OGH 7Ob203/12x

OGH7Ob203/12x23.1.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. R***** P*****, vertreten durch Plankel Mayrhofer & Partner, Rechtsanwälten in Dornbirn, gegen die beklagte Partei A***** AG, *****, vertreten durch Dr. Günther Klepp und andere, Rechtsanwälte in Linz, und die Nebenintervenienten 1. S***** Ltd, *****, vertreten durch Mag. Dr. Meinhard Novak, Rechtsanwalt in Wien, und 2. I***** AG, *****, vertreten durch Brandl & Talos Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung, über den Revisionsrekurs der Erstnebenintervenientin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 8. Oktober 2012, GZ 4 R 173/12g-14, womit der Beschluss des Landesgerichts Linz vom 24. August 2012, GZ 38 Cg 45/12y-10, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss des Rekursgerichts wird dahingehend abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der Erstnebenintervenientin binnen 14 Tagen die mit 1.635,30 EUR (darin enthalten 272,55 EUR an USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens und die mit 1.963,80 EUR (darin enthalten 327,80 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle Schäden, Folgen und Nachteile aus der Kreditvergabe vom 11. 1. 2006. Sie habe mit einem bei der Beklagten aufgenommenen Kredit eine fremdfinanzierte Rentenversicherung abgeschlossen. Die Kreditvaluta habe sie als Einmalerlag in eine Rentenversicherung der U***** AG investiert, die sofort monatliche Raten ausgeschüttet habe. Von diesen seien einerseits der Tilgungsträger und eine Lebensversicherung bei der Erstnebenintervenientin, andererseits die Kreditraten bedient worden. Im Sommer 2009 sei die Beklagte für die Zukunft von einer beträchtlichen Deckungslücke ausgegangen. Mittlerweile müsse die Klägerin damit rechnen, dass sich das Finanzkonstrukt schon von vornherein zu ihren Lasten nicht habe ausgehen können. Die Beklagte hafte für ihre vermittelnden Erfüllungsgehilfen und auch für eigenes Verschulden, weil sie die Risikobereitschaft und Fähigkeit der Klägerin nie geprüft habe, mit der Klägerin nicht in Kontakt getreten sei und auch kein Kundenprofil erstellt habe.

Die Beklagte bestreitet das Klagsvorbringen. Sie sei bloß Kreditgeberin. Die Klägerin treffe auch ein Mitverschulden, weil sie Risikohinweise nicht beachtet habe. Unter anderem verkündete sie der Erstnebenintervenientin den Streit.

Diese erklärte, dem Verfahren als Nebenintervenientin beizutreten. Ihr rechtliches Interesse bestehe darin, dass die Beklagte angekündigt habe, sich an ihr für den Fall des Unterliegens regressieren zu wollen, wenn sich herausstellen sollte, dass der Tilgungsträger von vornherein zur Kredittilgung ungeeignet gewesen sei oder die mit dem Tilgungsträger verbundenen Risiken von ihr nicht oder nicht ausreichend transparent gemacht worden seien.

Die Klägerin sprach sich gegen die Zulassung der Erstnebenintervenientin aus.

Das Erstgericht ließ den Beitritt der Erstnebenintervenientin zu. Der Rechtsstreit berühre die Sphäre der Erstnebenintervenientin. Die Beklagte drohe damit, bei Unterliegen gegen die Erstnebenintervenientin Regressansprüche geltend zu machen.

Das Rekursgericht änderte diesen Beschluss ab und gab dem Antrag auf Zurückweisung der Nebenintervention statt. Die Erstnebenintervenientin habe kein konkretes Bestreitungsinteresse dargetan. Weder die Beklagte noch die Erstnebenintervenientin hätten ein Vorbringen erstattet, aus dem Regressansprüche der Beklagten gegenüber der Erstnebenintervenientin abgeleitet werden könnten. Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig; die rechtliche Beurteilung folge der herrschenden Rechtsprechung.

Rechtliche Beurteilung

1.1 Ein rechtliches Interesse hat der Nebenintervenient dann, wenn die Entscheidung unmittelbar oder mittelbar auf seine privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Verhältnisse rechtlich günstig oder ungünstig einwirkt. Das rechtliche Interesse muss allerdings ein in der Rechtsordnung gegründetes und von ihr gebilligtes Interesse sein, das über das bloß wirtschaftliche Interesse hinausgeht (RIS-Justiz RS0035724).

1.2 Bei der Beurteilung, ob die Nebenintervention zulässig ist, ist kein strenger Maßstab anzulegen. Es genügt, dass der Rechtsstreit die Rechtssphäre des Nebenintervenienten berührt (RIS-Justiz RS0035638). Im Allgemeinen wird ein rechtliches Interesse dann gegeben sein, wenn durch das Obsiegen der Hauptpartei die Rechtslage des Dritten verbessert oder durch deren Unterliegen verschlechtert wird (RIS-Justiz RS0035724 [T3]).

1.3 Dies ist nach der Rechtsprechung dann der Fall, wenn dem Dritten in einem Folgeprozess Regressansprüche als Folge des Prozessverlusts der Partei im Hauptprozess drohen (5 Ob 67/10d; RIS-Justiz RS0106173 [T2]). Das bloße Interesse an einer bestimmten Beweislage und an der Lösung von Rechtsfragen in einem Musterprozess berührt demgegenüber nur wirtschaftliche Interessen und rechtfertigt daher nicht eine Nebenintervention (3 Ob 73/10x; RIS-Justiz RS0035565).

2.1 Nach diesem Grundsatz kann der Auffassung des Rekursgerichts nicht beigetreten werden. Die Erstnebenintervenientin hat einen zu befürchtenden Rückgriff ausreichend plausibel dargestellt. Nach ihrem Vorbringen besteht die auf § 896 ABGB gegründete Möglichkeit ihrer Inanspruchnahme als Mitschädigerin (§ 1302 ABGB) durch die Beklagte. Einen solchen Rückgriff hat die Beklagte im vorliegenden Fall auch ausdrücklich angekündigt. Im Hinblick darauf muss die Erstnebenintervenientin mit der ernsthaften Möglichkeit eines künftigen Rückgriffs rechnen.

3. Der Revisionsrekurs ist daher berechtigt, sodass die zutreffende Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen war.

4. Die Entscheidung über die Kosten des Rekurs- und Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Es handelt sich um einen Zwischenstreit zwischen dem Beitretenden und der die Zulässigkeit des Beitritts bestreitenden Klägerin (Fucik in Rechberger, ZPO³ § 18 Rz 3 mwN; Schubert in Fasching/Konecny² § 18 ZPO Rz 9 mwN). Im Rekursverfahren beträgt der Ansatz nach TP 3B 907,30 EUR. Im Revisionsrekursverfahrens gebührt nur der einfache Einheitssatz, Gerichtsgebühren fallen nicht an.

Stichworte