OGH 4Ob246/12y

OGH4Ob246/12y19.3.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** S*****, vertreten durch Preslmayr Rechtsanwälte OG in Wien, wider die beklagte Partei Mag. J***** S*****, vertreten durch Dr. Werner Paulinz, Rechtsanwalt in Korneuburg, wegen 10.000 EUR sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Berufungsgericht vom 21. August 2012, GZ 21 R 172/12k‑16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Korneuburg vom 4. April 2012, GZ 4 C 50/12z‑10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0040OB00246.12Y.0319.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 744,43 EUR (darin 124,07 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger beauftragte den beklagten Vermögensberater mit der Vermittlung von Privatkrediten an vom Beklagten ausgewählte Schuldner in der Gesamthöhe von 10.000 EUR mit einer Laufzeit von fünf Jahren und einer Verzinsung von 6 % jährlich. Die Streitteile sprachen weder über das Risiko eines Zahlungsausfalls, noch darüber, von wem der Kläger nach Ende der Kreditlaufzeit das Geld erhalten werde. Eine Garantie für die Rückzahlung gab der Beklagte nicht ab. In der Folge überwies der Kläger das Geld an den Beklagten, der ihm zwei inländische Kreditnehmer als seine Vertragspartner bekanntgab; in diesem Schreiben wurde der Kläger als Kreditgeber bezeichnet. Nach Ablauf von fünf Jahren forderte der Kläger die Rückzahlung von 10.000 EUR sA vom Beklagten. Danach brachte er Mahnklagen gegen die beiden Kreditnehmer ein und erwirkte Zahlungsbefehle gegen sie, die zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz noch nicht rechtskräftig waren. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Schuldner die Zahlung einer Titularschuld verweigern werden oder dass eine Exekutionsführung erfolglos sein wird.

Der Kläger begehrt 10.000 EUR sA. Der Beklagte habe ein Garantieversprechen abgegeben und den Treuhandvertrag bzw nebenvertragliche Schutz‑ und Sorgfaltspflichten verletzt, weil er Kreditnehmer mit unzureichender Bonität ausgewählt habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Kläger habe (noch) keinen Schaden erlitten. Ein solcher läge erst dann vor, falls seine Forderungen uneinbringlich sein sollten. Eine Garantie sei nicht bewiesen worden.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach ‑ auf Antrag des Klägers gemäß § 508 Abs 1 ZPO ‑ aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil „man aus einigen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs schließen könne, dass doch ein Schaden eingetreten sei“. Es teilte die Beurteilung des Erstgerichts, ein Schaden liege nicht bereits darin, dass der Kläger anstelle des Bargelds Forderungsrechte erworben habe, deren Einbringlichkeit risikobehaftet sei, weil dies nicht aus einem schädigenden Ereignis resultiere.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig. Entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ab.

1. Eine Schadenersatzpflicht besteht nur dann, wenn dem Geschädigten bereits ein konkreter Schaden entstanden ist. Die bloße theoretische Möglichkeit eines künftigen Schadenseintritts reicht hiezu nicht aus (RIS‑Justiz RS0022464 [T1]). Die bloße Möglichkeit eines Schadenseintritts kann lediglich ein Feststellungsinteresse begründen, mangels nachgewiesenen Schadens jedoch ein Zahlungsbegehren nicht rechtfertigen (RIS‑Justiz RS0022464 [T6]).

2. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Schaden entstanden ist, sind zwei Vermögenslagen miteinander zu vergleichen: Die wirkliche, die durch das in Frage stehende schädigende Ereignis eingetreten ist, und die, welche ohne dieses Ereignis bestand ‑ eine gedachte hypothetische Lage. Ist die wirkliche Vermögenslage gegenüber der gedachten zum Nachteil des Betroffenen, dann liegt ein Schaden im Rechtssinn vor (RIS‑Justiz RS0022477).

3. Der weite Schadensbegriff des ABGB umfasst jeden Zustand, der rechtlich als Nachteil aufzufassen ist (RIS‑Justiz RS0022537 [T5]). Nachteil am Vermögen ist jede Minderung im Vermögen, der kein volles Äquivalent gegenübersteht (RIS‑Justiz RS0022537 [T2]).

4. Der Schaden (die Vermögensminderung) tritt nicht erst mit der endgültigen Uneinbringlichkeit einer Rückersatzforderung ein, sondern schon mit der (durch den Schadenersatzpflichtigen veranlassten) Leistung, wenn der zur Rückzahlung Verpflichtete nicht bereit beziehungsweise nicht in der Lage ist, seiner Verpflichtung nachzukommen (RIS‑Justiz RS0022602 [T7]; vgl auch RS0022663).

5.1. Von diesen Grundsätzen höchstgerichtlicher Rechtsprechung ist das Berufungsgericht nicht abgewichen.

5.2. Ein dem Beklagten allenfalls zuzurechnender Schaden kann nach dem festgestellten Sachverhalt nur darin bestehen, dass der Kläger durch einen Beratungs‑ und/oder einen (der Beratung nachfolgenden) Verhaltensfehler des Beklagten (infolge Auswahl ungeeigneter Vertragspartner für den Kläger) keine durchsetzbaren Forderungsrechte gegenüber seinen Vertragspartnern erworben hätte. Dass solches der Fall wäre, steht aber im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz gerade nicht fest.

5.3. Zutreffend ist zwar, dass die unmittelbare Verfügung über einen präsenten Bargeldbetrag einer gleich hohen Geldforderung nicht gleichgehalten werden kann, weil erstere mit dem Risiko der Einbringlichkeit beziehungsweise der Rechtsverfolgung belastet ist (RIS‑Justiz RS0022537 [T3]). Der Revisionswerber übersieht aber bei seiner Argumentation, dass die „Umwandlung“ des dem Beklagten zur Veranlagung übergebenen Bargeldbetrags in Kreditforderungen seinem Willen und der vertraglichen Vereinbarung entsprochen hat, womit die wirkliche Lage des Klägers (er ist nunmehr Gläubiger von Darlehensforderungen) der von ihm angestrebten entspricht. Von einem vom Beklagten verursachten Schaden kann daher insoweit keine Rede sein.

5.4. Ein Schaden könnte dann eintreten, wenn eine der vom Kläger erworbenen Darlehensforderungen ‑ entgegen seinen Vorstellungen und des Vertragsinhalts ‑ nicht werthaltig sein sollte, also deren Einbringlichkeit nicht oder nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand sichergestellt ist. Solches konnte der Kläger aber gerade nicht unter Beweis stellen. Allein der Umstand, dass die (im Inland wohnhaften) Darlehensschuldner ihre Forderungen nicht vor Rechtskraft eines gegen sie ergangenen Titels gezahlt haben, lässt noch nicht den Schluss zu, dass die Forderungen im Exekutionsweg uneinbringlich sein werden.

5.5. Ein Schaden des Klägers liegt auch nicht darin, dass er die Darlehensbeträge zum Fälligkeitstag nicht erhalten hat. Der Beklagte hat hierfür nämlich nach den Feststellungen keine Garantie abgegeben oder eine persönliche Haftung für die Auszahlung der Darlehen zum Fälligkeitszeitpunkt übernommen, sondern hat sich auf die Vermittlung von Kreditverträgen zwischen dem Kläger und Kreditnehmern beschränkt.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO. Da der Beklagte in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente sein Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.

Stichworte