OGH 9ObA156/12z

OGH9ObA156/12z21.2.2013

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter KR Mag. Paul Kunsky und Mag. Manuela Majeranowski als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei *****, vertreten durch Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei *****, vertreten durch Binder Grösswang Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Leistung von Pensionskassenbeiträgen, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. Oktober 2012, GZ 9 Ra 109/12h-25, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 4. Juni 2012, GZ 33 Cga 67/11f-21, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die Beantwortung der Frage, ob und inwieweit die Parteien einen Vertragsabschluss von der Einhaltung einer bestimmten Form abhängig gemacht haben, stellt stets eine Einzelfallbeurteilung dar, die regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO bildet (RIS-Justiz RS0042936 [T19]). Ob auch eine andere Auslegung der Erklärungen der Parteien vertretbar wäre, ist hier nicht zu prüfen (s RIS-Justiz RS0042776; RS0042936; RS0112106 ua). Die einzelfallbezogene Beurteilung rechtsgeschäftlicher Erklärungen rechtfertigt eine Anrufung des Obersten Gerichtshofs nur dann, wenn aus Gründen der Rechtssicherheit die Korrektur einer unhaltbaren, durch die Missachtung fundamentaler Auslegungsregeln zustande gekommenen Entscheidung geboten ist (RIS-Justiz RS0042776 [T22]).

Haben die Parteien für einen Vertrag die Anwendung einer bestimmten Form vorbehalten, so wird vermutet, dass sie vor Erfüllung dieser Form nicht gebunden sein wollen (§ 884 ABGB). Nach ständiger Rechtsprechung können die Parteien vom Formvorbehalt zwar nicht einseitig, wohl aber einverständlich abgehen, und zwar auch ohne Einhaltung der Schriftform und nicht nur ausdrücklich, sondern auch konkludent (RIS-Justiz RS0038673; RS0014378; zuletzt etwa 7 Ob 69/11i). Die Beweislast zur Widerlegung der Vermutung, dass die Parteien vor Erfüllung der Form nicht gebunden sein wollten, trifft dabei denjenigen, der das Gegenteil behauptet (RIS-Justiz RS0017283). Diese Grundsätze wurden von den Vorinstanzen beachtet.

2. Die Beklagte meint, es liege keine klare Rechtsprechung zur Frage vor, ob für das formlose Abgehen von einer Formvereinbarung ein entsprechendes Erklärungsbewusstsein der Vertragsparteien erforderlich sei. Dies sei nach ihrer Ansicht - mit der sie Wilhelm, Vom Abgehen von der gewillkürten Form, ecolex 2012, 1037, folgt - zu bejahen.

Demgegenüber wurde erst in der Entscheidung 5 Ob 134/09f ausgesprochen, dass die Entkräftung der Auslegungsregel durch Nachweis gegenteiligen Parteiwillens erfolgt, wofür unter Berufung auf Rummel in Rummel ABGB3, § 884 Rz 2 und mehrere frühere Entscheidungen ausdrücklich auf den Nachweis eines vorliegenden Bindungswillens abgestellt wurde. Zur dogmatischen Begründung hat Rummel bereits in JBl 1980, 236 (Probleme der gewillkürten Schriftform) auch auf die Möglichkeit einer Lückenschließung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung hingewiesen: Die Parteien würden bei Abschluss der Formvereinbarung in der Regel nicht den Fall bedenken, dass sie eine spätere Vereinbarung verbindlich meinen, ohne an den Formvorbehalt zu denken; die Formvereinbarung sei im Sinne der Vertragsgültigkeit trotz Nichteinhaltung der Form zu ergänzen (ihm folgend Apathy/Riedler in Schwimann 3 ABGB § 884 Rz 2). Das bedeutet aber, dass bereits durch den vom übereinstimmenden Willen beider Vertragspartner getragenen und von beiden Vertragspartnern als bindend erachteten Abschluss einer bestimmten Abrede die Abkehr vom Schriftformgebot vollzogen sein kann.

3. Die von der Beklagten herangezogene Entscheidung 7 Ob 35/08k steht dazu nicht im Widerspruch, weil in jenem Fall die per Handschlag verpflichtete Partei bereits der Ansicht war, keinen rechtsgeschäftlichen Bindungswillen zur streitgegenständlichen Vereinbarung gehabt zu haben. In einem solchen Fall kommt der Einhaltung der vereinbarten Schriftform besondere Bedeutung zu. Im vorliegenden Fall wurde dagegen festgestellt, dass der (alleinvertretungsbefugte) ***** der Beklagten auf die Frage des Klägers nach der begehrten Pensionszusage antwortete: „Ja, das bekommst du!“. Weiters wurde explizit festgestellt, dass der ***** mit dieser Erklärung die Beklagte binden wollte und dass er die schriftliche Vereinbarung nicht als Wirksamkeitsvoraussetzung ansah, wobei er von einer nachfolgenden schriftlichen Ausfertigung ausging. Nach den Feststellungen fasste der Kläger die Erklärung des ***** auch als bindende Zusage auf, die Beklagte zu verpflichten, sein Pauschalgehalt pensionswirksam werden zu lassen. Die Vorinstanzen haben daher zu Recht nicht am Bindungswillen der Beklagten gezweifelt.

4. Anderes ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung, dass das Verhalten der Vertragsteile mit Überlegung aller Umstände des Falls nur den Schluss zulassen darf, die Parteien hätten für die fragliche Abrede auf diese Form verzichten wollen (5 Ob 37/06m). Dafür kann nur maßgeblich sein, wie ein objektives Verhalten unter Berücksichtigung der im Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche vom Vertragspartner zu verstehen ist (vgl RIS-Justiz RS0014165). Im vorliegenden Fall konnte aber die von beiden Seiten gewollte und verbindlich gemeinte Zusage vom Kläger nur so verstanden werden, dass die Wirksamkeit der Vereinbarung ungeachtet des Formvorbehalts von keiner weiteren Niederschrift mehr abhängen sollte. Beide Seiten haben sie auch nicht anders verstanden. Dass die Vereinbarung zu Dokumentationszwecken schriftlich ausgefertigt werden sollte, bestreitet der Kläger nicht. Dies geht aber über eine bloß deklarative Wirkung nicht hinaus.

5. Soweit die Beklagte in der Revision den mit der Formabrede angestrebten Zweck anspricht, so soll dieser zufolge ihrem erstinstanzlichen Vorbringen (ON 10 S 9) darin liegen, angesichts des komplexen Dienstrechts der Beklagten übereilte, unvollständige oder gar sinnwidrige Abmachungen zu verhindern, deren Tragweite auch der ***** vermutlich nicht genau beurteilen hätte können.

Nach der Rechtsprechung kann eine Inanspruchnahmeerklärung wirksam sein, obwohl die vereinbarte Form nicht eingehalten wurde, wenn dies mit dem Zweck der Formabrede vereinbar ist (RIS-Justiz RS0033006; vgl auch Kalss in Kletecka/Schauer, ABGB-ON § 884 Rz 4 mwN). Dass die Zusage der Beklagten übereilt gewesen und mit ihr der Formzweck verfehlt worden wäre, ist im vorliegenden Fall aber nicht ersichtlich. Festgestellt wurde vielmehr, dass sich der ***** bereits 1999 mit dem Wunsch des Klägers nach der Pensionszusage grundsätzlich einverstanden erklärt hatte und deshalb den Leiter der Administration, die auch die Personalabteilung umfasste, recherchieren ließ, was die Pensionswirksamkeit des Pauschalgehalts für den Kläger und die Beklagte in Zahlen bedeuten würde. Dies wurde dem ***** vor seiner Zusage auch mitgeteilt. Eine Übervorteilung der Beklagten geht daraus nicht hervor.

6. Auf die Ausführungen der Revision zur Rechtsprechung, dass es den Grundsätzen des redlichen Verkehrs widerspricht, wenn ein Vertragsteil dem anderen mündlich bestimmte Zusagen macht und sich hinterher auf eine damit im Widerspruch stehende Klausel der schriftlichen Urkunde beruft (RIS-Justiz RS0014378 [T9]), muss danach nicht mehr eingegangen werden. Andere Einwendungen wurden im Revisionsverfahren nicht erhoben.

Da es der Revision sohin insgesamt nicht gelingt, eine erhebliche Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen, ist sie zurückzuweisen.

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