OGH 5Ob37/06m

OGH5Ob37/06m7.3.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch, Dr. Kalivoda, Dr. Höllwerth und Dr. Grohmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Valentin H*****, vertreten durch Ochsenhofer & Heindl, Rechtsanwälte OEG in Oberwart, gegen die beklagte Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Erwin Fidler, Rechtsanwalt in Hartberg, wegen 42.156 Euro sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 29. November 2005, GZ 5 R 146/05p-25, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1.1. Die Beklagte führt zur Zulässigkeit ihrer außerordentlichen Revision aus, das Berufungsgericht sei von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Abgehen vom Formerfordernis der Schriftlichkeit abgewichen. Dieser Judikatur sei gemein, dass von einer einmal getroffenen Schriftformvereinbarung nur im Einvernehmen (auch konkludent) abgegangen werden könne; derartiges sei bei der gegebenen Sachverhaltskonstellation nicht denkbar, weil die festgestellte mündliche Zusatzvereinbarung zeitlich vor der Schriftformvereinbarung erfolgt sei.

1.2. Die Beklagte vermag zum Formvorbehalt in Punkt VIII (4) des Kaufvertrags vom 19. 7. 2004 schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage geltend zu machen, weil sie in erster Instanz kein Prozessvorbringen erstattet hat, wonach der Kaufvertrag überhaupt einen solchen Formvorbehalt enthält (vgl 6 Ob 1606/95). Die erstmals in der Berufung darauf gestützte Rechtsrüge beruht auf einer unzulässigen und damit unbeachtlichen Neuerung.

1.3. Es entspricht überdies stRsp, dass die Vertragsparteien vom Formvorbehalt zwar nicht einseitig, wohl aber einverständlich abgehen können, und zwar auch ohne Einhaltung der Schriftform und nicht nur ausdrücklich, sondern auch konkludent (RIS-Justiz RS0038673, RS0014378); dies gilt - offenbar entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht nur für eine nachträgliche Vereinbarung, sondern auch für vorausgehende und gleichzeitige Nebenabreden (9 ObA 30/93; vgl RS0014378 [insbesondere T3]) und selbst für den Fall, dass die Parteien - wie hier - die Schriftform auch für das Abgehen vom Erfordernis der Schriftlichkeit vereinbart haben (7 Ob 101/74 = MietSlg 26.063) und ein solches Abgehen nicht ausdrücklich, sondern stillschweigend erfolgt, sofern nur das Verhalten der Vertragsteile mit Überlegung aller Umstände des Falls den Schluss zulässt, die Parteien hätten für die fragliche Abrede auf diese Form verzichten wollen (8 Ob 661/90 = WoBl 1991/42, 54 = MietSlg 42.054).

1.4. Die Beurteilung, ob die Parteien eine vertragliche Vereinbarung von der Einhaltung einer bestimmten Form abhängig machten, hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab, sodass sie regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iS des § 502 Abs 1 ZPO bildet (9 Ob 19/02p = MietSlg 54.099; 8 Ob 42/00k). Nach den erstgerichtlichen Feststellungen haben die Streitteile die fragliche Vereinbarung über den Ersatz der Aufschließungskosten für Wasser und Kanal durch die Beklagte ausdrücklich getroffen und diese hat auch noch nach Abschluss des - den Formvorbehalt enthaltenden Kaufvertrags - nach Rechnungslegung durch den Kläger Zahlung telefonisch und schriftlich angekündigt (Ersturteil S 5). Wenn das Berufungsgericht bei dieser Sachlage von einer wirksamen Vereinbarung über die Tragung der Aufschließungskosten für Wasser und Kanal durch die Beklagte ausging, so liegt keine mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur Bedeutung des (schlüssigen) Erklärungsverhaltens von Vertragsparteien im Widerspruch stehende Beurteilung der Sache vor, was eine Korrektur dieser Rechtsansicht durch den Obersten Gerichtshof ausschließt.

2.1. Die Beklagte macht - inhaltlich als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens - geltend, das Berufungsgericht habe sich einerseits mit ihrer Beweisrüge nicht ausreichend auseinander gesetzt und andererseits den Regeln gedanklicher Logik widersprechende Erwägungen angestellt.

2.2. Die Beklagte erkennt selbst, dass das Berufungsgericht nach stRsp nicht verpflichtet ist, sich im Rahmen der Überprüfung der vom Erstgericht getroffenen Sachverhaltsfeststellungen mit jedem einzelnen Beweisergebnis bzw mit jedem einzelnen Argument des Berufungswerbers auseinanderzusetzen (RIS-Justiz RS0043162). Mit der Frage, ob die Aufschließungskosten für Wasser und Kanal zur Zeit der mündlichen Kostentragungsvereinbarung bereits abschätzbaren waren, hat sich das Erstgericht in seiner Beweiswürdigung ausführlich beschäftigt (Ersturteil S 9 f) und das Berufungsgericht hat diese Argumente für berechtigt erkannt. Wenn das Berufungsgericht auf diese Tatfrage nicht mehr im Detail eingeht, begründet dies noch keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens.

2.3. Die Beklagte hält es für denkunmöglich, dass in einer zeitlich vorgelagerten Vereinbarung von einem noch gar nicht unterfertigten Kaufvertrag „abgewichen" wird; damit versucht die Beklagte den von den Vorinstanzen gewählten Begriff „Abweichung" (gemeint: der [früheren] mündlichen Vereinbarung vom [späteren] Kaufvertrag) lediglich auf seine zeitliche Komponente zu reduzieren, während damit - offenkundig - verdeutlicht werden sollte, dass die mündliche Kostentragungsvereinbarung inhaltlich (!) nicht mit der entsprechend Regelung im Kaufvertrag übereinstimmt.

Da die behaupteten Mängel des Berufungsverfahrens nicht vorliegen und die Beklagte keine Rechtsfragen iS des § 502 Abs 1 ZPO geltend macht, ist deren Revision unzulässig und zurückzuweisen.

Stichworte