine gesetzliche Grundlage fehlt (ausführlich 2 Ob 171/12d; jüngst auch 1 Ob 21/13i). Mangels gesetzlicher Sonderregelung gilt auch für die Zahlungspflichten der beklagten Partei das Prioritätsprinzip, weshalb dem Einwand der beklagten Partei, es habe zu einer kridamäßigen Verteilung wegen Unzulänglichkeit des Haftungsfonds zu kommen, nicht zu folgen ist.
4. Zu der von der beklagten Partei begehrten Beschränkung der Haftung auf das Treuhandvermögen „gemäß § 23c WAG 1996 iVm § 76 Abs 6 WAG idF BGBl I 107/2007“ und der entsprechenden Präzisierung des Urteilsspruchs wurde in der Entscheidung 9 Ob 50/09g ausgeführt, dass in Fällen, wie dem vorliegenden der Rechtsgrund (das Gesetz) für die Haftung der beklagten Partei derselbe sei. Die mit BGBl I 2007/107 eingeführte Änderung habe gerade darauf abgezielt, die beklagte Partei durch den in Form eines Treuhandvermögens neu definierten Haftungsumfang auch hinsichtlich bereits geltend gemachter Ansprüche vor dem Insolvenzrisiko zu schützen. Damit liege eine durch den Gesetzgeber ausreichend determinierte Haftungsregelung vor, die keiner weiteren Konkretisierung im Klagebegehren bedürfe. Schon deshalb musste die Haftung „bei sonstiger Exekution in das Treuhandvermögen der beklagen Partei“ auch im vorliegenden Fall nicht weiter beschränkt oder präzisiert werden. In der Entscheidung 1 Ob 21/13i wurde überdies ausgesprochen, dass für die Haftung der beklagten Partei auch nach der WAG-Novelle 2009, BGBl I 2009/39, nicht zwei getrennte Treuhandfonds, sondern nur ein einheitliches Treuhandvermögen existiert, das auch für davor entstandene „Altfälle“ zur Verfügung steht. Auch insoweit besteht zur Entscheidung des Berufungsgerichts kein Korrekturbedarf.
5. Auch für eine Einschränkung der Zahlungspflicht nur Zug um Zug gegenüber der SICAV-Liquidationsmasse besteht kein Anlass. Ein gesetzlicher Forderungsübergang ist dem Zessionsgrundstatut unterstellt, also jener Rechtsordnung, die die Leistungspflicht des Drittzahlers verfügt und damit den Zessionsgrund geliefert hat (RIS-Justiz RS0077439 [T1]; RS0083638). Die Zahlungspflicht der beklagten Partei gründet sich auf österreichisches Recht, das damit auch für den Forderungsübergang maßgeblich ist. Die Anwendung österreichischen Zessionsrechts wird auch von der beklagten Partei nicht in Frage gestellt.
§ 1358 ABGB geht - entgegen seinem Wortlaut - über die Regelung des Bürgenregresses hinaus und findet ganz allgemein auf jeden Anwendung, der eine fremde Schuld begleicht, für die er dem Gläubiger - aufgrund eines Rechtsgeschäfts oder kraft Gesetzes - haftet (Gamerith in Rummel³ § 1358 ABGB Rz 1; P. Bydlinski in KBB³ § 1358 Rz 1; vgl RIS-Justiz RS0112742). Zahlt etwa ein beklagter Anlageberater - auch im Wege des Schadenersatzes - eine fremde Schuld, tritt er nach der Legalzessionsnorm des § 1358 ABGB in die Rechte des Gläubigers ein, die (unter anderem) in einem Teilnahmeanspruch im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Emittentin samt Anspruch auf Auszahlung einer allfälligen Quote bestehen können (RIS-Justiz RS0112742 [T9]). Die Zahlung führt ipso iure zum Übergang der Forderung auf den Zahler, ohne dass es eines besonderen Übertragungsaktes bedarf (vgl Gamerith in Rummel³ § 1358 ABGB Rz 5 mwN; 2 Ob 171/12d). Die beklagte Partei haftet geschädigten Anlegern kraft eines österreichischen Gesetzes für eine fremde Schuld, nämlich für Verpflichtungen ihrer Mitgliedsinstitute. Im Fall einer Zahlung tritt sie daher nach der Legalzessionsnorm des § 1358 ABGB ipso iure und ohne weiteren Übertragungsakt in die Rechte des Gläubigers ein (vgl auch dazu schon 2 Ob 171/12d). Für eine Einschränkung ihrer Zahlungspflicht nur Zug um Zug gegen Abtretung allfälliger Ansprüche des Klägers gegenüber der SICAV-Liquidationsmasse bleibt damit kein Raum (5 Ob 215/12x; 4 Ob 40/13f).
6. Soweit sich die beklagte Partei schließlich noch gegen den Zuspruch von Zinseszinsen durch das Berufungsgericht wendet, ist darauf hinzuweisen, dass nach § 1000 Abs 2 zweiter Satz ABGB der Gläubiger, sofern fällige Zinsen eingeklagt werden, vom Tag der Streitanhängigkeit an Zinseszinsen fordern kann. Es können somit Zinseszinsen jedenfalls ab dem Tag der Streitanhängigkeit verlangt werden (vgl Aichberger - Beig in Kletecka/Schauer, ABGB-ON 1.00 § 1000 Rz 4). Es ist aber kein Grund dafür ersichtlich, weshalb der Lauf der Zinseszinsen nicht auch nach Streitanhängigkeit (das heißt Zustellung der Klage an die beklagte Partei - § 232 ZPO) beginnen können sollte, wenn die Voraussetzungen dafür - fällige Zinsen, die eingeklagt werden - erst zu einem späteren Zeitpunkt eintreten. Der Kläger ist somit ab dem nach Streitanhängigkeit gelegenen Zeitpunkt der Fälligkeit berechtigt, Zahlung der gesetzlichen Zinseszinsen zu begehren (vgl 5 Ob 215/12x).
7. Zur Aktivlegitimation:
Das Berufungsgericht legte seiner Entscheidung die erstgerichtliche Feststellung zu Grunde, nach der der Kläger sein Wertpapierdepot verpfändet und die Pfandgläubigerin ihr Einverständnis zur gerichtlichen Geltendmachung von Forderungen aus dem Wertpapierdepot erklärt hat. Die beklagte Partei vertritt den Prozessstandpunkt, diese Einverständniserklärung umfasse nicht die Anmeldung der Forderung bei der beklagten Entschädigungseinrichtung, sodass die Anmeldung mangels Einverständnis der Pfandgläubigerin nicht rechtswirksam erfolgt und die Forderung erloschen sei. Das Berufungsgericht teilte diesen Standpunkt nicht, sondern führte aus, ein gänzlicher Austausch der Pfandsache sei grundsätzlich nicht möglich; der an Stelle der Pfandsache tretende Ersatzanspruch müsste neuerlich verpfändet werden. Anderes gelte nur in den gesetzlich festgelegten Fällen (RIS-Justiz RS0011419), von denen hier keiner gegeben sei. Der Kläger sei deshalb zur Anmeldung der Forderungen gegenüber der beklagten Partei auch allein berechtigt gewesen. Dieser Rechtsansicht setzt die beklagte Partei in ihrer Revision inhaltlich nichts entgegen, sondern wiederholt bloß ihren bisherigen (gegenteiligen) Standpunkt. Auch in diesem Punkte gelingt es ihr somit nicht, eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Die Revisionsbeantwortung diente der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung. Es kann der klagenden Partei kostenmäßig nicht zum Nachteil gereichen, dass sie ihre Rechtsmittelbeantwortung zu einem Zeitpunkt erstattet hat, als die im Rechtsmittel der Gegenseite aufgeworfenen erheblichen Rechtsfragen noch nicht durch andere Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs geklärt waren. Die beklagte Partei hat daher der klagenden Partei die Kosten deren Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
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