OGH 13Os11/13m

OGH13Os11/13m16.5.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Mai 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wancata als Schriftführer in der Strafsache gegen Adnan S***** und Ibragim V***** wegen Verbrechen der schweren Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 7. Dezember 2012, GZ 91 Hv 106/12t-23, und deren Beschwerden gegen den unter einem gefassten Beschluss auf Widerruf bedingter Strafnachsichten und die Beschwerde des Ibragim V***** gegen den unter einem gefassten Beschluss auf Verlängerung einer Probezeit nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der dem Schuldspruch zugrundeliegenden Tat auch unter „§ 145 Abs 1 erster Fall StGB“ und demgemäß im Strafausspruch ebenso wie der Beschluss auf Widerruf bedingter Strafnachsichten und jener auf Verlängerung einer Probezeit aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Im Übrigen werden die Nichtigkeitsbeschwerden zurückgewiesen.

Mit ihren Berufungen und Beschwerden werden die Angeklagten auf die aufhebende Entscheidung verwiesen.

Ihnen fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Adnan S***** und Ibragim V***** jeweils des Verbrechens der schweren Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 (zu ergänzen: Z 1) erster Fall StGB schuldig erkannt.

Nach dem Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) haben sie am 6. Oktober 2012 in Wien gemeinsam (§ 12 StGB) Soliman J***** und Patrick G***** „durch die Ankündigung, sie haben Adnan S***** 15.000 Euro zu bezahlen, wenn sie kein Geld haben, dann haben sie monatlich 1.200 Euro, beginnend am 1. November 2012, zu zahlen, bis die genannten 15.000 Euro ausbezahlt sind, widrigenfalls werde Adnan S***** ihnen alle Knochen brechen, bis sie tot sind, er werde sie überall finden, er wisse, dass der Onkel von Patrick Youseff G***** zwei Pizzerien hat, beide Lokale werde er kaputt machen, wenn sie nicht bezahlen, wobei Ibragim V***** Patrick Youseff G***** zur Bekräftigung der Drohung mit der Faust ins Gesicht schlug, wodurch dieser an der Oberlippe blutete, und Fotos mit seinem Mobiltelefon von den beiden Männern machte und ein Mitarbeiter des Adnan S*****, 'Hamzat Go*****', dem Soliman Abraam Shaker J***** ein Messer an den Oberschenkel anhielt und Patrick Youseff G***** seine Telefonnummer an Adnan S***** übergeben musste, sohin mit Gewalt und durch gefährliche Drohung zu einer Handlung, die diese oder einen anderen am Vermögen geschädigt hätte, nämlich zur Übergabe von 15.000 Euro zu nötigen versucht, wobei sie mit dem Vorsatz handelten, sich durch das Verhalten der Genötigten unrechtmäßig zu bereichern“.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von den Angeklagten jeweils aus Z 5 und 10, von Ibragim V***** zudem aus Z 5a des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerden sind - entsprechend der Äußerung der Generalprokuratur - teils berechtigt:

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Adnan S*****:

Entgegen dem Einwand von Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall), weil dem Urteil nicht klar zu entnehmen sei, „ob mit der geplanten Erzwingung der Übergabe des Geldbetrags eine unrechtmäßige Bereicherung angestrebt wurde oder ob ein bestehender oder vermeintlicher Anspruch mit Gewalt und Drohung durchgesetzt werden sollte“, haben die Tatrichter eindeutig (wenn auch teils disloziert im Rahmen der Beweiswürdigung) festgestellt, dass die Angeklagten das Ziel verfolgten, Patrick G***** und Soliman J***** als Kompensation für den Wegfall der Einnahmen aus der Arbeit zweier Prostituierter ungerechtfertigt Geld abzunötigen, um sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern (US 6 f).

Ausgehend von diesen Feststellungen zur fehlenden Berechtigung einer Forderung der Angeklagten gegenüber den Opfern geht die Behauptung eines Widerspruchs (Z 5 dritter Fall) der Entscheidungsgründe, in welchen von „Kompensation für den Verlust der Prostituierten“ (US 6) und von der Forderung „einer überkompensierenden Entschädigung“ die Rede ist, von vornherein ins Leere.

Gleiches gilt für die Kritik offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zur angestrebten unrechtmäßigen Bereicherung, weil die Rüge auch diesbezüglich mit einem - vom Erstgericht verneinten - zumindest vermeintlich berechtigten Kompensationsanspruch der Angeklagten argumentiert.

In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Im Recht ist jedoch die Subsumtionsrüge (nominell auch Z 5, der Sache nach Z 10), die einen Rechtsfehler mangels Feststellungen aufzeigt:

Die Beurteilung der Ernstlichkeit einer sich dem Wortlaut nach als Drohung manifestierenden Äußerung, einschließlich der diese begleitenden Gesten und Handlungen, wie auch ihres Sinns und Bedeutungsgehalts fällt ausschließlich in den Tatsachenbereich. Die rechtliche Annahme einer gefährlichen Drohung (hier mit dem Tod) setzt demzufolge zunächst die in freier Beweiswürdigung zu treffende Tatsachenfeststellung voraus, dass der vom Drohenden gewollte Sinn seiner Äußerung darin lag, beim Bedrohten den Eindruck einer ernst gemeinten Ankündigung der bevorstehenden Rechtsgutbeeinträchtigung zu erwecken (vgl Jerabek in WK2 StGB § 74 Rz 34).

Nach den Feststellungen erklärte Adnan S***** dem Patrick G*****, er müsse, wenn er von ihm Ruhe haben wolle, 15.000 Euro bezahlen, sonst werde er die Restaurants seines Vaters „kaputt machen“, wobei Ibragim V***** dieser Drohung durch einen Faustschlag ins Gesicht dieses Opfers, der eine blutende Oberlippe nach sich zog, Nachdruck verlieh. Weiters habe Adnan S***** die Ernsthaftigkeit seiner Drohung dadurch verdeutlicht, dass er Patrick G***** klar gemacht hat, dass er ihn überall finden werde, auch wenn dieser „nach Ägypten ginge“. Ferner habe „Hamzat Go*****“ dem Soliman J***** ein Messer an den Oberschenkel angehalten und mit der Klinge mehrmals gegen dessen Schienbein geklopft, um ihm glaubhaft zu machen, dass diese Drohung ernst gemeint ist (US 6).

Die Rüge macht zutreffend geltend, dass Konstatierungen zu einem Bedeutungsinhalt als Drohung mit dem Tod fehlen.

Demzufolge mangelt es an der für die Unterstellung der Tat unter § 145 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB erforderlichen Tatsachengrundlage, was zur Aufhebung des Urteils hinsichtlich dieser Qualifikation und im Adnan S***** betreffenden Strafausspruch führte, bereits bei der nichtöffentlichen Beratung führte (§ 285e StPO). Bleibt anzumerken, dass die bloße Anführung der eine Qualifikation betreffenden Tatumstände im Urteilsspruch (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) fehlende Feststellungen nicht zu ersetzen vermag (RIS-Justiz RS0117119, RS0114639).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Ibragim V*****:

Indem die Mängelrüge Feststellungen als unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall) kritisiert, weil der Schöffensenat der leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers zufolge des von ihm gewonnenen persönlichen Eindrucks und seiner Weigerung, Angaben zur Person des „Hamzat Go*****“ zu machen, Glaubwürdigkeit absprach, bekämpft sie die als kritisch-psychologischer Vorgang der Anfechtung aus Z 5 entzogene Beweiswürdigung (RIS-Justiz RS0106588, RS0099419, RS0098390) und übergeht zudem, dass die Konstatierungen auf die für glaubwürdig befundenen, übereinstimmenden Aussagen der beiden Opfer gestützt wurden (US 7, 9; RIS-Justiz RS0119370).

Dem weiteren Einwand (Z 5 zweiter Fall) zuwider haben sich die Tatrichter hinsichtlich der Feststellung des Patrick G***** versetzten Faustschlags und der daraus resultierenden Verletzung mit den Aussagen der Zeugen Daniel B*****, Mirena L***** und Patrick G***** auseinandergesetzt (US 9) und ohnedies dargelegt, weshalb sie den Angaben des Daniel B***** zu seiner diesbezüglich fehlenden Wahrnehmung ebenso wenig Bedeutung beigemessen haben wie der Aussage der Mirena L***** zu einem behaupteten Drogenhandel der Opfer im Lokal des Adnan S***** und eines über sie verhängten „Lokalverbots“ (US 9).

Der Hinweis, dass Soliman J***** eine Verletzung des Patrick G***** nicht wahrgenommen hat, wendet sich nicht gegen die Feststellung einer entscheidenden Tatsache.

Dem weiteren Beschwerdestandpunkt zuwider waren die Tatrichter dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend schon deshalb nicht verhalten, auf einen (ersten) Amtsvermerk der Polizeiinspektion vom 7. Oktober 2012, in welchem die Anwendung körperlicher Gewalt und die Patrick G***** zugefügte Verletzung unerwähnt blieben, einzugehen (Z 5 zweiter Fall), weil danach eine „sprachliche Barriere“ bestand, weshalb (zunächst) von einer Vernehmung der Opfer Abstand genommen wurde (ON 2 S 31 f).

Der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5a StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen - wie sie die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld im Einzelrichterverfahren einräumt - wird dadurch nicht eröffnet (RIS-Justiz RS0119583).

Mit dem Verweis auf die Aussagen der Zeugen Daniel B***** und Mirena L***** sowie auf den Amtsvermerk der Polizeiinspektion vom 7. Oktober 2012 und durch die Wiederholung von bereits in der Mängelrüge erhobenen Einwände werden keine derartigen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen erweckt.

Gleiches gilt für die - auf der vom Erstgericht als Schutzbehauptung erkannten Verantwortung des Adnan S***** beruhenden - Spekulationen zu einem seinerzeitigen Drogenverkauf des Patrick G***** im Lokal des Angeklagten Adnan S***** und die seit dem Ausscheiden der Nicoletta T***** aus dem Bordellbetrieb bis zur Tat „merkwürdigerweise“ verstrichene Zeit.

In diesem Umfang war auch die Nichtigkeitsbeschwerde des Ibragim V***** bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Die Subsumtionsrüge (Z 10) zeigt hingegen ebenso wie jene des Adnan S***** zutreffend einen Rechtsfehler mangels Feststellungen in Betreff des für die Annahme der Qualifikation nach § 145 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB erforderlichen Tatsachensubstrats auf, der die teilweise Aufhebung des Urteils bereits bei der nichtöffentlichen Sitzung erforderlich machte (§ 285e StPO).

Mit ihren Berufungen und Beschwerden (§ 498 Abs 3 StPO) waren die Angeklagten auf die aufhebende Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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