OGH 8Ob1/13z

OGH8Ob1/13z24.1.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.

Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Pflegschaftssache der 1) mj C*****‑M***** Z*****, geboren am *****, und 2) mj C***** Z*****, geboren am *****, beide wohnhaft bei ihrer Mutter S***** Z*****, vertreten durch Mag. Christian Schweinzer, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen Unterhalt, über die Revisionsrekurse sowohl der Kinder als auch des Vaters M***** B*****, vertreten durch Dr. Thomas Pittner, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 17. Oktober 2012, GZ 23 R 438/12b‑197, berichtigt durch den Beschluss vom 14. November 2012 (ON 199), mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Purkersdorf vom 8. September 2012, GZ 1 PU 124/09v‑184, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Den Revisionsrekursen wird nicht Folge gegeben.

Begründung

C*****‑M***** und C***** sind die unehelichen Kinder von S***** Z***** und M***** B*****. Mit der Obsorge ist die Mutter alleine betraut. Der Vater war bis Ende 2007 berufstätig. Seither ist er aufgrund einer psychischen Erkrankung arbeitsunfähig und bezieht (ab 1. 11. 2007) eine Berufsunfähigkeitspension. Im Februar 2008 erhielt er eine gesetzliche Abfertigung von 10.986,72 EUR; zudem erhielt er eine freiwillige Abfertigung von 4.500 EUR. Aufgrund gerichtlicher Beschlüsse betrug die Unterhaltsverpflichtung des Vaters im Zeitraum 25. 10. 2007 bis 31. 1. 2008 250 EUR für C*****‑M***** und 202 EUR für C***** sowie im Zeitraum 1. 2. 2008 bis 31. 7. 2008 277 EUR für C*****‑M***** und 229 EUR für C*****; Grund für die Erhöhung war vor allem der Bezug der Abfertigungen. Im Zeitraum vom 15. 5. 2008 bis 30. 6. 2008 befanden sich beide Kinder in einem Krisenzentrum, danach bis 22. oder 23. 12. 2008 in einer betreuten Wohngemeinschaft. Am 4. 8. 2008 schloss der Jugendwohlfahrtsträger mit dem Vater eine Vereinbarung, mit der sich der Vater für den Zeitraum vom 1. 8. 2008 bis 31. 12. 2008 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 191 EUR für C*****‑M***** und 157 EUR für C***** verpflichtete.

Der Vater steht wegen seiner psychischen Probleme in Behandlung eines Wahlarztes. Er verfügt über Ersparnisse, die er teilweise zur Abdeckung der Arzt- und Behandlungskosten aufwendet. Zum Teil werden diese Kosten auch von seinen Eltern getragen. Er verfügt über eine private Krankenversicherung, aus der er sich Krankenhaus‑Taggeld ausbezahlen lässt. Der für den Vater einschreitende Rechtsanwalt wurde zu seinem Sachwalter bestellt.

Im vorliegenden Verfahren beantragten die Kinder die Erhöhung der Unterhaltsbeiträge ab 25. 10. 2007 auf 350 EUR für C*****‑M***** und 300 EUR für C*****. Der Vater beantragte die Herabsetzung der Unterhaltsbeiträge, und zwar auf 74 EUR vom 1. 1. 2009 bis 31. 12. 2009, auf 67 EUR vom 1. 1. 2010 bis 31. 12. 2010 und auf 72 EUR ab 1. 1. 2011 für C*****‑M***** bzw auf 61 EUR vom 1. 1. 2009 bis 31. 12. 2009, auf 55 EUR vom 1. 1. 2010 bis 31. 12. 2010 und auf 59 EUR ab 1. 1. 2011 für C*****.

Das Erstgericht wies die Erhöhungsanträge der Kinder für den Zeitraum vom 25. 10. 2007 bis 31. 7. 2008 mangels wesentlicher Änderung der Verhältnisse ab. Die Erhöhungsanträge für den Zeitraum vom 1. 8. 2008 bis 31. 12. 2008 wies es mangels Sachlegitimation der Kinder wegen Übergang der Unterhaltsansprüche auf den Jugendwohlfahrtsträger gemäß § 34 JWG „zurück“. Für den Zeitraum ab 1. 1. 2009 verpflichtete das Erstgericht den Vater zu folgenden Unterhaltsbeiträgen:

a) Für C*****‑M*****:

281 EUR vom 1. 1. 2009 bis 31. 12. 2009

193 EUR vom 1. 1. 2010 bis 31. 12. 2010

187 EUR vom 1. 1. 2011 bis 30. 9. 2011

237 EUR vom 1. 10. 2011 bis 31. 12. 2011

224 EUR vom 1. 1. 2012 bis 31. 3. 2012 und

249 EUR ab 1. 4. 2012;

b) für C*****:

231 EUR vom 1. 1. 2009 bis 31. 12. 2009

159 EUR vom 1. 1. 2010 bis 31. 12. 2010

155 EUR vom 1. 1. 2011 bis 30. 9. 2011

199 EUR vom 1. 10. 2011 bis 31. 12. 2011 und

224 EUR ab 1. 1. 2012.

Die darüber hinausgehenden Erhöhungs‑ und Herabsetzungsbegehren wies das Erstgericht ab. Die krankheitsbedingten Mehrausgaben des Vaters seien nicht von der Unterhaltsbemessungsgrundlage abzuziehen, weil in dieser Hinsicht ein strenger Maßstab anzulegen sei. Außerdem habe der Vater diese Aufwendungen aus der (freiwilligen) Abfertigung und aus den Ersparnissen abzudecken. Nach dem Verbrauch der Ersparnisse sei es dem Vater zuzumuten, einen Facharzt seines Vertrauens mit einem Krankenkassenvertrag aufzusuchen. Auch die Aufwendungen des Vaters für Entschädigungs‑ und Entgeltansprüche seines Sachwalters könnten die Bemessungsgrundlage nicht mindern. Solche Ansprüche seien dem Sachwalter nämlich nicht zuzusprechen, wenn die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe gegeben seien.

Das Rekursgericht bestätigte die Abweisung der Erhöhungsanträge für den Zeitraum vom 25. 10. 2007 bis 31. 7. 2008. Weiters bestätigte es die Entscheidung des Erstgerichts für den Zeitraum vom 1. 8. 2008 bis 31. 12. 2008 mit der Maßgabe, dass die Erhöhungsanträge der Kinder nicht zurückgewiesen, sondern abgewiesen werden. Hinsichtlich der Unterhaltsfestsetzung ab 1. 1. 2009 hob es die Entscheidung des Erstgerichts auf und ermittelte ausgehend von seiner Rechtsansicht die relevante Bandbreite (Untergrenze und Obergrenze) der Unterhaltsbeiträge des Vaters. Die Abweisung der diese Untergrenze unterschreitenden Herabsetzungsbegehren des Vaters wurde vom Rekursgericht bestätigt. Mit der Anzeige der Fremdunterbringung an den Unterhaltspflichtigen seien die Unterhaltsansprüche ab 1. 8. 2012 bis zur Beendigung der vollen Erziehung gemäß § 34 JWG auf den Jugendwohlfahrtsträger übergegangen. Da die Unterhaltsansprüche gemäß § 1418 ABGB jeweils am Ersten des Monats fällig seien, sei auch der Unterhaltsanspruch für Dezember 2008 zur Gänze auf den Jugendwohlfahrtsträger übergegangen. Das Fehlen der Sachlegitimation der Kinder führe richtigerweise zur Abweisung des Begehrens und nicht zu dessen Zurückweisung. Hinsichtlich der Verteilung der gesetzlichen Abfertigung sei im konkreten Einzelfall zu berücksichtigen, dass der Vater auch in Zukunft nicht mehr arbeiten werde. Unter diesen Umständen werde ein pflichtbewusster Familienvater die Abfertigung auf einen längeren Zeitraum verteilen, sodass das bisherige Einkommensniveau möglichst lange gewahrt bleibe. Die vom Erstgericht vorgenommene Verteilung der gesetzlichen Abfertigung auf 23 Monate werde vom Rekursgericht aus diesen Erwägungen gebilligt. Die freiwillige Abfertigung sei im Vorverfahren im Zusammenhang mit den krankheitsbedingten Mehraufwendungen des Vaters im Zeitraum vom 1. 2. 2008 bis 31. 7. 2008 berücksichtigt worden. Daraus ergebe sich, dass die freiwillige Abfertigung in diesen sechs Monaten verbraucht worden sei. Eine zusätzliche Verteilung der freiwilligen Abfertigung auf weitere Monate komme daher nicht mehr in Betracht. Zur Frage der Berücksichtigung krankheitsbedingter Mehraufwendungen seien ergänzende Feststellungen erforderlich. Die Zumutbarkeit eines Arztwechsels sei vom Sachverständigen nur anhand der Angaben des Sachwalters beurteilt worden. Außerdem sei die Intensität der notwendigen Behandlungen nicht geklärt worden. An die Beurteilung der Notwendigkeit seien strenge Anforderungen zu stellen. Zu prüfen sei auch, ob die vom behandelnden Wahlarzt verrechneten Sätze den üblichen Kostensätzen entsprechen würden. Nur wenn die notwendigen Behandlungen bei einem anderen Arzt günstiger zu erhalten wären, stelle sich die Frage nach einem Arztwechsel. Ein solcher sei umso eher zuzumuten, je mehr es sich bei einer allfälligen Verschlechterung des Gesundheitszustands um einen vorübergehenden Zustand handle. Schließlich sei mit Rücksicht auf die Ersparnisse des Vaters und die Zuwendungen seiner Familie zu klären, welche Kosten überhaupt als „krankheitsbedingter Mehraufwand“ in Betracht kämen. Von diesen Kosten sei auch das Krankenhaus‑Taggeld abzuziehen, weil dieses dazu diene, sich andere Annehmlichkeiten als die Betreuung in der Sonderklasse zu verschaffen. Zu diesen Annehmlichkeiten gehöre nach Ansicht des Rekursgerichts auch eine teurere ärztliche Betreuung durch einen Wahlarzt. Hinsichtlich der geltend gemachten Entschädigungsansprüche des Sachwalters des Vaters sei zu berücksichtigen, dass diese nach § 276 Abs 4 ABGB von den Lebensbedürfnissen des Betroffenen abhängen, zu denen auch seine Unterhaltsverpflichtungen zählten. Die Sachwalterentschädigung sei daher gegenüber den Unterhaltsverpflichtungen nachrangig. Jedenfalls in jenen Fällen, in denen die Unterhaltsbeiträge unter die Regelbedarfssätze absinken, habe nach Auffassung des Rekursgerichts die Sachwalterentschädigung bei der Ausmittlung der Unterhaltsbeiträge außer Ansatz zu bleiben. Ausgehend von der korrigierten Bemessungsgrundlage seien die Unterhaltsansprüche nach der Prozentsatzmethode zu berechnen. Entsprechend der Beurteilung des Erstgerichts sei zugunsten des Vaters auf die Belastungsgrenze in Form des Unterhaltsexistenzminimums Bedacht zu nehmen (1 Ob 160/09z). Je nach Berücksichtigung des geltend gemachten krankheitsbedingten Mehraufwands lasse sich ohne ergänzende Feststellungen bisher nur die Bandbreite der Unterhaltspflicht des Vaters ermitteln. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil die Entscheidung von mehreren Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung abhänge, zu denen keine gesicherte Rechtsprechung des Höchstgerichts vorliege.

Gegen diese Entscheidung richten sich die Revisionsrekurse sowohl der Kinder als auch des Vaters. Die Kinder begehren für konkret angeführte Zeiträume ab 1. 8. 2008 die Festsetzung jeweils betragsmäßig angeführter erhöhter Unterhaltsbeiträge. Der Vater strebt die Abweisung der Erhöhungsanträge und die Stattgebung seiner Herabsetzungsbegehren an.

Mit ihren Revisionsrekursbeantwortungen beantragen die Parteien, jeweils dem Rechtsmittel der Gegenseite den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsrekurse sind zulässig, weil zur Frage der Heranziehung des Krankenhaus‑Taggeldes aus einer privaten Krankenversicherung für (höhere) Kosten aus regelmäßigen Konsultationen eines Wahl‑ bzw Privatarztes eine Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof geboten erscheint. Die Revisionsrekurse sind im Hinblick auf den Aufhebungsbeschluss des Rekursgerichts aber nicht berechtigt.

1.1 Die Rüge der Kinder, das Rekursgericht hätte hinsichtlich des Zeitraums vom 1. 8. 2008 bis 31. 12. 2008 den erstinstanzlichen Zurückweisungsbeschluss aufheben müssen, ist nicht berechtigt. Aus der Begründung der Entscheidung des Erstgerichts ist der Entscheidungswille eindeutig erkennbar. Da das Rekursgericht mit dem Austausch der Entscheidungsform nur die offenkundige Unrichtigkeit des Spruchs korrigiert hat, liegt eine unbedenkliche „echte“ Maßgabenbestätigung vor (vgl RIS‑Justiz RS0074300).

1.2 Der vom Vater behauptete Widerspruch zwischen der Abweisung des Herabsetzungsmehrbegehrens für 2009 und der nach der Beurteilung des Rekursgerichts ermittelten Bandbreite des Unterhalts für den genannten Zeitraum besteht nicht. Der Vater beantragte die Herabsetzung der Unterhaltsbeiträge auf 74 EUR für C*****‑M***** bzw auf 61 EUR für C*****. Unter Heranziehung der vom Rekursgericht jeweils ermittelten Untergrenze von 175 EUR für C*****‑M***** bzw von 145 EUR für C***** errechnet sich die Differenz zutreffend mit 101 EUR bzw 84 EUR.

1.3 Das Rekursgericht hat ausführlich dargelegt, dass sich die Feststellungen des Erstgerichts zum persönlichen Vertrauensverhältnis zwischen dem Vater und seinem Wahlarzt sowie zu der vom Sachverständigen dazu eingeschätzten Wahrscheinlichkeit einer psychischen Destabilisierung lediglich auf das Vorbringen des Sachwalters des Vaters (anlässlich der Gutachtenserörterung) gründen. Wenn das Rekursgericht in dieser Situation eine entsprechende Tatsachengrundlage im Beweisverfahren vermisst und die Feststellungen des Erstgerichts als ergänzungsbedürftig beurteilt, ist darin kein Abweichen vom festgestellten Sachverhalt zu erblicken.

2.1 Nach der Beurteilung des Rekursgerichts bestand für die Zeit vom 1. 8. 2008 bis 31. 12. 2008 zwischen dem Vater und dem Jugendwohlfahrtsträger für die gemäß § 34 JWG auf den Jugendwohlfahrtsträger übergegangenen Unterhaltsansprüche eine Vereinbarung. Die Argumentation der Kinder in ihrem Revisionsrekurs zielt demgegenüber auf eine Vereinbarung (nach § 39 JWG) über Kostenersatzansprüche des Jugendwohlfahrtsträgers nach § 33 JWG ab.

In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist anerkannt, dass der Jugendwohlfahrtsträger neben der Geltendmachung des Kostenersatzes nach § 33 JWG auch die Möglichkeit hat, gemäß § 34 JWG durch eine Anzeige an den Unterhaltspflichtigen einen gesetzlichen Übergang der Unterhaltsforderung des Kindes auf ihn zu bewirken. In diesem Fall kommt es zu einer Legalzession des Unterhaltsanspruchs des Kindes. Der Jugendwohlfahrtsträger macht daher einen Unterhaltsanspruch geltend, sodass gemäß § 406 Satz 2 ZPO bei einer in der Vergangenheit liegenden Verletzung auch Ansprüche auf künftige Leistungen begehrt werden können (6 Ob 247/09f).

2.2 Die Verpflichtung des Vaters zu einer monatlichen Unterhaltsleistung im Vorhinein spricht eindeutig für die Festsetzung des Unterhalts für die Kinder iSd § 34 JWG (vgl demgegenüber zu § 33 JWG RIS‑Justiz RS0033501). Für die Leistung der Unterhaltsbeiträge im relevanten Zeitraum (1. 8. 2008 bis 31. 12. 2008) hat somit eine (zulässige und wirksame) Unterhaltsvereinbarung bestanden. Bei einer Vereinbarung über auf den Jugendwohlfahrtsträger übergegangene Unterhaltsansprüche kontrahiert der Jugendwohlfahrtsträger im eigenen Namen mit den nach bürgerlichem Recht unterhaltspflichtigen Personen (vgl Neuhauser in Schwimann , ABGB Taschenkommentar § 140 Rz 6). Entgegen der Ansicht der Kinder war eine gesonderte Vertretungsbefugnis des Jugendwohlfahrtsträgers daher nicht erforderlich.

Dem Rekursgericht ist auch darin zuzustimmen, dass die (im Vorhinein zu leistenden) Unterhaltsbeiträge für Dezember 2008 von der in Rede stehenden Unterhaltsvereinbarung erfasst sind, weil Unterhaltsansprüche ‑ anders als Kostenersatzforderungen nach § 33 JWG ‑ gemäß § 1418 ABGB jeweils am Ersten des Monats fällig sind.

2.3 Da die Unterhaltsansprüche für den fraglichen Zeitraum auf den Jugendwohlfahrtsträger übergegangen sind, fehlt es den Kindern somit an der Sachlegitimation zur Durchsetzung der entsprechenden Unterhaltsforderungen. Die Entscheidung des Rekursgerichts ist demnach nicht zu beanstanden.

3. Soweit der Vater die Zulässigkeit der Unterhaltserhöhung ab 1. 1. 2009 unter Hinweis auf die Unterhaltsbemessung im Vorverfahren bestreitet, ist darauf hinzuweisen, dass sich die vom Vater angeführte Entscheidung des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 18. 3. 2009, 43 R 104/09a, ausdrücklich nur auf den Zeitraum bis 31. 7. 2008 bezieht. Ab 1. 1. 2009 haben die Vorinstanzen eine Neubemessung der Unterhaltsansprüche der Kinder deshalb vorgenommen, weil für den Zeitraum vom 1. 8. 2008 bis 31. 12. 2008 eine Vereinbarung mit dem Jugendwohlfahrtsträger nach § 34 JWG bestand. Dieser Vorgangsweise tritt der Vater nicht mit inhaltlichen Argumenten entgegen.

4.1 Die Ansicht des Vaters, dass die Frage der Aufteilung der Abfertigung wegen rechtskräftig entschiedener Sache nicht mehr aufgegriffen werden dürfe, ist aus den vom Rekursgericht angeführten Gründen unrichtig. Unter Hinweis auf das Vorliegen einer Einzelfallentscheidung (RIS‑Justiz RS0050466 [T3]; 3 Ob 83/11v) billigte das Rekursgericht (nach Darstellung der Rechtsprechung) das schon im Vorverfahren erzielte Ergebnis, dass aufgrund der konkreten Umstände die gesetzliche Abfertigung auf 23 Monate (je 469,37 EUR) aufzuteilen sei. Daraus folgt eine Verteilung über den 1. 1. 2009 hinaus, weshalb die gesetzliche Abfertigung auch im vorliegenden Verfahren zu berücksichtigen ist.

4.2 Grundsätzlich sind die Kinder mit ihrer Ansicht im Recht, dass auch freiwillige Abfertigungen bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen und auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen sind (vgl Neuhauser aaO § 140 Rz 59). Diese Entscheidung ist allerdings von den Umständen des Einzelfalls geprägt.

Zur freiwilligen Abfertigung des Vaters geht das Rekursgericht unter Bedachtnahme auf die Entscheidung im Vorverfahren davon aus, dass diese hinsichtlich des Zeitraums vom 1. 2. 2008 bis 31. 7. 2008 berücksichtigt und verbraucht worden sei und eine Verteilung auf weitere Monate daher nicht mehr in Betracht komme. Der Vater ist in dieser Hinsicht nicht beschwert. Die Kinder vermögen in ihrem Revisionsrekurs keine überzeugenden Argumente ins Treffen zu führen, warum das Rekursgericht mit dieser vom Einzelfall geprägten Beurteilung seinen Ermessensspielraum überschritten haben soll.

5.1 Zum Krankenhaus‑Taggeld (aus der privaten Krankenversicherung) hat der Oberste Gerichtshof in der ebenfalls die vorliegende Pflegschaftssache betreffenden Entscheidung 8 Ob 140/05d ausgesprochen, dass für das aufgrund einer privaten Krankenzusatzversicherung bezahlte Krankenhaus‑Taggeld ähnliche Erwägungen wie für dem Unterhaltspflichtigen zukommende Leistungen, die dem Ausgleich eines bestimmten Mehraufwands (Sonderbedarfs) dienten, zu gelten hätten. Offensichtlicher Zweck der Krankenzusatzversicherung sei zumindest auch die Kostenübernahme für die Verschaffung jener Annehmlichkeiten, die dem Versicherten in der allgemeinen Gebührenklasse einer Krankenanstalt nicht zuteil würden. In diesem Zusammenhang könne nicht wesentlich sein, ob die Leistung des Privatversicherers durch die Übernahme der Kosten der Sonderklasse oder die Ausbezahlung des Krankenhaus‑Taggeldes erfolge. Auch das Taggeld solle nämlich den Versicherungsnehmer in die Lage versetzen, sich auf angemessene, seinen Wünschen und Bedürfnissen entsprechende Weise Annehmlichkeiten zu verschaffen, die über die Leistungen der allgemeinen Gebührenklasse hinausgingen. Ähnlich wie beim Schmerzengeld liege daher die Zweckwidmung dieser Art der privaten Krankenzusatzversicherung darin, die mit der Krankheit und dem stationären Aufenthalt in der Krankenanstalt verbundene psychische und physische Beeinträchtigung durch die Versicherungsleistung wenigstens partiell auszugleichen bzw zu mindern. In welcher Form der Versicherungsnehmer eine diesbezügliche Unbill kompensiere, sei nicht entscheidend, weil nach der Zweckwidmung der Versicherungsleistung diese gerade der Erhöhung der Lebensqualität des Versicherten diene.

Das Rekursgericht hat auf diese Entscheidung Bezug genommen und die Ansicht vertreten, dass zu den „anderen Annehmlichkeiten“, die sich der Versicherte mit dem Krankenhaus‑Taggeld verschaffen können solle, auch eine privatärztliche Betreuung gehöre, die sonst über die Lebensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen hinausginge. Sollte sich ein zu berücksichtigender krankheitsbedingter Mehraufwand aufgrund der Behandlung durch einen Privatarzt ergeben, so könnten Zahlungen aus der privaten Krankenversicherung zur Deckung dieses Mehraufwands herangezogen werden.

5.2 Diesen Überlegungen des Rekursgerichts kann nicht beigepflichtet werden.

Das Krankenhaus‑Taggeld hat aufgrund der besonderen Zweckwidmung ‑ so wie etwa das Schmerzengeld ‑ keine Entgeltersatzfunktion und ist daher nicht in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Darüber hinaus dient das Krankenhaus‑Taggeld (Spitalsgeld) der Deckung eines abstrakten Bedarfs, der durch den Spitalsaufenthalt entsteht, nicht aber dem Ausgleich der Krankenkosten (vgl 7 Ob 19/11m mwN). Beim Krankenhaus‑Taggeld handelt es sich somit nicht um eine typische Leistung, mit der krankheitsbedingte Mehrausgaben abgedeckt werden. Anderes gilt beispielsweise für das Pflegegeld, mit dem grundsätzlich gerade die pflege‑ bzw behindertenbedingten Mehraufwendungen abgegolten werden (vgl 1 Ob 217/08f; 5 Ob 241/10t). Ähnliches wie für das Pflegegeld gilt für spezifische Sozialleistungen, die zur Abdeckung behinderungsbedingter Mehrausgaben geleistet werden (vgl 6 Ob 49/08m).

5.3 Nach der Rechtsprechung vermindert ein krankheitsbedingter Mehraufwand des Unterhaltspflichtigen grundsätzlich die Bemessungsgrundlage (RIS‑Justiz RS0085165; RS0047506; 6 Ob 49/08m). Voraussetzung ist allerdings, dass es sich um konkret nachgewiesene, unvermeidbare Kosten handelt, die aus ärztlicher Sicht zur Heilung oder Besserung einer Krankheit oder zur Linderung von Schmerzen und Krankheitsfolgen bzw zur Erhaltung, Besserung oder Linderung des psychischen Gesundheitszustands notwendig sind und den allgemeinen Lebensbedarf übersteigen. Außerdem können nur solche Ausgaben die Unterhaltsbemessungsgrundlage verringern, die auch ein pflichtbewusster Elternteil unter Berücksichtigung seiner Einkommens‑ und Vermögensverhältnisse und der Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten zur Erhaltung seiner Gesundheit aufgewendet hätte (vgl Smutny in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.01 § 94 Rz 24 und 25). Für das Vorliegen eines solchen krankheitsbedingten Mehraufwands ist der Unterhaltspflichtige beweispflichtig (8 Ob 31/09f). Abzugsfähig sind solche notwendigen Arzt- bzw Behandlungskosten überdies nur soweit, als sie nicht konkret von der Sozialversicherung abgedeckt sind.

5.4 Die Ansicht des Rekursgerichts zur Berücksichtigung des Krankenhaus‑Taggeldes steht mit den dargestellten Grundsätzen nicht im Einklang. Dieser Umstand wirkt sich auf den Spruch der Entscheidung des Rekursgerichts allerdings nicht aus, weil das Rekursgericht zum krankheitsbedingten Mehraufwand ergänzende Feststellungen für erforderlich gehalten und die Entscheidung des Erstgerichts daher aufgehoben hat.

6.1 Zur Berücksichtigung der Kosten des Sachwalters hat das Rekursgericht die zweitinstanzliche Judikatur zutreffend wiedergegeben. Danach sind behinderungsbedingte Kosten des Sachwalterschaftsverfahrens von der Bemessungsgrundlage grundsätzlich abzuziehen (EFSlg 122.871). Auch der Aufwand für die Entschädigung des Sachwalters nach § 276 ABGB stellt nach dieser Rechtsprechung einen abzugsfähigen behinderungsbedingten Mehraufwand dar, weil die Leistungsfähigkeit in einer Art und Weise eingeschränkt ist, wie das bei anderen Unterhaltspflichtigen nicht der Fall ist. Für die Barauslagen des Sachwalters soll dies nur dann gelten, wenn Aufwendungen angefallen sind, die einen nicht behinderten Unterhaltspflichtigen nicht treffen. Bleibe unklar, aus welchen Gründen die Barauslagen angefallen seien, so seien sie im Zweifel zur Hälfte von der Unterhaltsbemessungsgrundlage abzuziehen (EFSlg 122.872).

6.2 Das Rekursgericht vertritt dazu die Ansicht, aus § 276 Abs 4 ABGB ergebe sich die Nachrangigkeit der Sachwalterentschädigung gegenüber den Unterhaltsverpflichtungen des Betroffenen, weil die Erfüllung der Unterhaltsverpflichtungen zu seinen Lebensbedürfnissen gehöre. Jedenfalls in Fällen, in denen (wie hier) die Unterhaltsbeiträge unter den Regelbedarfssätzen liegen, habe die Sachwalterentschädigung bei der Ausmittlung des Unterhalts außer Betracht zu bleiben.

6.3 Richtig ist, dass sämtliche Ansprüche des Sachwalters (Entschädigungs‑, Entgelt‑ und Aufwandsersatzansprüche) nach § 276 Abs 4 ABGB insoweit zu mindern sind, als daraus eine Gefährdung der Befriedigung der Lebensbedürfnisse des Betroffenen resultiert (vgl dazu Weitzenböck , Vermögensverwaltung und Sachwalterentschädigung nach den §§ 133 ff AußStrG, ÖRPfl 2010, 13 [24]; Grüblinger , Der Entgeltanspruch des Sachwalters für Fachleistungen, EF‑Z 2008/100, 171; Tschugguel in Kletečka/Schauer , ABGB ON 1.01 § 276 Rz 21). Auch wenn das Sachwalterschaftsgericht darauf Bedacht zu nehmen hat, dass die Sachwalterkosten zu keiner Gefährdung der Lebensbedürfnisse des Betroffenen führen, ändert dies nichts daran, dass (nach den Behauptungen) zu Lasten des Vaters konkret eine Sachwalterentschädigung (1.837,94 EUR für das Jahr 2009) rechtskräftig festgesetzt wurde. Eine derartige Belastung, die allein in der psychischen Behinderung des Vaters ihre Ursache findet, ist ‑ so wie ein krankheitsbedingter Mehraufwand ‑ als behinderungsbedingter Mehraufwand zu berücksichtigen und von der Bemessungsgrundlage abzuziehen. Auch für einen solchen Aufwand gilt, dass er nur dann keine Abzugspost von der Bemessungsgrundlage darstellt, soweit er schon bisher aus Ersparnissen bzw aus sonstigem Vermögen gedeckt wurde (EFSlg 122.865). Dazu weist der Vater in seinem Vorbringen und auch im Revisionsrekurs selbst darauf hin, dass die krankheitsbedingten Mehrausgaben (Arztkosten und Sachwalterkosten) in der Vergangenheit teilweise aus Ersparnissen abgedeckt wurden und auch in Zukunft abzudecken sein werden.

Der Hinweis des Rekursgerichts auf die Verfahrenshilfe ist hier nicht von Bedeutung, weil sich diese nur auf den Anspruch des Sachwalters auf angemessenes Entgelt für berufsspezifische Fachleistungen bezieht (§ 276 Abs 2 ABGB). Der Vater hat sich aber auf „Entschädigungsansprüche“ des Sachwalters berufen. Auf die Verfahrenshilfe könnte überdies nur dann verwiesen werden, wenn die Voraussetzungen für deren Bewilligung gegeben wären, der Unterhaltspflichtige aber die Antragstellung unterlassen hat (vgl Tschugguel aaO § 276 Rz 15).

7. Entgegen den Ausführungen des Vaters hat das Rekursgericht die freiwilligen Zuwendungen seiner Familie (zur teilweisen Abdeckung der Arztkosten) unter Hinweis auf Gitschthaler (Unterhaltsrecht² Rz 81a) nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einbezogen. Vielmehr hat es zutreffend beurteilt, dass zweckgewidmete Zuwendungen Dritter (hier zur Bestreitung eines medizinischen Aufwands) entsprechend diesem Zweck zu verwenden sind und der entsprechende Aufwand den Unterhaltspflichtigen nicht selbst trifft.

Auch das Argument des Vaters, dass die freiwilligen Zuwendungen für die Zukunft nicht absehbar seien, schadet nicht, weil dies für künftige Arzt- und Behandlungskosten gleichermaßen gilt, weshalb in dieser Hinsicht eine sachgerechte Einschätzung stattzufinden hat.

8.1 Zusammenfassend ergibt sich:

Der Jugendwohlfahrtsträger hat neben der Geltendmachung des Kostenersatzes nach § 33 JWG auch die Möglichkeit, gemäß § 34 JWG einen gesetzlichen Übergang der Unterhaltsforderung des Kindes auf ihn zu bewirken. Den Kindern fehlt es in diesem Fall an der Sachlegitimation zur Durchsetzung der entsprechenden Unterhaltsforderungen. Die Zweckwidmung des Krankenhaus‑Taggeldes besteht darin, die mit dem stationären Aufenthalt in der Krankenanstalt verbundene Unbill auszugleichen. Diese Leistung dient der Deckung eines abstrakten Bedarfs, der durch den Spitalsaufenthalt entsteht, nicht aber dem Ausgleich konkreter Krankenkosten.

8.2 Zur Frage, ob und inwieweit die Arzt‑ und Behandlungskosten des Vaters als krankheitsbedingter Mehraufwand zu berücksichtigen sind, ist das Rekursgericht von zutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Beruht der Aufhebungsbeschluss des Rechtsmittelgerichts auf einer richtigen Rechtsauffassung, so kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, dem Ergänzungsauftrag nicht entgegentreten (RIS‑Justiz RS0042179; 3 Ob 156/12f; vgl auch 8 ObA 22/12m). Wie bereits dargelegt, wirkt sich die Korrektur der Rechtsansicht des Rekursgerichts zur Berücksichtigung des Krankenhaus‑Taggeldes und ebenso zu den Sachwalterkosten auf den Aufhebungsbeschluss nicht aus, zumal bisher nicht feststeht, ob überhaupt ein zu berücksichtigender krankheitsbedingter Mehraufwand besteht. Im Ergebnis war beiden Revisionsrekursen daher der Erfolg zu versagen.

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