OGH 7Ob27/13s

OGH7Ob27/13s23.5.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** B*****, vertreten durch Dr. Philipp Metlich, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei St. ***** GmbH, *****, vertreten durch Beck Krist Bubits & Partner, Rechtsanwälte in Mödling, wegen Unterlassung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 20. November 2012, GZ 18 R 175/12g‑20, womit das Urteil des Bezirksgerichts Mödling vom 9. Mai 2012, GZ 14 C 997/11m‑14, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.127,68 EUR (darin enthalten 305,49 EUR an USt und 1.296 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile sind jeweils Alleineigentümer benachbarter Grundstücke. Diese standen einst im Eigentum der Mutter der Klägerin. 1968 erwarb die Klägerin einen Teil davon. 1972 errichtete sie auf ihrer Liegenschaft ein Haus und im Einvernehmen mit ihrer Mutter westlich davon eine Einfriedungsmauer, um die Grenze festzulegen. Nicht besprochen wurde, auf wessen Liegenschaft die Mauer stehen soll. Später ließ die Klägerin anschließend an die westliche Hauswand einen Stiegenaufgang errichten, der über einen Vorplatz zum Eingangsbereich im ersten Stock führt. An den Stiegenaufgang und den Vorplatz schließt die Einfriedungsmauer an. Die Mauer bildet gestalterisch eine Einheit mit dem Bauwerk der Klägerin; auch die Pflege und Instandhaltung erfolgte seitens der Klägerin.

Einige Jahre nach Errichtung der Mauer erwarb zunächst der Bruder der Klägerin die Nachbarliegenschaft. Am 6. 8. 2009 wurde sie von der Beklagten gekauft. Die Beklagte beabsichtigt die Errichtung eines Mehrparteienhauses. Am 1. 9. 2010 beantragte sie die baubehördliche Bewilligung für den Abbruch der bestehenden Gebäude. Bestandteil dieses Ansuchens war auch der Abbruch der Einfriedungsmauer.

In der Bauverhandlung vom 24. 11. 2010 erklärte die Klägerin, dass die Lage der Einfriedungsmauer und die damit korrespondierenden Eigentumsverhältnisse nicht geklärt seien. Es wurde im Zuge der Bauverhandlung erörtert, dass die Einfriedungsmauer im Abbruchplan nicht dargestellt sei und dass sich die beiden Grundstücke nicht im Grenzkataster befinden, sohin der Grenzverlauf nicht endgültig rechtlich gesichert sei. Die Parteien erklärten, dass der Verlauf der Grenze durch eine Vermessung geklärt werden solle.

Am 13. 12. 2010 fand die Grenzverhandlung an Ort und Stelle statt. Dabei wurde der Grenzverlauf von einem Sachverständigen anhand der Verhältnisse in der Natur und den Erklärungen der anwesenden Grundeigentümer festgestellt. Der durch die Vermessung festgestellte Grenzverlauf wurde den Anwesenden vorgezeigt und in der Natur abgesteckt. Danach befindet sich die Einfriedungsmauer zur Gänze auf dem Grundstück der Beklagten. Beide Parteien als Grundeigentümer stimmten diesem Grenzverlauf, soweit er jeweils ihr Grundstück betraf, zu und unterfertigten eine Zustimmungserklärung folgenden Inhalts:

„Zustimmungserklärung gemäß § 17, 18 BGBl 124 vom 9. 4. 1969 und BGBl Nr 238 vom 2. 4. 1975 ‑ Vermessungsgesetz.

Die unterzeichnenden Grundeigentümer sind sich über den in der Natur ersichtlichen und gemäß § 845 ABGB gekennzeichneten Grenzverlauf zwischen ihren Grundstücken einig. Sie stimmen der Umwandlung der von der Vermessung betroffenen Grundstücke vom Grundsteuerkataster in den Grenzkataster zu.“

Die Klägerin begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, jeglichen Abbruch der Einfriedungsmauer zu unterlassen. Die Einfriedungsmauer und der entsprechende Grundstücksstreifen seien vertraglich im Zuge der Errichtung des Hauses dem Grundstück der Klägerin zivilrechtlich als Eigentum zugezählt worden. Unabhängig von der mündlichen Vereinbarung habe die Klägerin die Einfriedungsmauer und den Grundstücksstreifen durch Ersitzung erworben. Die Beklagte habe um baubehördliche Bewilligung für den Abbruch der bestehenden Gebäude und auch der Einfriedungsmauer angesucht. Trotz Einwendungen der Klägerin gegen den geplanten Abbruch der Mauer und trotz des Umstands, dass sie ausdrücklich die Zustimmung zum Abbruch verweigert habe, habe der Bürgermeister als Baubehörde erster Instanz den Abbruch bewilligt. Die Klägerin habe dagegen Berufung eingebracht, über die noch nicht entschieden worden sei. Trotz der in der Bauverhandlung geführten Diskussion um das Eigentumsrecht an der Einfriedungsmauer und dem Grundstücksstreifen bestreite die Beklagte das Eigentum der Klägerin und halte am Abbruch der Mauer fest. Es bestehe die konkrete Besorgnis einer drohenden Rechtsverletzung, weshalb die Voraussetzungen einer vorbeugenden Unterlassungsklage gegeben seien.

Die Beklagte bestreitet das Klagebegehren. Die Klägerin sei nicht Eigentümerin der Mauer oder der darunter liegenden Grundfläche. Selbst wenn die Klägerin jemals Eigentum daran erworben gehabt hätte, habe die Beklagte im Zeitpunkt des Eigentumserwerbs keine Kenntnis davon gehabt und hätte dies auch nicht wissen müssen. Die Beklagte habe gutgläubig Eigentum an der Mauer erworben. Sie sei unbestritten bücherliche Eigentümerin der Grundfläche dieser Mauer. Darüber hinaus seien in der Grenzverhandlung vom 13. 12. 2010 die Grenzen festgestellt worden. Die Klägerin habe ihre Zustimmung zu dem von der Beklagten und auch der Behörde als gegeben erachteten Grenzverlauf abgegeben.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die außergerichtliche Festlegung des zumindest zweifelhaften Grenzverlaufs sei als außergerichtlicher Vergleich zu qualifizieren. Die neue Festsetzung der strittigen Grenze diene auch der Festlegung des Umfangs des jeweiligen Eigentumsrechts. Die irrige Rechtsansicht der Klägerin, dass sie trotz festgestellten Grenzverlaufs Eigentümerin der Einfriedungsmauer geblieben sei, ändere daran nichts.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, dass es dem Klagebegehren stattgab. Richtig sei, dass die einvernehmliche Festlegung der Grenze einen außergerichtlichen Vergleich darstelle. Das ABGB enthalte aber in den §§ 854 ff Sonderregelungen für derartige Grenzeinrichtungen. Nach § 854 ABGB würden Grenzmauern, die sich zwischen benachbarten Grundstücken befänden, für ein gemeinschaftliches Eigentum angesehen, wenn nicht Wappen, Auf‑ und Inschriften oder andere Kennzeichen und Behelfe das Gegenteil bewiesen. § 857 ABGB enthalte eine Gegenvermutung, wonach dann, wenn die Ziegel nur auf einer Seite verliefen, auf dieser Seite das ungeteilte Eigentum an der Mauer angenommen werde, wenn nicht aus einer beiderseitigen Belastung, Einfügung, aus anderen Kennzeichen oder sonstigen Beweisen das Gegenteil erhelle. Nach herrschender Ansicht bedeute die Regel des § 854 ABGB ideelles Miteigentum im Sinn der §§ 825 ff ABGB an den Scheidewänden als Zubehör des fortbestehenden Alleineigentums an den Grundstücken bis zur Grenze. In diesem Fall gelte der Grundsatz superficies solo cedit (§ 297 ABGB) daher nicht. Dass Grenzeinrichtungen sonderrechtsfähig sein müssten, ergebe sich eindeutig daraus, dass nach § 857 ABGB selbst bei einer Mauer, die sich ausschließlich auf der Liegenschaft eines Nachbarn befinde, das Eigentum des Nachbarn nur vermutet werde.

Daraus folge, dass einer Einigung über den Verlauf der Grenze nicht ohne weiteres auch die Wirkung zugemessen werden könne, auch das Eigentum an der Grenzeinrichtung konstitutiv zu klären. Betrachte man die Mauer unter diesem Gesichtspunkt im Zusammenhang mit den Vermutungen nach §§ 854 und 857 ABGB, so verbleibe einerseits, dass sie sich ausschließlich auf der Liegenschaft der Beklagten befinde; andererseits aber auch, dass sie gestalterisch in Einheit mit dem Bauwerk auf der klägerischen Liegenschaft stehe. Durch diese gestalterische Einheit sei die Vermutung des Alleineigentums nach § 857 erster Halbsatz ABGB im Sinne des zweiten Halbsatzes der genannten Bestimmungen entkräftet. Es greife daher wieder die Grundregel des § 854 ABGB ein, wonach ideelles Miteigentum an der Grenzmauer bestehe. Daraus folge, dass ein Miteigentümer nicht gegen den Willen des anderen zum Abriss der gemeinsamen Mauer berechtigt sei.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof die Frage offen gelassen habe, ob es sich beim gemeinschaftlichen Eigentum nach § 854 ABGB um Quoteneigentum oder physisch geteiltes Alleineigentum der beiden Nachbarn handle. Im Übrigen fehle bei Annahme der Sonderrechtsfähigkeit der Grenzmauer Judikatur, ob eine Vereinbarung vor der Vermessungsbehörde über die Grundgrenze auch als Vereinbarung über das Eigentum an der Grenzmauer anzusehen sei. Weiters sei auch keine höchstgerichtliche Judikatur dazu ersichtlich, welche Rechtsfolgen der gutgläubige Erwerb einer Liegenschaft auf das Eigentum an Grenzeinrichtungen habe.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin begehrt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig, sie ist auch berechtigt.

1. Die Klägerin gründet ihr Unterlassungsbegehren darauf, dass sie Eigentümerin des Grundstücksstreifens und der darauf befindlichen Einfriedungsmauer sei.

Wie die nachstehenden Ausführungen zeigen, kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin 1972 auf Grund von Vereinbarungen oder letztlich durch Ersitzung entsprechend ihrer Behauptungen Eigentümerin wurde.

Rechtliche Beurteilung

2. Der Oberste Gerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, dass es sich bei der einvernehmlichen Festlegung der Grenze, wenn alle Eigentümer der an das umzuwandelnde Grundstück angrenzenden Grundstücke entsprechende Zustimmungserklärungen abgegeben haben, um einen außergerichtlichen Vergleich nach § 1380 ABGB handelt (RIS‑Justiz RS0013881).

2.1 Wenn die Eigentümer benachbarter Grundstücke in einer Grenzverhandlung gemäß § 25 Abs 1 und 2 Vermessungsgesetz zu einer Einigung über den Verlauf der Grenze gelangen, geschieht dies mit konstitutiver Wirkung ( Angst , Die zivil‑ und vermessungsrechtliche Bedeutung der Feststellung der Grundstücksgrenze im Zuge von Grundstücksvermessungen, NZ 2010, 196; Twaroch , Kataster‑ und Vermessungsrecht [2009] § 25 Vermessungsgesetz Anm 20).

2.2 Zur Frage der Auswirkungen einer derartigen Grenzfestlegung auf das Eigentum hat sich der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 6 Ob 256/10f befasst. In dieser Entscheidung führte er unter anderem wie folgt aus:

„Unterschiedlich beantwortet wird im Schrifttum die Frage, welche Auswirkungen eine derartige Grenzfestlegung auf das Eigentum hat. Nach Angst , Die zivil- und vermessungsrechtliche Bedeutung der Festlegung der Grundstücksgrenzen im Zuge von Grundstücksvermessungen, NZ 2010, 197, hat wegen des Eintragungsgrundsatzes die Festlegung der Grenze noch keine unmittelbare Bedeutung für den Umfang des Eigentumsrechts. Vielmehr hänge die Frage, ob noch eine bücherliche Eintragung des Eigentumsrechts erforderlich sei, davon ab, ob der einvernehmlich festgelegte Grenzverlauf die Teilung eines der beteiligten Grundstücke bedeutet, wobei er unter 'Teilung' jede rechtliche oder tatsächliche Maßnahme versteht, die zu einem Grenzverlauf eines Grundstücks führt, der von dem nach dem Grenz‑ oder Grundstückskataster maßgebenden Grenzverlauf dauerhaft abweicht.

Dem gegenüber hat nach Twaroch (Grundstücksgrenzen und Kataster, NZ 1994, 54 [59 f]; sowie Kataster‑ und Vermessungsrecht § 25 Anm 18) eine vergleichsweise vorgenommene Festlegung der Grenze unmittelbare Bedeutung für die Eigentumsverhältnisse. Es sei lediglich zu prüfen, ob tatsächlich ein Streit über die Grenze vorlag und durch die angebliche Grenzberichtigung nicht bloß ein Eigentumswechsel verschleiert wurde. Habe daher etwa der Nachbar seinerzeit einen Grundstreifen abgetreten und wurden die Grenzzeichen deshalb auf kurzem Weg einvernehmlich versetzt, so habe dieser Vorgang wegen Verstoßes gegen das Eintragungsprinzip weder die Eigentumsverhältnisse noch den Grenzverlauf verändert.

Der Oberste Gerichtshof schließt sich der im Vorigen wiedergegebenen Auffassung Twarochs an. Die Neufestsetzung der strittigen Grenze zwischen verschiedenen Grundeigentümern dient zweifellos auch der Festlegung des Umfangs ihres jeweiligen Eigentumsrechts. Die gegenteilige Auffassung von Angst würde dazu führen, dass die Festlegung einer 'Grenze' ohne sachenrechtliche Auswirkung bliebe. Die Auffassung trägt nicht nur der Funktion der Grenze nicht Rechnung, sondern würde einer derartigen Grenzfestlegung auch weitgehend die Bereinigungswirkung nehmen, müsste doch dann in einem weiteren Schritt eine Ab‑ und Zuschreibung erfolgen. Zur Ermittlung des Umfangs der betroffenen Flächen (Grenzstücke) wäre aber die Anführung auch der 'ursprünglichen' Grenze erforderlich, die in derartigen Fällen vielfach nicht bekannt oder eben gerade strittig sein wird. Auf die ursprüngliche Grenze im Grundsteuerkataster kann hier ebenso wenig zugegriffen werden wie in anderem Zusammenhang, weil die dort aufscheinende Grenze ‑ anders als bei im Grenzkataster aufgenommenen Liegenschaften ‑ nicht verbindlich ist (RIS‑Justiz RS0049559, RS0038593, vgl auch Gamerith in Rummel , ABGB³ § 851 Rz 4). Die Ansicht Angst überzeugt daher weder aus theoretischer noch aus praktischer Sicht.“

Diesen Ausführungen hat sich der erkennende Senat bereits in der Entscheidung 7 Ob 62/13g angeschlossen.

2.3 Da im vorliegenden Fall der Grenzverlauf strittig war, ist die von den Streitteilen vorgenommene außergerichtliche Festlegung des Grenzverlaufs als privatrechtlicher Vergleich zu qualifizieren. Danach ist nunmehr ‑ unabhängig von einem allfälligen ursprünglichen Eigentumserwerb durch die Klägerin ‑ die Beklagte Eigentümerin des strittigen Grundstreifens.

3. Für die Auslegung eines Vergleichs gelten die allgemeinen Regeln. Maßgebend für den Umfang der Bereinigungswirkung eines Vergleichs ist der übereinstimmend erklärte Parteiwille ( Reidinger in Schwimann ABGB³ VI § 1380 Rz 28).

Für die Ermittlung der Parteiabsicht bildet der Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung den Ausgangspunkt. Zu berücksichtigen sind aber auch die den Vertragsabschluss begleitenden Umstände ( Bollenberger in KBB³ § 914 Rz 5 mwN). Es entscheidet der erkennbar erklärte Parteiwille, zu dessen Verständnis das gesamte Verhalten der Vertragsparteien, das sich in Äußerungen aus Wort und Schrift sowie aus sonstigem Tun oder Nichttun zusammensetzen kann ( Binder in Schwimann ³ VI § 914 Rz 61 f mwN).

Im Zuge der Bauverhandlung, in der es auch um den Abriss der Mauer ging, wurde besprochen, dass deren Lage und die Eigentumsverhältnisse daran nicht geklärt seien, weshalb die Streitteile eine Klärung durch Vermessung der Grenzen wünschten. Die Vermessung ergab, dass sich die Mauer zur Gänze auf dem Grundstück der Beklagten befindet. Diesem Grenzverlauf stimmten die Parteien letztlich zu.

Vor diesem Hintergrund richtete sich die erkennbar erklärte Parteiabsicht darauf, die Grenze und damit auch das Eigentum am Grundstücksstreifen und an der Mauer einvernehmlich festzulegen. Auf die in diesem Zusammenhang nicht erkennbare ‑ weil auch nicht nach Außen getragene ‑ Einschränkung durch die Klägerin, sie bleibe unabhängig vom festgelegten Grenzverlauf Eigentümerin der Mauer und des Grundstücksstreifens, kommt es nicht an. Gleiches gilt für die von der Klägerin auch nach dem Vergleichsabschluss erhobenen Einwendungen im Bauverfahren.

4. Aus den Bestimmungen der §§ 297, 417 f ABGB folgt, dass Gebäude (grundfest errichtete Bauwerke; vgl RIS‑Justiz RS0009921) grundsätzlich unselbständige und daher sonderrechtsunfähige (RIS‑Justiz RS0009946) Bestandteile der Liegenschaft werden, auf der sie errichtet sind. Die Regel ist also die Eigentümeridentität, die Ausnahme ist die Sonderrechtsfähigkeit (3 Ob 119/93, 3 Ob 144/93, 5 Ob 278/07d). Soweit es sich um grundfest errichtete Anlagen handelt, ist davon auszugehen, dass ‑ abgesehen von im Baurecht errichteten Objekten ‑ auf fremden Grund errichtete Gebäude nur dann sonderrechtsfähig sind, wenn sie Überbauten sind (3 Ob 144/93, 5 Ob 278/07d).

Entscheidend dafür, ob ein Gebäude durch seine Errichtung kraft Gesetz zum (unselbständigen) Bestandteil des Grundes wird, ist die Belassungsabsicht des Erbauers zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes (RIS‑Justiz RS0009865). Ein Überbau im Sinn des § 435 ABGB liegt nämlich nur dann vor, wenn auf fremden Grund ein Bauwerk in der Absicht aufgeführt wird, dass es nicht stets dort bleiben soll. Das Fehlen der Belassungsabsicht muss äußerlich erkennbar sein. Die maßgebliche Absicht tritt im Allgemeinen durch das äußere Erscheinungsbild hervor. Sie kann aber auch aus den Umständen erschlossen werden, etwa aus den Rechtsverhältnissen, die zwischen dem Grundeigentümer und dem Erbauer bestehen (RIS‑Justiz RS0011252).

Der Frage, ob die Einfriedungsmauer allenfalls als Superädifikat sonderrechtsfähig wäre, muss schon deshalb nicht nachgegangen werden, weil keinerlei Behauptungen aufgestellt wurden, die eine Qualifikation als Superädifikat erlauben.

5. Unter der Überschrift „vermutete Gemeinschaft“ regelt das Gesetz in den §§ 854 bis 857 ABGB die Rechtsverhältnisse an Scheidewänden. Es unterscheidet zwischen solchen im Alleineigentum und solchen, bei denen Gemeinschaft als Eigentum vermutet wird. Gemäß § 854 ABGB besteht im Zweifel „gemeinschaftliches Eigentum“ etwa an Zäunen, Mauern oder anderen Scheidewänden, die sich „zwischen“ benachbarten Grundstücken befinden. Dies wird überwiegend als ideelles Eigentum nach den §§ 825 ff ABGB verstanden (vgl etwa Egglmaier/Gruber / Sprohar in Schwimann , ABGB³ III §§ 854‑857 Rz 4, 1 Ob 163/11v), wobei § 855 Satz 1 ABGB klarstellt, dass jeder Mitgenosse die gemeinschaftliche Mauer „bis zur Hälfte“ in der Dicke benutzen darf. In diesen Fällen tritt das Miteigentum an der Scheidewand mit dem bis zur Grundgrenze reichenden Alleineigentum der Nachbarn an ihren Grundstücken in eine „eigentümliche“ Verbindung und bildet ein Akzessorium des Alleineigentums (RIS‑Justiz RS0013894).

Der Begriff der Grenzeinrichtung (Scheidewand) umfasst Einrichtungen, die sich im Grenzbereich „zwischen zwei Grundstücken“ befinden, das heißt, jeweils zum Teil auf beiden Grundstücken ( Parapatits in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.01 § 854 Rz 2). Bis zum Beweis des Gegenteils wird nach § 854 ABGB vermutet, dass auf beiden Grundstücken befindliche Grenzeinrichtungen im gemeinschaftlichem Eigentum der Liegenschaftseigentümer stehen ( Sailer in KBB³ § 854 Rz 2).

Dieser Fall ist hier nicht gegeben, steht doch die Einfriedungsmauer zur Gänze auf der Liegenschaft der Beklagten.

Im Gegensatz zur Miteigentumsvermutung des § 854 ABGB wird in § 857 ABGB das Alleineigentum in jenen Fällen vermutet, in denen der Verlauf und die Gestaltung der Grenzlinien darauf hinweisen (RIS‑Justiz RS0123730). Stellt der Grundeigentümer eine Mauer auf seinem Grundstück auf, steht sie in seinem Alleineigentum ( Gamerith in Rummel ³ § 857 Rz 2 mwN, Klang in Klang III² 1155, 5 Ob 90/98s, Sailer aaO § 857 Rz 1, RIS‑Justiz RS0109842).

Voraussetzung für die Anwendung des § 857 ABGB ist ebenfalls das Vorliegen einer Scheidewand, das heißt, auch hier muss es sich um eine grenzüberschreitende Abgrenzung handeln. Nur in einem solchen Fall oder wenn unklar ist, auf welchem Grundstück die Abgrenzung errichtet ist, kann sich überhaupt die Frage stellen, ob Mit‑ oder Alleineigentum an der Grenzanlage zu vermuten ist ( Parapatits aaO § 857 Rz 3).

Ist die Scheidewand unzweifelhaft zur Gänze auf der Liegenschaft nur eines Nachbarn errichtet, dann folgt dessen Alleineigentum aus der bereits angeführten Regel der Eigentümeridentität, ohne dass es einer Vermutung nach § 854 oder § 857 ABGB bedarf. Im Übrigen besteht auch kein gesetzliches Recht, auf dem Grund des Nachbarn ganz oder teilweise einen Zaun oder eine Grenzmauer zu errichten. In einem solchen Fall kann der Eigentümer des für die Errichtung der Mauer in Anspruch genommenen Grundstreifens Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB erheben (7 Ob 643/81 = MietSlg 33.036).

Daraus folgt für den vorliegenden Fall das Alleineigentum der Beklagten am Grundstücksstreifen und an der darauf befindlichen Mauer.

6. Es besteht zwar die Möglichkeit der Nachbarn, gemeinschaftliches Eigentum an Grundstücksstreifen und Grenzeinrichtungen zu vereinbaren ( Parapatits aaO § 857 Rz 3, GlUNF 3.956), eine solche Vereinbarung wurde von den Streitteilen aber nicht getroffen.

7. Sollte davon ausgegangen werden, dass die Einfriedungsmauer keine Grenzeinrichtung, sondern auf Grund der gestalterischen Einheit mit dem Haus der Klägerin tatsächlich ein Grenzüberbau ist, wäre für die Klägerin ebenfalls nichts gewonnen. Einem allfälligen Eigentumserwerb an der Grundfläche und der Mauer durch die Klägerin etwa nach den §§ 414 ff ABGB stünde gleichfalls der zwischen den Streitteilen getroffene Vergleich entgegen.

8. Da die Klägerin das von ihr behauptete Eigentum nicht darlegte, scheitert ihr ausschließlich darauf gegründetes Unterlassungsbegehren. Auf die Frage, ob ein solcher Anspruch allenfalls aus einer anderen Rechtsgrundlage abgeleitet werden könnte, war nicht einzugehen.

9. Der Revision ist daher Folge zu geben und es ist die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen. Die Entscheidung über die Prozesskosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 41 Abs 1 und § 50 Abs 1 ZPO.

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