OGH 1Ob220/12b

OGH1Ob220/12b13.12.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** W*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Kunert, Rechtsanwalt in Stockerau, gegen die beklagten Parteien 1. M***** reg. GenmbH, *****, vertreten durch Biedermann & Belihart Rechtsanwälte OG in Wien, 2. N*****genossenschaft *****, vertreten durch Dr. Christian Falkner, Rechtsanwalt in Baden, wegen 25.000 EUR sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 12. Juli 2012, GZ 12 R 42/12b-41, mit dem das Teil- und Zwischenurteil des Landesgerichts Korneuburg vom 21. Dezember 2011, GZ 6 Cg 50/10y-37, über Berufung der erstbeklagten Partei abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei deren mit 1.470,24 EUR (darin enthalten 245,04 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Zweitbeklagte ist Eigentümerin einer Liegenschaft, auf der ein Wohnhaus mit mehreren Mietobjekten errichtet ist. Sie schloss mit der Erstbeklagten einen Vertrag über die Winterbetreuung der Gehsteige und Gehwege, der Zu- und Abfahrten, des Müllplatzzugangs sowie der Eingangsbereiche der Liegenschaft ab. Der Kläger kam am 24. 2. 2009 am Zufahrtsbereich zu den PKW-Abstellplätzen aufgrund von Eisglätte zu Sturz. Dieser Zufahrtsbereich befindet sich zur Gänze auf der Liegenschaft der Zweitbeklagten.

Das Verfahren gegenüber der Zweitbeklagten ruht.

Das Erstgericht stellte mit Teil- und Zwischenurteil (richtig: Teilzwischenurteil) fest, dass das Zahlungsbegehren des Klägers der Erstbeklagten gegenüber dem Grunde nach zu Recht bestehe. Über das vom Kläger erhobene Feststellungsbegehren sprach es nicht ab. Rechtlich ging es im Wesentlichen davon aus, dass es sich bei der Zufahrt zu den Abstellplätzen um einen Weg nach § 1319a ABGB handle. Der Erstbeklagten seien die der Liegenschaftseigentümerin obliegenden Verpflichtungen als Wegehalterin vertraglich übertragen worden, weswegen sie sich nicht auf das in § 1319a ABGB normierte „Haftungsprivileg“ berufen könne. Die Erstbeklagte habe die von ihr übernommene Verpflichtung zur Schneeräumung und Bestreuung vernachlässigt und hafte daher dem Kläger.

Über Berufung der Erstbeklagten änderte das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil dahin ab, dass es ihr gegenüber mit Teilurteil das Zahlungsbegehren abwies. Rechtlich ging es davon aus, dass der Kläger kein ausreichendes Vorbringen dazu erstattet habe, warum er in den vom Schutzzweck des zwischen der Liegenschaftseigentümerin und der Erstbeklagten abgeschlossenen Vertrags erfassten Personenkreis einzubeziehen sei. Außerhalb einer vertraglichen Sonderbeziehung hafte der weisungsfreie Unternehmer, dem die Pflichten des Wegehalters nach § 1319a ABGB übertragen worden seien, nach allgemeinen schadenersatzrechtlichen Grundsätzen, ohne dass ihm das Haftungsprivileg des § 1319a ABGB zu Gute komme. Für seine Gehilfen habe er aber nur unter den Voraussetzungen des § 1315 ABGB einzustehen. Der Kläger habe nicht geltend gemacht, dass sich die Erstbeklagte eines habituell untüchtigen Gehilfen bedient habe, weswegen auch eine deliktische Haftung ausscheide, ohne dass noch geprüft werden müsse, ob überhaupt ein Weg im Sinne des § 1319a ABGB vorgelegen sei.

Die Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil - soweit überblickbar - die bisher ergangenen Entschei-dungen des Obersten Gerichtshofs zur Haftung des selbständigen Unternehmers für Verletzungen der Wegehalterpflichten offenbar implizit von einer Gehilfenhaftung für leichte Fahrlässigkeit nach § 1313a ABGB ausgingen, bei Anwendung der allgemeinen schadenersatzrechtlichen Regeln aber nur eine solche nach § 1315 ABGB zum Tragen komme.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig.

Vorweg ist festzuhalten, dass der Kläger zur Zulässigkeit der Revision zwar die Begründung des Berufungsgerichts zu dessen Zulassungsausspruch wiederholt, in der Ausführung seines Rechtsmittels auf die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage aber nicht mehr zurückkommt. Da der Oberste Gerichtshof nicht dazu berufen ist, theoretisch zu einer Rechtsfrage Stellung zu nehmen, deren Lösung durch die zweite Instanz vom Rechtsmittelwerber gar nicht bestritten wird (RIS-Justiz RS0102059 [T8, T15]), muss darauf nicht eingegangen werden.

Auch sonst macht der Kläger keine Gründe geltend, deren Erledigung von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhingen, sodass die Revision ungeachtet der Zulassungserklärung der zweiten Instanz zurückzuweisen ist (RIS-Justiz RS0102059). Es ist allgemein anerkannt, dass Schutz- und Sorgfaltspflichten aus einem Vertragsverhältnis nicht nur zwischen den Vertragsparteien, sondern auch gegenüber bestimmten dritten Personen bestehen, die durch die Vertragserfüllung erkennbar in erhöhtem Maße gefährdet werden und der Interessensphäre eines Vertragspartners angehören. Die Schutzwirkungen eines Vertrags erfassen solche dritte Personen, deren Kontakt mit der vertraglichen Hauptleistung bei Vertragsabschluss vorhersehbar war und an denen der eigentliche Vertragspartner ein sichtbares eigenes Interesse hat oder gegenüber denen er selbst offenkundig zur Fürsorge verpflichtet ist (RIS-Justiz RS0034594; Harrer in Schwimann, ABGB3 § 1295 ABGB Rz 108; Kalss in Kletecka/Schauer, ABGB-ON 1.01 §§ 881, 882 Rz 9; Karner in KBB3 § 1295 Rz 19, je mwN). Der Dritte erwirbt unmittelbare vertragliche Ansprüche gegen den Schuldner (vgl RIS-Justiz RS0037785), der dann auch gemäß § 1313a ABGB für das Verschulden jener Person haftet, deren er sich zur Erfüllung bediente (7 Ob 170/11t ua; RIS-Justiz RS0037785 [T34]).

Richtig ist, dass die objektive Auslegung des Vertrags den begünstigten Personenkreis bestimmt (vgl RIS-Justiz RS0017195). Damit ist für den Kläger aber nichts gewonnen, weil sich sein Vorbringen im Verfahren erster Instanz in dem Hinweis erschöpfte, dass es sich bei dem Vertrag zwischen der Erstbeklagten und der Liegenschaftseigentümerin über die Winterbetreuung um einen solchen mit Schutzwirkung zugunsten Dritter handle, jedoch ohne Bezug auf seine Stellung zur vertraglichen Leistung blieb. Zutreffend ist das Berufungsgericht daher davon ausgegangen, dass es schon an einem ausreichenden Vorbringen für eine vertragliche Haftung der Erstbeklagten fehlt. Das Vorbringen in der Revision, der Kläger sei jedenfalls als Besucher einer Nutzungsberechtigten der Liegenschaftseigentümerin vom Schutzzweck des Vertrags erfasst, erweist sich damit als unzulässige Neuerung, weswegen sich auch eine Auseinandersetzung mit der Reichweite des Schutzbereichs des zwischen den Beklagten abgeschlossenen Vertrags erübrigt. Mit seinem Hinweis, er habe auf die Rechtsansicht des Erstrichters vertraut und kein weiteres Vorbringen hinsichtlich seiner Stellung als Lebensgefährte einer Nutzungsberechtigten erstattet, verbindet der Kläger nicht den Revisionsgrund nach § 503 Z 2 ZPO. Darauf ist daher nicht näher einzugehen.

Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass derjenige, der als selbständiger Unternehmer die Aufgaben des Wegehalters besorgt, nicht mehr zu den „Leuten“ des Wegehalters im Sinne des § 1319a ABGB gehört, entspricht gefestigter Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0029995; RS0030159 [T1]). Davon abzugehen und den selbständigen Unternehmer in analoger Anwendung des § 1319a ABGB dem Wegehalter gleichzuhalten, bieten die Ausführungen des Revisionswerbers, der damit auf eine Haftung der Erstbeklagten für ein grob fahrlässiges Verhalten ihrer Leute anstelle einer solchen nach § 1315 ABGB, wie das Berufungsgericht annahm, abzielt, keinen Anlass. Ob dem Kläger mit dem vom Erstgericht festgestellten Verhalten der Mitarbeiter der Erstbeklagten der Nachweis eines Sachverhalts, der objektiv als grob fahrlässig qualifiziert werden kann, gelungen ist (vgl zur Beweislast Danzl in KBB3 § 1319a ABGB Rz 2), muss damit nicht geprüft werden.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Erstbeklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, sodass der Kläger ihr die Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen hat (§§ 50, 41 ZPO).

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