OGH 3Ob156/12f

OGH3Ob156/12f19.9.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei I*****, vertreten durch die Sachwalterin Mag. Roswitha Ferl‑Pailer, Rechtsanwältin in Hartberg, gegen die beklagte Partei J*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Poleschinski, Rechtsanwalt in Hartberg, wegen Einwendungen gegen Strafbeschlüsse (§ 36 EO), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 6. Juli 2012, GZ 4 R 73/12b‑28, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Hartberg vom 24. Jänner 2012, GZ 2 C 321/11w (2 C 258/11f)‑23, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Der Antrag der klagenden Partei auf Zuspruch der Kosten der Rekursbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung

Der Kläger stützt sein Impugnationsklagebegehren darauf, dass ihn am Zuwiderhandeln gegen das Unterlassungsgebot infolge einer psychischen Erkrankung kein Verschulden treffe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, der Kläger habe den ihm für die Einholung des von ihm beantragten psychiatrischen Gutachtens auferlegten Kostenvorschuss nicht erlegt und damit seiner Beweispflicht nicht entsprochen.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil auf. Es bejahte das Vorliegen des in der Berufung des Klägers geltend gemachten primären Verfahrensmangels und trug dem Erstgericht die amtswegige Einholung eines gerichtspsychiatrischen Sachverständigengutachtens auf. Seinen Zulässigkeitsausspruch begründete das Berufungsgericht damit, dass höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, wie weit sich die in § 183 Abs 1 Z 4 ZPO geregelte Befugnis des Richters zu einer Pflicht zur amtswegigen Aufnahme eines Sachverständigenbeweises verdichte, wenn die beweisführende Partei den ihr aufgetragenen Kostenvorschuss nicht erlegt habe.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts erhobene Rekurs des Beklagten ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig:

Der Beklagte bestreitet gar nicht, dass das Gericht gemäß § 183 Abs 1 Z 4 ZPO den Sachverständigenbeweis auch von Amts wegen beschließen kann und dass in diesem Fall die Unterlassung des Vorschusserlags die Beweisaufnahme nicht hindert (RIS‑Justiz RS0034635; RS0037139; 1 Ob 163, 164/68 SZ 41/85; Rechberger in Rechberger 3 § 365 ZPO Rz 4 mwN). Ob ‑ wie der Beklagte in seinem Rekurs meint ‑ der vom Kläger gestellte Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens als „zurückgezogen“ zu gelten hat, ist nicht maßgeblich, weil das Berufungsgericht zur Klärung des Sachverhalts die amtswegige Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens für erforderlich hielt. Die dem Gericht nach § 183 ZPO zustehende Befugnis, von Amts wegen eine Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen, wird durch einen Verzicht der Parteien nicht berührt (§ 363 Abs 2 ZPO).

Beruht aber ein Auftrag des Berufungsgerichts zur Ergänzung des Sachverhalts auf einer richtigen Rechtsauffassung (hier: auf der Auslegung der Verfahrensvorschrift des § 183 Abs 1 Z 4 ZPO dahin, dass diese auch die amtswegige Einholung eines Gutachtens ermöglicht), kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, diesem Ergänzungsauftrag nicht entgegentreten (vgl RIS‑Justiz RS0042179).

Welche Konsequenzen eine allfällige zukünftige Verletzung der dem Kläger gemäß § 359 Abs 2 ZPO obliegenden Mitwirkungspflicht nach sich ziehen könnte, ist nicht in diesem Verfahrensstadium zu beurteilen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Im Zwischenstreit über die mangels erheblicher Rechtsfrage verneinte Zulässigkeit eines Rekurses gegen einen Aufhebungsbeschluss iSd § 519 Abs 1 Z 2 ZPO findet ein Kostenvorbehalt nach § 52 ZPO nicht statt (RIS‑Justiz RS0123222; 4 Ob 47/12h). Der Kläger hat in der Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rekurses des Beklagten nicht hingewiesen.

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