Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahingehend abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die Klägerin ist schuldig, der Zweitnebenintervenientin die mit 1.963,80 EUR (darin 327,30 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Klägerin begehrt die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle Schäden, Folgen und Nachteile aus der Kreditvergabe vom 11. 1. 2006. Sie habe mit einem bei der Beklagten aufgenommenen Kredit eine fremdfinanzierte Rentenversicherung abgeschlossen. Die Kreditvaluta habe sie als Einmalerlag in eine Rentenversicherung der U***** AG investiert, die sofort monatliche Raten ausgeschüttet habe. Von diesen seien einerseits der Tilgungsträger sowie eine Lebensversicherung bei der Zweitnebenintervenientin und andererseits die Kreditraten bedient worden. Im Sommer 2009 sei die Beklagte für die Zukunft von einer beträchtlichen Deckungslücke ausgegangen. Mittlerweile müsse die Klägerin damit rechnen, dass sich das Finanzkonstrukt schon von vornherein zu ihren Lasten nicht habe ausgehen können. Die Beklagte hafte für ihre vermittelnden Erfüllungsgehilfen und auch für eigenes Verschulden, weil sie die Risikobereitschaft und Fähigkeit der Klägerin nie geprüft habe, mit der Klägerin nie in Kontakt getreten sei und auch kein Kundenprofil erstellt habe.
Die Beklagte bestreitet das Klagsvorbringen; sie sei bloßer Kreditgeber. Jedenfalls treffe die Klägerin ein Mitverschulden, weil sie Risikohinweise nicht beachtet habe. Bereits in der Klagebeantwortung verkündete die Beklagte mehreren Gesellschaften den Streit.
Die Zweitnebenintervenientin erklärte, dem Verfahren als Nebenintervenientin beizutreten. Ihr rechtliches Interesse bestehe darin, dass die Beklagte angekündigt habe, sich für den Fall des Unterliegens in diesem Verfahren bei ihr regressieren zu wollen.
Die Klägerin sprach sich gegen die Zulassung der Zweitnebenintervenientin aus.
Das Erstgericht ließ die Zweitnebenintervenientin zu. Der Rechtsstreit berühre deren Sphäre, weil die Beklagte mit Regressansprüchen drohe.
Das Rekursgericht wies die Nebenintervention zurück und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. In der Sache selbst führte das Rekursgericht aus, die Zweitnebenintervenientin habe kein konkretes Bestreitungsinteresse dargetan. Weder sie noch die Beklagte hätten ein Vorbringen erstattet, aus dem Regressansprüche der Beklagten gegenüber der Zweitnebenintervenientin abgeleitet werden könnten.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs der Zweitnebenintervenientin ist zulässig; er ist auch berechtigt.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0035724) hat ein Nebenintervenient ein rechtliches Interesse am Beitritt zu einem Verfahren dann, wenn die dort ergehende Entscheidung unmittelbar oder mittelbar auf seine privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Verhältnisse rechtlich günstig oder ungünstig einwirken wird. Das rechtliche Interesse muss dabei ein in der Rechtsordnung gegründetes und von ihr gebilligtes Interesse sein, das über das bloß wirtschaftliche Interesse hinausgeht. Das Interesse an einer bestimmten Beweislage oder an der Lösung von Rechtsfragen in einem Musterprozess berührt nur wirtschaftliche Interessen und rechtfertigt eine Nebenintervention nicht (3 Ob 73/10x; RIS-Justiz RS0035565).
2. Bei Beurteilung der Zulässigkeit einer Nebenintervention ist aber kein strenger Maßstab anzulegen. Es genügt, dass der Rechtsstreit die Rechtssphäre des Nebenintervenienten berührt (RIS-Justiz RS0035638). Im Allgemeinen ist ein rechtliches Interesse gegeben, wenn durch das Obsiegen der Hauptpartei die Rechtslage des Nebenintervenienten verbessert oder durch deren Unterliegen verschlechtert wird (RIS-Justiz RS0035734 [T3]). Das ist etwa dann der Fall, wenn dem Nebenintervenienten in einem Folgeprozess Regressansprüche als Folge des Prozessverlusts der Partei im Hauptprozess drohen (5 Ob 67/10d; RIS-Justiz RS0106173 [T2]).
3. Diese in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vermögen die vom Rekursgericht vorgenommene Zurückweisung der Intervention der Zweitnebenintervenientin nicht zu tragen: Die denkbaren rechtlichen Schritte in einem drohenden Regressprozess sind vom Nebenintervenienten nicht im Einzelnen konkret darzustellen. Vielmehr reicht es aus, wenn der Nebenintervenient einen zu befürchtenden Rückgriff plausibel darstellen kann. Eine detaillierte Vorwegprüfung möglicher Regressansprüche im Streit um die Zulässigkeit des Beitritts als Nebenintervenient hat demgegenüber nicht zu erfolgen. Die Beklagte hat im vorliegenden Fall ausdrücklich angekündigt, sich bei der Erstnebenintervenientin im Fall ihres Unterliegens regressieren zu wollen (vgl 6 Ob 140/12z zu einer vergleichbaren Fallkonstellation).
Damit kann der Zweitnebenintervenientin aber ein rechtliches Interesse am Beitritt nicht abgesprochen werden. Schon die Gefahr der künftigen Inanspruchnahme im Wege eines Regressprozesses bildet ein ausreichendes rechtliches Interesse für den Beitritt als Nebenintervenient. Im Hinblick auf die ausdrückliche Ankündigung der Beklagten muss die Zweitnebenintervenientin jedenfalls mit der ernsthaftigen Möglichkeit ihrer künftigen Inanspruchnahme rechnen. Hingegen kann von einem Beitretenden nicht erwartet werden, dass er in seinem Beitrittsschriftsatz auch die rechtlichen Grundlagen für die Geltendmachung von Regressansprüchen gegen ihn substanziiert darlegt. Es genügt die ernsthafte Möglichkeit, dass solche Ansprüche erhoben werden. Daran kann im Hinblick auf die diesbezügliche Ankündigung der Beklagten kein Zweifel bestehen (vgl neuerlich 6 Ob 140/12z und jüngst zu einem praktisch identen Sachverhalt 7 Ob 203/12x).
4. Damit erweist sich der Revisionsrekurs aber als berechtigt; die Entscheidung des Erstgerichts war wiederherzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Für den Revisionsrekurs steht ein Einheitssatz nach § 23 RATG lediglich von 50 % zu; nach TP 3 GGG wäre eine Pauschalgebühr nicht zu entrichten gewesen.
Die Rekursbeantwortung wurde bereits vom Rekursgericht als verspätet zurückgewiesen.
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