OGH 1Ob56/13m

OGH1Ob56/13m21.5.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. J***** L*****, vertreten durch Dr. Wolfram Proksch und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, und 2. Land Niederösterreich, vertreten durch Urbanek Lind Schmid Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wegen 120.000 EUR sA und Feststellung (Streitwert 20.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 120.000 EUR sA) und die Rekurse der beklagten Parteien (Rekursinteresse je 20.000 EUR) gegen das Teilurteil und den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 14. Oktober 2010, GZ 14 R 140/10a‑20, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 18. Mai 2010, GZ 31 Cg 24/09s‑15, in der Abweisung von 120.000 EUR sA bestätigt und im Umfang des Feststellungsbegehrens aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Den Rekursen der beklagten Parteien wird nicht Folge gegeben. Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben. Das Urteil des Erstgerichts wird zur Gänze aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung über das gesamte Klagebegehren nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens dritter Instanz sind weitere Verfahrenskosten.

Begründung

Die Klägerin ist seit dem Jahr 1997 Eigentümerin einer Liegenschaft, die in der Sicherheitszone des Flughafens Wien liegt. Sie kannte die Fluglärm‑Problematik bereits von Kindheit an, die sie in dem auf der Liegenschaft errichteten Haus verbrachte. Dass diese Form der Lärmentwicklung gesundheitliche Schäden verursachen kann, ist ihr grundsätzlich seit ihrem Studienabschluss als Medizinerin im Jahr 1986, spätestens jedoch seit Abschluss ihrer Ausbildung zur Fachärztin im Jahr 2000 bekannt. An einem Mediationsverfahren betreffend den Ausbau des Flughafens in den Jahren 2000 bis 2005 war sie nicht persönlich beteiligt. Sie war aber Mitglied der Bürgerinitiative „Bürgerlärm gegen Fluglärm“. Diese war am Mediationsverfahren beteiligt, unterschrieb jedoch den Mediationsvertrag 2005 nicht. Die Klägerin ist auch seit dessen Gründung Mitglied des Vereins gegen entschädigungslose Grundentwertung durch Flugverkehr („Antifluglärmgemeinschaft“ oder AFLG), der seit dem 22. 2. 2005 besteht. Spätestens seit diesem Zeitpunkt weiß sie, dass ihre Liegenschaft durch Fluglärm entwertet wird.

Am 3. 8. 2005 brachte die Klägerin beim Erstgericht eine Klage gegen die Austro Control ein, um den Eintritt einer weiteren Wertminderung ihrer Liegenschaft und einer Gesundheitsbeeinträchtigung durch den Flugverkehr zu verhindern. Dass zum Betrieb eines Flughafens behördliche Bewilligungen erforderlich sind, ist der Klägerin nicht erst in den letzten drei Jahren vor Einbringung der vorliegenden Klage am 12. 11. 2009 bewusst geworden. Am 11. 6. 2008 brachte sie eine gegen die hier erstbeklagte Partei gerichtete Klage nach § 137 B‑VG beim Verfassungsgerichtshof ein, deren Inhalt sich großteils mit dem Klagsvorbringen in diesem Verfahren deckt. Der Verfassungsgerichtshof wies mit Beschluss vom 19. 6. 2009, GZ A 9/08‑13, die Klage wegen offenbarer Unzuständigkeit zurück.

Am 10. 3. 2008 richtete die Klägerin ein Aufforderungsschreiben an das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie. Die Finanzprokuratur teilte mit Schreiben vom 27. 3. 2008 mit, dass das Aufforderungsschreiben an sie weitergeleitet worden sei, und ersuchte um ergänzende Angaben. Diese übermittelte die Klägerin mit Schreiben vom 9. 5. 2008. Mit Schreiben vom 12. 8. 2008 teilte die Finanzprokuratur mit, dass das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie den auf das AHG gestützten Ersatzanspruch nicht anerkenne.

Am 15. 12. 1989 hatte der damalige Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr die Verlängerung der Piste 11/29 des Flughafens Wien‑Schwechat bewilligt. Nach Inkrafttreten des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes (UVP‑G) 1993, BGBl 1993/697, am 1. 7. 1994 stellten die beklagten Parteien keinen Antrag auf Feststellung einer Umweltverträglichkeitsprüfungspflicht. Da die erstbeklagte Partei die Richtlinie 97/11/EG des Rates vom 3. März 1997 zur Änderung der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten bis zum 14. 3. 1999 nicht in nationales Recht umgesetzt hatte, wies das „Umweltministerium“ alle Behörden mit Rundschreiben vom 15. 3. 1999 an, die Richtlinie bis zu ihrer Transformation unmittelbar anzuwenden. Nach Inkrafttreten des UVP‑G 2000, BGBl I 2000/89, das die Umsetzung der Richtlinie nachholte, am 11. 8. 2000 stellte der Landeshauptmann der zweitbeklagten Partei mit Bescheid vom 21. 8. 2001 fest, dass für den fortgesetzten Ausbau und bestimmte Erweiterungen des Flughafens kein UVP‑Verfahren notwendig sei. In dem für den anhängigen Prozess nach dem Klagsvorbringen relevanten Zeitraum wurde kein UVP‑Verfahren durchgeführt.

Die Klägerin begehrte in der am 12. 11. 2009 eingebrachten Amtshaftungs‑ und Staatshaftungsklage 120.000 EUR sA an Minderung des Werts ihrer Liegenschaft und die Feststellung der Haftung der beklagten Parteien für sämtliche zukünftige, derzeit nicht bekannte Schäden aus dem administrativen und legislativen Unrecht, nämlich Unterlassung einer UVP im Rahmen der Bewilligung des Ausbaus des Flughafens Wien‑Schwechat gemäß dem Masterplan 2015 sowie der mangelnden Umsetzung aller oder auch nur einer der in der Klage genannten Richtlinien und der damit verbundenen Verletzung der gemeinschaftlichen Grundrechte.

Der in den letzten Jahren als Folge der massiven Vergrößerung und Umgestaltung des Flughafens seit 1998 gestiegene Fluglärm habe die Liegenschaft der Klägerin entwertet. Die steigende Lärmbeeinträchtigung lasse eine weitere Entwertung und eine Gesundheitsbeeinträchtigung befürchten. Die Umsetzung des „Masterplans 2015“ erfasse den Ausbau des bestehenden Pistensystems und andere Erweiterungen des Flughafens wie die Errichtung des Multiterminals „Skylink“. Die Zahl der Flugbewegungen sei von 2001 bis 2008 kontinuierlich gestiegen. Die Organe der beklagten Parteien hätten für den Betrieb sowie diese umfangreichen Ausbauten und Erweiterungen zahlreiche Bewilligungen mittels Bescheid erteilt. Für keines dieser Projekte sei ein UVP‑Verfahren durchgeführt worden. Der Klägerin sei in keinem dieser Verfahren Partei‑ oder auch nur Beteiligtenstellung zuerkannt worden, sie habe keinen einzigen Bescheid zugestellt erhalten, sei zu keiner der Verhandlungen geladen oder auch sonst in irgendeiner Weise verständigt oder informiert worden. Bereits 1999 hätten die beklagten Parteien auf Grundlage des damals geltenden UVP‑G 1993 einen Antrag auf Feststellung der UVP‑Pflicht stellen müssen. Sie hätten dies entweder bewusst umgangen oder die durch das zitierte Gesetz geschaffene Rechtsgrundlage aufgrund einer unvertretbaren Rechtsansicht ignoriert und missachtet. Die erstbeklagte Partei hätte die RL 97/11/EG bis zum 14. 3. 1999 in nationales Recht umsetzen müssen, sei diesbezüglich jedoch säumig gewesen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte den beklagten Parteien klar sein müssen, dass die beantragten Projekte erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben könnten und somit eine UVP durchzuführen gewesen wäre.

Am 11. 8. 2000 sei das UVP‑G 2000 in Kraft getreten. Danach seien Änderungen von Flugplätzen mit einer zu erwartenden Erhöhung der Anzahl der Flugbewegungen von mindestens 20.000 vom 11. 8. 2000 bis 31. 12. 2004 UVP‑pflichtig gewesen. Die in diesem Zeitraum fortgesetzte Erteilung von Errichtungs‑ und Benützungsbewilligungen ohne Durchführung eines UVP‑Verfahrens sei grob rechtswidrig gewesen. Die am 1. 1. 2005 in Kraft getretene novellierte Fassung des § 3 UVP‑G 2000 sowie ihres Anhangs habe eine UVP‑Pflicht bei Änderungen von Flugplätzen vorgesehen, wenn dadurch eine Erhöhung der Anzahl der Flugbewegungen um mindestens 15.000 (bis 31. 12. 2005) und 20.000 (ab 1. 4. 2005) jeweils in einem Prognosezeitraum von fünf Jahren zu erwarten gewesen wäre. Diese Schwellenwerte seien in nur vier Jahren um mehr als das Doppelte überschritten worden. Auch deshalb sei die fortgesetzte Erteilung von Errichtungs‑ und Benützungsbewilligungen durch Behörden der beklagten Parteien ohne Durchführung eines UVP‑Verfahrens vom 1. 1. 2005 bis in das Jahr 2008 grob rechtswidrig gewesen. Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie bzw der Landeshauptmann der zweitbeklagten Partei wären in den Jahren 2005 bis 2008 berechtigt und verpflichtet gewesen, aufgrund der ihnen jeweils bekannten Projekte die Feststellung der UVP‑Pflicht zu beantragen und Bescheide, die entgegen den diesbezüglich klaren gesetzlichen Bestimmungen ergangen seien, gemäß § 40 Abs 3 UVP‑G 2000 für nichtig zu erklären. Diese beharrliche Unterlassung der Durchführung eines UVP‑Verfahrens für den immer weiter fortgesetzten Ausbau des Flughafens beruhe auf einer unvertretbaren Rechtsansicht der zuständigen Behörden der beklagten Parteien.

Die massive Ausweitung des Flugbetriebs, die dadurch verursachte Lärmbelästigung, die Entwertung des Grundstücks und die drohende Gesundheitsgefährdung greife unverhältnismäßig in die Rechte der Klägerin nach Art 8 und 13 EMRK sowie Art 1 erstes Zusatzprotokoll zur EMRK ein.

Ihre Ansprüche seien nicht verjährt. Sie habe von den eingetretenen und weiter drohenden Schäden und dem dafür kausalen legislativen bzw administrativen Unrecht der beklagten Parteien frühestens mit dem Schreiben der EU‑Kommission vom 21. 3. 2007 an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten und den damit verbundenen Medienberichten erfahren. Das Schreiben der Kommission habe festgehalten, dass die Republik Österreich offenbar gegen ihre Verpflichtungen aus den genannten UVP‑Richtlinien verstoße, indem für die zahlreichen Ausbauten des Flughafens kein UVP‑Verfahren durchgeführt worden sei. Bei der Berechnung der Verjährungsfrist sei die Dauer des Aufforderungsverfahrens sowie das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof zu berücksichtigen. Ungeachtet dessen würden laufend weitere Schäden eintreten, der Wert des Grundstücks falle mit dem laufenden Anstieg des Flugverkehrs; Gesundheitsschäden seien konkret zu befürchten. Bei Schäden infolge fortgesetzten und wiederholten Verhaltens sei jede einzelne Handlung oder Unterlassung für sich selbst Schadensursache.

Die beklagten Parteien wendeten ein, ihre Organe hätten nicht rechtswidrig, jedenfalls aber vertretbar gehandelt. Das Klagebegehren sei verjährt. Der Klägerin sei der schadens‑ und haftungsrelevante Sachverhalt jedenfalls im Jahr 2005 bekannt gewesen, weshalb die dreijährige für Amtshaftungs‑ und Staatshaftungsansprüche geltende Verjährungsfrist (§ 6 Abs 1 AHG) zum Zeitpunkt der Klagseinbringung bereits abgelaufen gewesen sei. Soweit es einen Teil der geltend gemachten Schäden betreffe, sei die absolute zehnjährige Verjährungsfrist verstrichen. Die Verjährung beginne, sobald die Klägerin aufgrund bekannter Umstände auf das Verschulden irgendeines Organs der beklagten Parteien hätte schließen können. Das von ihr behauptete rechtswidrige Verhalten liege nicht im behaupteten Fluglärm selbst, sondern im 2001 erlassenen Negativbescheid zur UVP‑Pflicht. Schon deshalb liege kein fortgesetztes, rechtswidriges Verhalten der beklagten Parteien vor. Dass die Klägerin erst im Herbst 2006 erfahren habe, dass ihr Begehren rechtlich auch auf eine UVP‑Pflicht gestützt werden könne, habe auf die Verjährung keinen Einfluss. Es handle sich dabei nicht um die Kenntnis eines Ursachenzusammenhangs sondern die einer möglichen rechtlichen Beurteilung. Soweit es die behauptete mangelhafte Umsetzung von Richtlinien betreffe, sei die zweitbeklagte Partei nicht passivlegitimiert.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren wegen Verjährung ab. Der späteste von der Klägerin geltend gemachte Zeitpunkt einer schädigenden Handlung der beklagten Parteien sei der 1. 1. 2005. Dass die Beklagten keine Durchführung einer UVP beabsichtigt hätten, hätte der Klägerin mit Erlassung des Negativbescheids des Landeshauptmanns der zweitbeklagten Partei im Jahr 2001 bewusst sein müssen. Sämtliche EU‑Richtlinien, deren mangelhafte Umsetzung durch die erstbeklagte Partei behauptet werde, seien bis spätestens 25. 6. 2005 umgesetzt worden. Ab diesem Zeitpunkt hätte der Klägerin klar sein müssen, dass keine UVP durchgeführt werden würde. Der zumindest seit der Zeit der Einbringung der Klage gegen die Austro Control anwaltlich vertretenen Klägerin sei die Notwendigkeit behördlicher Genehmigungen für den Ausbau und Betrieb eines Flughafens schon mehr als drei Jahre vor Einbringung der Klage bewusst gewesen. Da sie sich spätestens seit dem Jahr 2000 in Bürgerinitiativen und Vereinen gegen den Ausbau des Flughafens betätigt habe, wäre es ihr zumutbar gewesen, bereits zu einem früheren Zeitpunkt (nämlich dem der Einbringung der Klage gegen die Austro Control) von der Möglichkeit zu wissen, eine Amts- und Staatshaftungsklage einzubringen. Das gelte auch im Fall der behaupteten mangelhaften Umsetzung von EU‑Richtlinien sowie der Unterlassung der Durchführung einer UVP aufgrund verschiedener im Laufe der Jahre auf die Genehmigung des Betriebs und des Ausbaus des Flughafens anzuwendender rechtlicher Bestimmungen. Die Klägerin dürfe im Hinblick auf die Kenntnis der Schadensursache nämlich nicht untätig bleiben, sondern habe alles zu versuchen, den erforderlichen Wissensstand zu gewinnen. Eine fortgesetzte Schädigung liege nicht vor. Dass eine UVP bis heute nicht durchgeführt und die von der Klägerin genannten Richtlinien eventuell mangelhaft umgesetzt worden seien, führe lediglich zu einer Vergrößerung des behaupteten Schadens durch die fortdauernde Einwirkung von Lärm. Der Schaden selbst sei zum Ende der jeweiligen Umsetzungsfrist der Richtlinien und mit Unterlassung der Durchführung einer UVP für die Genehmigung eines weiteren Betriebs oder Ausbaus des Flughafens eingetreten. Das an das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie gerichtete Aufforderungsschreiben könne ein solches an die Finanzprokuratur nicht ersetzen. Die Verjährungsfrist werde daher höchstens für die Dauer von drei Monaten ab dem Einlangen des Schreibens in der Einlaufstelle der Finanzprokuratur gehemmt. Die nur gegen die erstbeklagte Partei beim Verfassungsgerichtshof eingebrachte Klage habe dieser wegen offenbarer Unzuständigkeit zurückgewiesen. Diese Klage gelte als nicht gehörig fortgesetzt, weshalb die Verjährung dadurch nicht unterbrochen und auch nicht gehemmt worden sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge. Es bestätigte mit Teilurteil die Abweisung des Zahlungsbegehrens von 120.000 EUR sA und hob mit Beschluss das angefochtene Urteil im Umfang des Feststellungsbegehrens zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es ließ den Rekurs und die ordentliche Revision zu. Die Durchführung einer UVP und die Ausarbeitung umweltbezogener Pläne dienten nur dem Schutz der Umwelt, nicht aber dem des Vermögens einzelner Personen, wie sich aus den maßgeblichen Richtlinien und den österreichischen Vorschriften zur UVP ergebe. Der geltend gemachte Schaden aus der Wertminderung einer Liegenschaft sei als reiner Vermögensschaden nicht vom Schutzzweck nationaler und unionsrechtlicher Bestimmungen erfasst. Ein durch Art 1 erstes Zusatzprotokoll zur EMRK verbotener entschädigungsloser Wertverlust sei nicht behauptet worden. Zwar könnten Konventionsrechte auch vom Gesetzgeber verletzt werden. Auf diesen Fall sei jedoch Art 13 EMRK, der das Handeln von Verwaltungsbehörden betreffe, nicht anzuwenden.

Das Feststellungsbegehren, das auf die Beeinträchtigungen durch eine mögliche Gesundheitsschädigung gestützt werde, sei nicht verjährt. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 6 Abs 1 AHG, die auch für den erhobenen Staatshaftungsanspruch gelte, beginne in der Regel mit der Kenntnis des ersten Schadenseintritts. Da die zitierte Bestimmung ‑ anders als § 1489 ABGB ‑ für den Verjährungsbeginn die Kenntnis des Schädigers nicht verlange, habe an deren Stelle die Kenntnis der Rechtsverletzung zu treten. Die Verjährung eines Amtshaftungsanspruchs beginne daher erst in dem Zeitpunkt, in dem der Geschädigte ausreichend Gewissheit über ein rechtswidriges und schuldhaftes Organverhalten habe oder wisse, ohne eigene Aktivität seinen Wissensstand nicht mehr erhöhen zu können. Die kurze Verjährung von Ersatzansprüchen beginne aber jedenfalls nicht vor dem tatsächlichen Eintritt des Schadens zu laufen. Die Klägerin befürchte nach der Klagserzählung zwar die Möglichkeit einer künftigen Gesundheitsschädigung, diese sei aber noch nicht eingetreten. Zusätzlich mache sie einen Schaden durch den Eintritt einer Wertminderung ihrer Liegenschaft geltend. Damit sei zu prüfen, ob die geltend gemachte Wertminderung in Bezug auf eine drohende Gesundheitsschädigung einen Primärschaden darstelle, der auch den Lauf der Verjährung für allfällige Gesundheitsschäden in Gang setze. Hier könne keine Rede davon sein, dass sich aus einer einzelnen schädigenden Handlung fortlaufend gleichartige schädliche Folgen entwickelt hätten, die in überschaubarem Zusammenhang stehend schon ursprünglich vorhersehbar gewesen seien. Die geltend gemachte Minderung des Werts und die drohende Schädigung der Gesundheit hätten lediglich gemeinsam, dass sie auf das gleiche Verhalten zurückgeführt werden könnten. Sie seien aber von grundsätzlich unterschiedlicher Beschaffenheit. Es könne aber auch nicht gesagt werden, dass sich eine allenfalls drohende Gesundheitsschädigung aus einer allenfalls bereits eingetretenen Minderung des Werts der Liegenschaft entwickle. Die nicht als ersatzfähig anzuerkennende Wertminderung stelle daher nicht den Primärschaden dar, der den Lauf der Verjährung für drohende Gesundheitsschäden auslöse. Da ein Schaden an der Gesundheit der Klägerin noch nicht eingetreten sei, könne ein allenfalls daraus resultierender Schadenersatz unter Zugrundelegung der kurzen Verjährungsfrist noch nicht verjährt sein. Die Frage, ob ein allfälliger Ersatzanspruch der Klägerin wegen Ablaufs der absoluten zehnjährigen Frist (teilweise) verjährt sei, könne derzeit nicht beurteilt werden, weil der Zeitpunkt des Eintritts des (der) schädigenden Ereignisse(s) nicht feststehe. Das Feststellungsbegehren sei bisher auch nicht ausreichend bestimmt formuliert. Es sei erforderlich, die konkreten Ereignisse zu bezeichnen, aus denen der mögliche Eintritt des zukünftigen Schadens abgeleitet werde.

Den Ausspruch über die Zulässigkeit des Rekurses und der Revision begründete das Berufungsgericht mit fehlender Judikatur des Obersten Gerichtshofs zu den Fragen, ob durch den Eintritt einer nicht ersatzfähigen Minderung des Werts einer Liegenschaft durch Flugbetrieb die Verjährung für allfällig, erst in Zukunft drohende Gesundheitsschäden beginne und ob im Bereich der unionsrechtlichen Staatshaftung der Grundsatz des Schutzzwecks der Norm anzuwenden sei.

Die Klägerin bekämpft mit ihrer Revision die Abweisung des Zahlungsbegehrens, während die beklagten Parteien sich in ihren Rekursen gegen die teilweise Aufhebung des Urteils erster Instanz wenden.

Rechtliche Beurteilung

Sämtliche Rechtsmittel sind zulässig. Nur die Revision der Klägerin ist (mit ihrem Aufhebungsantrag) berechtigt.

A. Ersatz der Wertminderung der Liegenschaft durch Fluglärm:

1. Nach Art 3 der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. L 1985/175, 40) in der durch die Richtlinien 97/11/EG des Rates vom 3. März 1997 (ABl. L 1997/73, 5) und 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 (ABl. L 2003/156, 17) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 85/337 ) identifiziert, beschreibt und bewertet die Umweltverträglichkeitsprüfung in geeigneter Weise nach Maßgabe jedes Einzelfalls gemäß den Artikeln 4 bis 11 die unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen eines Projekts auf folgende Faktoren:

‑ Mensch, Fauna und Flora,

‑ Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft,

‑ Sachgüter und kulturelles Erbe,

‑ die Wechselwirkung zwischen den unter dem ersten, dem zweiten und dem dritten Gedankenstrich genannten Faktoren.

Mit ganz ähnlichen Worten definiert § 1 Abs 1 Z 1 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVP‑G) [1993], BGBl 1993/697, das von 1. 7. 1994 bis 10. 8. 2000 in Kraft war, als eine Aufgabe der Umweltverträglichkeitsprüfung (im Folgenden auch: UVP) die Feststellung, Beschreibung und Bewertung der unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen, die ein Vorhaben auf a) Menschen, Tiere und Pflanzen, b) Boden, Wasser, Luft und Klima, c) Biotope und Ökosysteme, d) Landschaft und e) Sach‑ und Kulturgüter hat oder haben kann, wobei Wechselwirkungen mehrerer Auswirkungen untereinander miteinzubeziehen sind. Das UVP‑G 2000, BGBl I 2000/89, änderte diese Bestimmung ab 11. 8. 2000 geringfügig. So erfasst die Aufzählung in lit a bis d seither Folgendes: a) Menschen, Tiere, Pflanzen und deren Lebensräume, b) Boden, Wasser, Luft und Klima, c) Landschaft und d) Sach‑ und Kulturgüter.

Mit Beschluss vom 21. Juli 2011 (1 Ob 17/11y) legte der Oberste Gerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art 267 AEUV die Fragen vor, ob Art 3 der Richtlinie 85/337 dahin auszulegen sei, dass 1) der Begriff „Sachgüter“ nur deren Substanz oder auch deren Wert erfasse, und 2) die UVP auch dem Schutz des Einzelnen vor dem Eintritt eines Vermögensschadens durch Minderung des Werts seiner Liegenschaft diene.

Der EuGH antwortete mit Urteil vom 14. 3. 2013, C‑420/11, Leth, wie folgt:

Art. 3 der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten in der durch die Richtlinien 97/11/EG des Rates vom 3. März 1997 und 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung nach diesem Artikel die Bewertung der Auswirkungen des fraglichen Projekts auf den Wert von Sachgütern nicht einschließt. Vermögensschäden sind aber vom Schutzzweck dieser Richtlinie umfasst, soweit sie unmittelbare wirtschaftliche Folgen der Auswirkungen eines öffentlichen oder privaten Projekts auf die Umwelt sind.

Nach dem Unionsrecht und unbeschadet weniger einschränkender nationaler Rechtsvorschriften im Bereich der Haftung des Staats verleiht das Unterlassen einer Umweltverträglichkeitsprüfung unter Verletzung der Anforderung an diese Richtlinie als solches einem Einzelnen grundsätzlich keinen Anspruch auf Ersatz eines reinen Vermögensschadens, der durch die von Umweltauswirkungen des Projekts verursachte Minderung des Werts seiner Liegenschaft entstanden ist. Es ist jedoch Sache des nationalen Gerichts zu prüfen, ob die Anforderungen des Unionsrechts, die für den Entschädigungsanspruch gelten, unter anderem das Vorliegen eines unmittelbaren Kausalzusammenhangs zwischen dem behaupteten Verstoß und den erlittenen Schäden, erfüllt sind.

Aus der Begründung ist hervorzuheben:

29. Folglich sind nur diejenigen Auswirkungen auf Sachgüter zu berücksichtigen, die ihrer Natur nach auch Folgen für die Umwelt haben können. ...

35. Unter Umständen, unter denen eine Lärmexposition als Folge eines Projekts im Sinn von Art. 4 der Richtlinie 85/337 erhebliche Auswirkungen auf den Menschen insoweit hat, als sich ein von diesem Lärm betroffenes Haus, das zu Wohnzwecken genutzt wird, hierdurch für seine Funktion weniger eignet und als die Umweltbedingungen des Menschen, seine Lebensqualität und möglicherweise seine Gesundheit betroffen sind, kann eine Minderung des Vermögenswerts dieses Hauses nämlich eine unmittelbare wirtschaftliche Folge solcher Auswirkungen auf die Umwelt sein, was im Einzelfall zu prüfen ist.

40. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass das Unionsrecht Einzelnen für Schäden, die durch Verstöße gegen das Unionsrecht entstehen, unter bestimmten Bedingungen einen Ersatzanspruch verleiht. ...

41. Hierzu hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass die Geschädigten einen Entschädigungsanspruch haben, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind: Die unionsrechtliche Norm, gegen die verstoßen worden ist, bezweckt die Verleihung von Rechten an die Geschädigten, der Verstoß gegen diese Norm ist hinreichend qualifiziert, und zwischen diesem Verstoß und dem den Geschädigten entstandenen Schaden besteht ein unmittelbarer Kausalzusammenhang (...).

44. In den Randnr. 32 und 36 des vorliegenden Urteils wurde insoweit bereits festgestellt, dass die Richtlinie 85/337 den betroffenen Einzelnen einen Anspruch darauf verleiht, dass die zuständigen Stellen des betreffenden Mitgliedstaats die Umweltauswirkungen des fraglichen Projekts bewerten und dass Vermögensschäden vom Schutzzweck dieser Richtlinie umfasst sind, soweit sie unmittelbare wirtschaftliche Folgen von Auswirkungen eines öffentlichen oder privaten Projekts auf die Umwelt sind.

45. Wie jedoch in Randnr. 41 des vorliegenden Urteils angeführt wurde, stellt neben der Überprüfung, dass der Verstoß gegen die unionsrechtliche Norm hinreichend qualifiziert ist, das Vorliegen eines unmittelbaren Kausalzusammenhangs zwischen dem fraglichen Verstoß und den von den Einzelnen erlittenen Schäden eine unerlässliche Voraussetzung für den Entschädigungsanspruch dar, wobei es ebenfalls dem nationalen Gericht obliegt, entsprechend den vom Gerichtshof entwickelten Leitlinien zu überprüfen, ob dieser Kausalzusammenhang vorliegt.

46. Dabei ist die Natur der verletzten Norm zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall schreibt diese eine Umweltverträglichkeitsprüfung bei einem öffentlichen oder privaten Projekt vor, enthält aber keine materiell‑rechtlichen Vorschriften über eine Abwägung von Umweltauswirkungen mit anderen Faktoren und untersagt auch nicht die Durchführung von Projekten, die nachteilige Umweltauswirkungen haben können. Diese Merkmale deuten darauf hin, dass der Verstoß gegen Art. 3 dieser Richtlinie, nämlich das Unterlassen der nach diesem Artikel vorgeschriebenen Umweltverträglichkeitsprüfung, als solches grundsätzlich nicht die Ursache für die Wertminderung einer Liegenschaft ist.

2. Im Sinn der Entscheidung des EuGH setzt ein (nur gegen die Republik Österreich [Bund = Erstbeklagte] zu richtender) Staatshaftungsanspruch der Klägerin auf Ersatz der Wertminderung voraus, dass 1. diese Folge der Einschränkung der Benutzbarkeit ihres Hauses durch Fluglärm mit negativen Auswirkungen auf Lebensqualität oder Gesundheit der Bewohner wäre, 2. die Erstbeklagte qualifiziert rechtswidrig keine UVP veranlasst oder durchgeführt hätte und 3. der Eintritt der Wertminderung unmittelbare Folge dieser Unterlassung wäre.

Ob die ersten beiden Voraussetzungen vorliegen, muss nicht geprüft werden. Ein auf die Verletzung der Richtlinie 85/337 (Unionsrecht) gestützter Staatshaftungs-anspruch der Klägerin scheitert nämlich jedenfalls daran, dass die dritte Voraussetzung nicht verwirklicht ist. Nach den Behauptungen der Klägerin ist unmittelbare Ursache für die Entwertung ihrer Liegenschaft der seit Jahren ständig ansteigende Fluglärm. Die Richtlinie selbst verbietet die Bewilligung eines Projekts mit nachteiligen Folgen für die Umwelt nicht. Ihr Art 2 Nr 1 verpflichtet die Mitgliedstaaten nur, erforderliche Maßnahmen zu treffen, damit zur Erteilung der Genehmigung die Projekte, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer Genehmigungspflicht unterworfen und einer Prüfung in Bezug auf ihre Auswirkungen unterzogen werden. Art 3 der Richtlinie definiert Zweck und Aufgabe einer UVP, regelt aber nicht die Folgen für das Projekt, wenn eine derartige Prüfung nachteilige Auswirkungen auf die in der Bestimmung genannten Schutzgüter hat.

3. Damit ist aber die Frage nicht beantwortet, ob die Klägerin ihren Schadenersatzanspruch auf Ausgleich der Wertminderung nicht auf die allenfalls für sie günstigeren Bestimmungen des österreichischen Rechts stützen kann (vgl EuGH 14. 3. 2013, C‑420/11, Leth, Rn 42).

Nach § 1 Abs 1 AHG haften unter anderem der Bund und die Länder nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts bei rechtswidrigem und schuldhaftem Verhalten ihrer Organe für Vermögens‑ und Personenschäden. Auch im Amtshaftungsrecht muss der Schutzzweck der verletzten Norm (Rechtswidrigkeitszusammenhang) geprüft werden (vgl RIS‑Justiz RS0050038).

In Österreich wurde die Richtlinie 85/337/EWG durch das UVP‑G 1993 umgesetzt; die Umsetzung ihrer Änderungen durch die Richtlinien 97/11/EG und 2003/35/EG erfolgte durch das UVP‑G 2000, BGBl I 2000/89, und das UVP‑G 2004, BGBl I 2004/153 (Ennöckl/Raschauer UVP‑G² § 1 Rz 9; siehe § 1 Abs 2 UVP‑G 2000 und 2004). Die Definition der Aufgabe der UVP in § 1 Abs 1 Z 1 der österreichischen UVP‑Gesetze entspricht nahezu wörtlich den unionsrechtlichen Vorgaben des Art 3 der genannten Richtlinien. Die Frage nach dem Schutzzweck der zitierten nationalen Rechtsvorschrift ist nach den Kriterien zu beantworten, die der EuGH in seinem Urteil über das in diesem Verfahren gestellte Vorabentscheidungsverfahren dargelegt hat. Nach diesen kann auch der von der Klägerin hier behauptete Vermögensschaden unter bestimmten Voraussetzungen vom Schutzzweck der Richtlinie 85/337 erfasst sein (Rn 35: Lärmexposition als Folge eines Projekts im Sinn dieser Richtlinie mit erheblichen Auswirkungen auf die Benutzbarkeit eines bewohnten Hauses). Anders als das Unionsrecht (vgl EuGH Rn 46) sehen die österreichischen UVP‑Gesetze aber Möglichkeiten vor, Projekten mit nach dem Ergebnis der UVP zu befürchtenden nachteiligen Auswirkungen auf die Umwelt die Genehmigung zu versagen (§ 17 Abs 2 bis 4 UVP‑G 1993; § 17 Abs 2 bis 5 UVP‑G 2000) oder eine bereits erteilte Genehmigung innerhalb von einer Frist von drei Jahren als nichtig zu erklären (vgl § 3 Abs 6 iVm § 40 Abs 3 UVP‑G 2000).

Im vorliegenden Fall stützt die Klägerin ihre Ansprüche darauf, dass das Projekt „Ausbau des Flughafens Wien-Schwechat“ bei Durchführung der ihrer Auffassung nach zwingend vorgeschriebenen UVP nicht bewilligt worden oder Bewilligungen nachträglich als nichtig zu beseitigen gewesen wären, womit ein Ansteigen des (unerträglichen) Fluglärms verbunden mit einer Minderung des Verkehrswerts ihrer Liegenschaft zu verhindern gewesen wäre. Das Vorliegen von Rechtswidrigkeitszusammenhang und Kausalität ist aufgrund ihres (allerdings noch ergänzungsbedürftigen) Vorbringens nach nationalem Recht nicht von vornherein zu verneinen. Die Berechtigung ihres Schadenersatzanspruchs kann aber im derzeitigen Verfahrensstadium nicht abschließend beurteilt werden. Bisher ist völlig offen, welche einzelnen Projekte nach der österreichischen Gesetzeslage einer UVP zu unterziehen gewesen wären und ohne diese bewilligt wurden, ob und in welchem Ausmaß allenfalls gesetzwidrig erteilte Bewilligungen zu einer gesteigerten, die Lebensqualität und/oder die Gesundheit der Bewohner beeinträchtigenden Belästigung durch Fluglärm und zur Entwertung der Liegenschaft der Klägerin führten. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht die Klägerin zunächst aufzufordern haben, ihr Vorbringen zu konkretisieren. Dies ist auch für die in weiterer Folge noch erörterte Frage der Verjährung sowie die Frage der Berechtigung des Feststellungsbegehrens in Ansehung künftiger Gesundheitsschäden von Bedeutung.

Eine formelle Enteignung, das heißt den Entzug des Eigentums in einem formellen Enteignungsverfahren im Sinne des Art 1 Abs 1 Satz 2 des 1. ZP zur EMRK (Peukert in Frowein/Peukert, EMRK³ Art 1 des 1. ZP Rz 21) behauptete die Klägerin nicht. Materielle oder „de‑facto“ Enteignungen, das sind Eigentumsbeschränkungen, die den Eigentümer wirtschaftlich ebenso wie eine formelle Enteignung beeinträchtigen (darunter Entzug des Eigentums), sind zwar nach Art 1 des 1. ZP erheblich (Peukert aaO Rz 22). Die von der Klägerin in diesem Verfahren geltend gemachte Wertminderung der Liegenschaft im Ausmaß von 20 % wirkt sich für den Eigentümer nicht wie eine entschädigungslose formelle Enteignung aus.

B. Verjährung:

Nach § 6 Abs 1 erster Satz AHG verjähren Ersatzansprüche in drei Jahren nach Ablauf des Tages, an dem der Schaden dem Geschädigten bekannt geworden ist, keinesfalls aber vor einem Jahr nach Rechtskraft einer rechtsverletzenden Entscheidung oder Verfügung. Ist dem Geschädigten der Schaden nicht bekannt geworden oder ist der Schaden aus einem Verbrechen, also einer gerichtlich strafbaren Handlung, die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, entstanden, so verjährt der Ersatzanspruch erst nach zehn Jahren nach Entstehung des Schadens (Satz 2 leg cit). Die dreijährige Verjährungsfrist wird nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung (Nachweise bei Schragel, AHG³ Rz 223) erst dann in Gang gesetzt, wenn dem Geschädigten neben der Kenntnis des Schadens der gesamte seinen Anspruch begründende Sachverhalt soweit bekannt ist oder in zumutbarer Weise bekannt sein muss, dass er eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erheben kann. Der Geschädigte darf aber nicht untätig bleiben. Mit dem Wissen (oder Wissenmüssen), nun selbst aktiv werden zu müssen, weil weitere Klarheit nicht mehr zu gewinnen ist, beginnt die Verjährungsfrist für einen Amtshaftungsanspruch jedenfalls zu laufen (1 Ob 70/07m = RIS‑Justiz RS0034512; vgl RS0034327). § 6 AHG ist analog auf Staatshaftungsansprüche anzuwenden (1 Ob 286/03w = RIS‑Justiz RS0119433).

Die Klägerin weiß zwar nach den Feststellungen (zumindest) seit dem Jahr 2000 von negativen Folgen des Fluglärms für die Gesundheit und seit 22. 2. 2005 von der Entwertung ihrer Liegenschaft. Sie behauptet aber nicht, aufgrund eines einzigen schädigenden Verhaltens der beklagten Parteien einen (unverändert gebliebenen) Vermögensschaden erlitten zu haben oder vom Eintritt weiterer Schäden bedroht zu sein. Sie wirft den beklagten Parteien vielmehr vor, diese hätten mehrere Projekte im Zusammenhang mit dem Ausbau des Flughafens Wien‑Schwechat ohne Durchführung einer gesetzlich vorgeschriebenen UVP bewilligt oder rechtskräftige Genehmigungsbescheide nicht als nichtig aufgehoben. Die beklagten Parteien setzen den Beginn für den Lauf der Verjährungsfrist spätestens mit der Erlassung des Bescheids des Landeshauptmanns der zweitbeklagten Partei am 21. 8. 2001 an, der feststellte, dass für die Erweiterung des Flughafens kein UVP‑Verfahren notwendig sei. Diesem Argument ist insbesondere die von der Klägerin geltend gemachte Änderung der Gesetzeslage durch Novellen des UVP‑Gesetzes 2000 entgegenzuhalten, aus deren geänderten Vorgaben sie (zusätzlich) eine Verpflichtung der beklagten Rechtsträger zur Durchführung oder Veranlassung eines UVP‑Verfahrens ableitet. Schadensverursachend soll daher nicht die Unterlassung eines einzigen derartigen Verfahrens gewesen sein, sondern insbesondere eine (zumindest nach den Behauptungen der Klägerin) bis ins Jahr 2008 anhaltende Bewilligung mehrerer einzelner Projekte. In einem solchen Fall wiederholter schädigender Handlungen, die jeweils den Tatbestand einer neuen Rechtsverletzung erfüllen und für sich Schadensursache sind, beginnt mit jeder Schädigung eine gesonderte Verjährungsfrist in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem sie dem Geschädigten zur Kenntnis gelangt (stRsp RIS‑Justiz RS0034536; vgl RS0050355; 1 Ob 41, 42/94 = JBl 1996, 315 [Riedler]; 1 Ob 11/07k).

Entscheidend für den Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist ist damit, ab welchem Zeitpunkt die Klägerin, die nach ihrem Vorbringen nie von Einleitung und Ergebnis der Verfahren über die Genehmigung einzelner Projekte informiert worden sei, vom Erlassen eines jeweiligen Genehmigungsbescheids ohne zugrundeliegende UVP‑Prüfung und dessen Auswirkungen auf eine Steigerung der Flugbewegungen erfahren hat oder sich auf zumutbare Weise (im Sinne der dargestellten Rechtsprechung) Informationen zu diesen Themen verschaffen hätte können. Für den Beginn der absoluten zehnjährigen Frist käme es hingegen nur auf den Zeitpunkt des Schadenseintritts als Folge des jeweiligen rechtsverletzenden Verhaltens der beklagten Parteien an.

In welchem Ausmaß der Leistungs‑ und Feststellungsanspruch aus dem Titel Wertminderung verjährt ist, kann anhand der bisherigen Verfahrensergebnisse nicht abschließend beurteilt werden. Es wäre denkbar, dass ein Teil der geltend gemachten Wertminderung als mittelbare Folge eines Bewilligungsbescheids eingetreten wäre, von dessen Vorliegen und Auswirkungen auf die steigende Lärmbelästigung die Klägerin beispielsweise bereits vier oder fünf Jahre vor Einbringung ihrer Klage im November 2009 erfahren hätte (können). Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht die Klägerin daher aufzufordern haben, zu konkretisieren, welche Rechtsverletzung zur Minderung des Verkehrswerts ihrer Liegenschaft beigetragen haben sollte.

Bei Beurteilung der kurzen und langen Verjährungsfristen wird im fortgesetzten Verfahren zu berücksichtigen sein, dass ihre Hemmung durch das Aufforderungsverfahren (§ 6 Abs 1 letzter Satz AHG) nur im Verhältnis zur erstbeklagten Partei eintreten kann, weil nur diese ein Aufforderungsschreiben erhielt. Wie schon das Erstgericht zutreffend ausführte, wurde die Verjährung durch die Klage gegen die erstbeklagte Partei beim Verfassungsgerichtshof nicht im Sinne des § 1497 ABGB unterbrochen. Der Verfassungsgerichtshof (A 9/08) wies die Klage mit der Begründung zurück, dass es sich nach dem Klagsvorbringen um Fehlleistungen von Verwaltungsbehörden und nicht des Gesetzgebers handle und deshalb die Amtshaftungsgerichte zuständig seien. Wird eine Klage bei einem unzuständigem Zivilgericht eingebracht und zurückgewiesen, bewirkt ihre Einbringung nur im Fall der (mangels gesetzlicher Grundlage im Verhältnis zwischen den Gerichtshöfen öffentlichen Rechts und den Zivilgerichten ohnehin ausgeschlossenen) Überweisung an das zuständige Zivilgericht eine Unterbrechung der Verjährungsfrist (vgl M. Bydlinski in Rummel³ § 1497 ABGB Rz 6).

Zwar hat der Oberste Gerichtshof zu im Ausland eingebrachten Klagen, bei denen eine Überweisung an das zuständige Gericht nach der ZPO nicht möglich ist, mehrfach ausgesprochen, dass ihnen dessen ungeachtet Unterbrechungswirkung zukommt, wenn die Neueinklagung im Inland unverzüglich nach der Zurückweisung erfolgt (10 Ob 113/07a = SZ 2008/30; RIS‑Justiz RS0123216). Selbst wenn man diese Rechtsprechung auf Klagen beim Verfassungsgerichtshof ausdehnt, liegt hier die weiters verlangte Voraussetzung der Unterbrechungswirkung, dass nämlich bei einem „nicht offenbar unzuständigen“ Gericht geklagt wurde, schon nach der Begründung dieses Gerichtshofs (A 9/08 mwN; Zurückweisung der Klage wegen „offenbarer“ Unzuständigkeit) gerade nicht vor. Nach Art 137 B‑VG können beim Verfassungsgerichtshof nur vermögensrechtliche Ansprüche (ua gegen den Bund) geltend gemacht werden, die nicht vor die ordentlichen Gerichte gehören. Gerade das ist aber bei Schadenersatzansprüchen wegen unterlassener (hoheitlicher) Verwaltungsmaßnahmen (vgl nur RIS‑Justiz RS0105567; RS0113871; RS0113716 [T1]; RS0105566; RS0053005; RS0049772) nach § 9 Abs 1 iVm § 1 Abs 1 AHG der Fall.

Nach der in ständiger Rechtsprechung vertretenen „gemäßigten Einheitstheorie“ beginnt die dreijährige Verjährungsfrist auch für künftige vorhersehbare Teil‑(folge‑)Schäden mit dem Eintritt des ersten Schadens (Primärschadens) zu laufen (Nachweise bei Dehn in KBB³ § 1489 Rz 4). Zur Verjährung des Begehrens auf Feststellung der Haftung der beklagten Parteien für zukünftige Gesundheitsschäden hat schon das Berufungsgericht zutreffend (§ 510 Abs 3 iVm § 528a ZPO) dargelegt, dass eine künftige Gesundheitsbeeinträchtigung durch Fluglärm (Personenschaden) kein Folgeschaden einer bereits eingetretenen Wertminderung der lärmexponierten Liegenschaft der Klägerin (Vermögensschaden) ist. Primärschäden und Folgeschäden im Sinn der gemäßigten Einheitstheorie sind solche Schäden, die gemeinsam haben, dass sie Folge einer Rechtsgutverletzung sind (vgl 1 Ob 41, 42/94), wie beispielsweise Schmerzengeld (Primärschaden) und künftiger Verdienstentgang als Folge einer Körperverletzung. Zu Recht hat das Berufungsgericht daher eine Verjährung ausgeschlossen, soweit noch nicht eingetretene, zukünftige Gesundheitsschäden betroffen sind, und das Urteil des Erstgerichts im Umfang des Feststellungsbegehrens (erkennbar nur in Ansehung der Personen- und nicht der Vermögensschäden) aufgehoben.

Das Verfahren ist aus diesen Erwägungen in nahezu allen entscheidungswesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig, weshalb die Rechtssache an das Erstgericht zurückzuverweisen ist.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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