OGH 8Ob31/09f

OGH8Ob31/09f19.5.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Spenling, Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Glawischnig und den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj 1. Marilis K*****, geboren am *****, und 2. Paul K*****, geboren am *****, beide *****, beide vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land, 4020 Linz, Kärntnerstraße 16, über den Revisionsrekurs des Vaters Johann K*****, vertreten durch Dr. Alexander Mirtl, Rechtsanwalt in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 5. August 2008, GZ 15 R 258/08d-U19, womit infolge Rekurses des Vaters der Beschluss des Bezirksgerichts Traun vom 6. Mai 2008, GZ 1 P 45/07s-U13 bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung

Aufgrund einer Vereinbarung des Vaters mit der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 22. 12. 2005 bezahlte der Vater zunächst einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 185 EUR an die mj Marilis K***** und von 165 EUR an den mj Paul K*****. Beide Kinder wohnen im Haushalt der Mutter und werden von ihr betreut. Ab 1. 2. 2007 wurde diese Unterhaltsverpflichtung einvernehmlich auf monatlich je 100 EUR für beide Kinder herabgesetzt. Ab 1. 1. 2008 beantragten die Minderjährigen die Erhöhung des vom Vater zu leistenden Unterhaltsbeitrags um je 86 EUR auf 186 EUR monatlich, weil der Vater eine Pension beziehe und um Gewährung eines Kinderzuschusses angesucht habe.

Der Vater sprach sich gegen diesen Antrag insofern aus, als er sich bereit erklärte, ab 1. 4. 2008 einen erhöhten Unterhaltsbeitrag pro Kind in Höhe von monatlich 120 EUR zu bezahlen. Er beziehe zwar eine monatliche Pension, leide jedoch an Krebs und seine medizinischen Mehrkosten seien nicht berücksichtigt worden. Diese würden monatlich 130 EUR betragen, weil der Vater strenge Diät halten und Medikamente einnehmen müsse, auch benötige er eine Putzhilfe. Der Vater erklärte, Belege für die medizinischen Mehrkosten zu erbringen, legte solche jedoch nicht vor.

Das Erstgericht erhöhte den monatlichen Unterhaltsbetrag für die Kinder im beantragten Ausmaß. Der Vater beziehe eine monatliche Pension von durchschnittlich 1.095,01 EUR netto inklusive Sonderzahlungen, dazu erhalte er je Kind einen Kinderzuschuss von 33,92 EUR. Zu den vom Vater behaupteten krankheitsbedingten Mehraufwendungen stellte das Erstgericht wörtlich fest: „Der Vater hat aufgrund seiner Erkrankung krankheitsbedingte Mehraufwendungen, insbesondere Medikamentenkosten, Kosten für Diätnahrung und Putzhilfe in Höhe von 130 EUR. Der Vater legte zwar eine ärztliche Bestätigung, jedoch keine Belege über die Höhe der krankheitsbedingten Mehraufwendungen vor."

Rechtlich führte das Erstgericht aus, dass der Vater die von ihm behaupteten Mehraufwendungen nicht belegt habe und auch ein Verfahren über den Bezug von Pflegegeld wegen dieser medizinischen Mehraufwendungen anhängig sei. Der Unterhaltsanspruch betrage je Kind 17 % der Bemessungsgrundlage, die das Erstgericht aus der Nettopension von 1.095,01 EUR zuzüglich eines Kinderzuschusses von 33,92 EUR in Höhe von 1.128,93 EUR errechnete.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters gegen diesen Beschluss nicht Folge. Es führte zu dem vom Vater behaupteten krankheitsbedingten Mehraufwand aus, dass dieser nur dann zu berücksichtigen sei, wenn er auch bescheinigt werde. Dies habe der Vater aber trotz Aufforderung unterlassen. Aus einer von ihm einzig vorgelegten ärztlichen Bestätigung ergebe sich lediglich das Erfordernis der Einhaltung einer fettreduzierten Diät, nicht aber, ob durch diese Mehrkosten entstünden oder ob der Vater Medikamente einnehmen müsse.

Der Revisionsrekurs wurde zunächst unter Hinweis auf die Einzelfallentscheidung nicht zugelassen. Über Zulassungsvorstellung des Vaters änderte das Rekursgericht seinen Zulassungsausspruch und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch zulässig sei. Es begründete diesen Ausspruch damit, dass durch höchstgerichtliche Rechtsprechung noch nicht hinreichend geklärt sei, ob bei einer „non liquet" Situation zwingend § 34 AußStrG zur Anwendung zu kommen habe.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der auf die Rekursgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revisionsrekurs des Vaters mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass der Antrag auf Unterhaltserhöhung zur Gänze abgewiesen werde; hilfsweise wird beantragt, ihn auf monatlich 120 EUR pro Kind zu reduzieren oder den angefochtenen Beschluss zur Verfahrensergänzung aufzuheben.

Die Minderjährigen beteiligten sich nicht am Revisionsrekursverfahren.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Sinn des Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Der Revisionsrekurswerber führt zusammengefasst aus, dass das Verfahren des Rekursgerichts mangelhaft sei. Gehe man davon aus, dass er die Höhe des von ihm behaupteten krankheitsbedingten Mehraufwands nicht habe bescheinigen können, so wäre diese gemäß § 273 ZPO (richtig: § 34 AußStrG) einzuschätzen gewesen.

Der § 273 Abs 1 ZPO nachgebildete (Rechberger in Rechberger, AußStrG § 34 Rz 1; Fucik/Kloiber, AußStrG § 34 Rz 1) § 34 AußStrG ermöglicht es dem Gericht, die Höhe einer Geldleistung nach freier Überzeugung festzusetzen, wenn feststeht, dass einer Partei eine Geldleistung zusteht, aber die Erhebung der Höhe des Betrags entweder nicht möglich ist, oder mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden wäre. Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass ein krankheitsbedingter Mehraufwand, den der Unterhaltsschuldner zu tragen hat, die Unterhaltsbemessungsgrundlage verringert (RIS-Justiz RS0085165; RS0047506) und dass der Unterhaltspflichtige für das Vorliegen eines solchen gesundheitsbedingten Mehraufwands beweispflichtig ist. Ob ein solcher Mehraufwand im Einzelfall ausreichend dargetan wurde, ist eine Tatfrage (RIS-Justiz RS0085165 [T4]).

Aufgrund der in sich widersprüchlichen, zumindest jedoch nicht zweifelsfrei eindeutigen Fassung des Beschlusses des Erstgerichts lässt sich diese freilich nicht abschließend beurteilen: denn es bleibt unklar, ob das Erstgericht - und ihm folgend das Rekursgericht - § 34 AußStrG inhaltlich überhaupt angewendet haben.

Einerseits stellte das Erstgericht nämlich ausdrücklich fest, dass der Vater krankheitsbedingte Mehraufwendungen von monatlich 130 EUR zu tragen hat. Andererseits geht es, wie das insbesondere auch aus seiner rechtlichen Begründung zu ersehen ist, davon aus, dass der Vater diese Aufwendungen nicht belegt hat, woraus es offenbar folgert, dass er sie auch nicht zu tragen hat. Das Erstgericht führt - zutreffend - aus, dass die Unterhaltsbemessung keine penible mathematische Berechnung sei, bezieht sich aber bei der Festsetzung des Unterhalts auf - nicht näher umschriebene - „Umstände des vorliegenden Falles". Dies lässt die Möglichkeit offen, dass das Erstgericht doch einen - der Höhe nach aber nicht nachvollziehbaren - Teil der vom Vater behaupteten krankheitsbedingten Mehrkosten bei der Festsetzung des Unterhaltsbeitrags berücksichtigte. Nach welchen Kriterien das Erstgericht dabei vorgegangen ist, lässt sich aber seinem Beschluss nicht entnehmen und mit seiner Feststellung, dass der Vater monatlich 130 EUR an krankheitsbedingten Mehrkosten zu tragen habe, nicht vereinbaren (rein rechnerisch entspricht der Betrag von 186 EUR annähernd genau 17 % der vom Kläger bezogenen Nettopension von monatlich durchschnittlich 1.095,01 EUR, sodass die von ihm behaupteten krankheitsbedingten Mehrkosten in dieser Berechnung nicht berücksichtigt wären - allerdings auch nicht die vom Kläger bezogenen Kinderzuschüsse für beide Kinder).

Die Entscheidung des Erstgerichts erweist sich daher als mangelhaft iSd § 57 Z 1 AußStrG. Diese Mangelhaftigkeit wurde vom Rekursgericht nicht von Amts wegen aufgegriffen. Das Rekursgericht ging (ebenfalls) davon aus, dass der Vater einen krankheitsbedingten Mehraufwand nicht bescheinigt hat. In seiner Entscheidung über die Zulassungsvorstellung führt das Rekursgericht ausdrücklich aus, dass das Erstgericht in diesem Zusammenhang eine Negativfeststellung getroffen habe. Dies ist aber, wie ausgeführt, gerade nicht der Fall.

§ 57 Z 1 AußStrG entspricht im Wesentlichen § 477 Abs 1 Z 9 ZPO (RIS-Justiz RS0121710). Dieser im AußStrG nicht ausdrücklich bezeichnete Nichtigkeitsgrund liegt im konkreten Fall vor und ist von Amts wegen auch dann noch im Revisionsrekursverfahren aufzugreifen, wenn er im Rechtsmittel nicht geltend gemacht wurde, es sei denn, es ließe sich der angefochtene Beschluss bestätigen, ohne dass dadurch in die Rechte der Parteien eingegriffen würde (RIS-Justiz RS0120213). Dies ist aber aus den aufgezeigten Gründen nicht möglich, weil die Beschlüsse der Vorinstanzen nicht mit Sicherheit überprüft werden können (vgl RIS-Justiz RS0121710 [T2]). Einer Auseinandersetzung mit der vom Rekursgericht in seiner Entscheidung über die Zulassungsvorstellung als wesentlich bezeichneten Rechtsfrage bedarf es damit nicht.

Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben. Weil bereits das Verfahren erster Instanz an einem von Amts wegen wahrzunehmenden Mangel leidet, waren gemäß § 70 Abs 3 AußStrG die Beschlüsse beider Vorinstanzen aufzuheben. Das Erstgericht wird im fortzusetzenden Verfahren widerspruchsfreie Feststellungen zu dem vom Vater behaupteten krankheitsbedingten Mehraufwand zu treffen haben.

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