OGH 7Ob162/12t

OGH7Ob162/12t14.11.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** V*****, vertreten durch Dr. Wilfried Aichinger, Dr. Joachim Bucher, Rechtsanwälte in Villach, gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch Dr. Matthias Bacher, Rechtsanwalt in Wien, wegen 72.672,84 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 25. Mai 2012, GZ 1 R 87/12i‑17, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 8. Februar 2012, GZ 16 Cg 82/11z‑13, über Berufung der beklagten Partei abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.961,64 EUR (darin enthalten 326,94 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger und J***** S***** waren im Gastronomiegewerbe geschäftliche Partner und bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten jeweils ablebensversichert, wobei beide in der Lebensversicherung des anderen bezugsberechtigt waren. Die Bezugsberechtigung des Klägers im Versicherungsvertrag von J***** S***** war nicht unwiderruflich erteilt. Die Lebensversicherung für J***** S***** (Versicherungssumme 1.000.000 ATS) endete am 1. 9. 2008. Am 20. 9. 2008 verunglückte er tödlich. Ein neuer Lebensversicherungsvertrag wurde nicht abgeschlossen.

Der Kläger begehrte zuletzt die Zahlung von 72.672,84 EUR sA. Er habe R***** F*****, einen Mitarbeiter der Beklagten, im Frühjahr 2008 mit der Prüfung beauftragt, ob der bestehende Versicherungsvertrag von J***** S***** verlängert werden könne oder ob ein neuer Vertrag abzuschließen sei. Es sei der Auftrag erteilt worden, diese Versicherungsangelegenheit noch vor dem Sommer 2008 abzuschließen. Bereits im Sommer 2008 habe R***** F***** ein Angebot zum Abschluss einer weiteren Ablebensversicherung für J***** S***** erarbeitet, das er jedoch weder dem Kläger noch J***** S***** weitergeleitet habe. Nach dem tödlichen Unfall des J***** S***** habe sich herausgestellt, dass die Ablebensversicherung am 1. 9. 2008 abgelaufen sei und R***** F***** keinen Versicherungsschutz erwirkt habe. R***** F***** sei aufgrund einer Verwechslung davon ausgegangen, dass für J***** S***** ohnedies eine Versicherung bestünde. Jedenfalls habe die Verpflichtung der Beklagten bestanden, einen sofortigen Schutz auszulösen. Die sorglose und fahrlässige Abwicklung dieser Versicherungsangelegenheit habe zu einem Schaden im Vermögen des Klägers geführt. Die Beklagte hafte ihm aufgrund der Verletzung ihrer vertraglichen und vorvertraglichen Schutzpflichten aus dem Titel des Schadenersatzes.

Die Beklagte wandte ein, dass es am Versicherungsnehmer liege, für eine Verlängerung oder den Abschluss eines neuen Lebensversicherungsvertrags zu sorgen. Im vorliegenden Fall hätte es zu keinem Abschluss eines Versicherungsvertrags kommen können, weil eine Risikoüberprüfung vom Versicherungsnehmer nicht veranlasst worden sei. Darüber hinaus treffe die Beklagte keine Pflicht, einen neuen Lebensversicherungsvertrag abzuschließen oder am Abschluss eines derartigen Versicherungsvertrags mitzuwirken. Das ersatzlose Auslaufen der Lebensversicherung habe der Versicherungsnehmer oder der Kläger allein verschuldet. Selbst wenn es zum Abschluss eines neuen Vertrags gekommen wäre, sei keinesfalls sicher, in welcher Höhe die Versicherungssumme vereinbart worden wäre. Auch für die Gewährung eines Sofortschutzes wäre eine Antragstellung erforderlich gewesen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Ausmaß von 35.000 EUR sA statt. Das Mehrbegehren von 37.672,84 EUR sA wies es wegen Verjährung rechtskräftig ab.

Gegenüber dem Bezugsberechtigten bestünden auch schon vor Vertragsabschluss Schutzpflichten des Versicherers. Auch ein präsumtiver Bezugsberechtigter müsse im Ergebnis so gestellt werden, als wäre er von Anfang an entsprechend seiner Deckungserwartungen richtig versichert gewesen. Der Kläger habe allerdings das Vorliegen der für einen Abschluss eines neuen Versicherungsvertrags notwendigen Voraussetzungen nicht beweisen können. Es hätte aber ein mit sechs Wochen befristeter Sofortschutz gewährt werden können, hätte der Kläger als Stellvertreter von J***** S*****, als der er anzusehen sei, einen entsprechenden Antrag gestellt. Dass ein solcher Antrag nicht gestellt worden sei, resultiere aus der schuldhaften Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten. Aufgrund des an ihn herangetragenen Ansinnens nach vorläufiger Deckung hätte R***** F***** nämlich auf den jederzeit möglichen befristeten Sofortschutz verweisen müssen. Der Kläger hätte auch ohne Zweifel einen entsprechenden Antrag gestellt. Bei sorgfältigem Verhalten von R***** F***** hätte zum Zeitpunkt des Todes von J***** S***** sowohl der Versicherungsschutz als auch die Bezugsberechtigung des Klägers bestanden. Die Beklagte habe somit die Deckungslücke und den aus dem Entgang der Versicherungsleistung resultierenden Schaden rechtswidrig und schuldhaft verursacht.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies auch das auf Zahlung von 35.000 EUR sA gerichtete Begehren ab.

Die für den Neuabschluss erforderlichen Voraussetzungen seien vom Kläger nicht bewiesen worden. Der Kläger habe sich in seinem Vorbringen aber auch nicht ausreichend darauf gestützt, dass R***** F***** um eine vorläufige Deckung ersucht worden sei. Die diesbezüglichen Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts seien daher überschießend und unbeachtlich. Davon abgesehen, erweise sich die Rechtsrüge der Beklagten sogar einschließlich der überschießenden und an sich unbeachtlichen Feststellungen als berechtigt. Der Sofortschutz sei abhängig vom Einlangen eines entsprechenden Antrags bei der Beklagten. Die Annahme des Erstgerichts, dass der Kläger einen entsprechenden Antrag „ohne Zweifel“ gestellt hätte, bedeute nicht zwingend, dass ein solcher noch vor dem 20. 9. 2008 gestellt worden oder bei der Beklagten eingelangt wäre. Darüber hinaus sei es für den Eintritt des Sofortschutzes nicht hinreichend, dass der Kläger den entsprechenden Antrag gestellt hätte. Der Kläger könne sich auch nicht darauf stützen, dass ihm aufgrund einer schuldhaften Verletzung einer vorvertraglichen Aufklärungs‑ und Informationspflicht ein Schaden entstanden sei. Schutzpflichten des Versicherers gegenüber dem Bezugsberechtigten kämen nur in einem sehr engen Rahmen in Betracht, weil der Begünstigte bei der Kapitalversicherung bis zum Eintritt des Versicherungsfalls nur ein unvererbliches Anwartschaftsrecht habe. Schutz‑ und Sorgfaltspflichten des Versicherers gegenüber dem präsumtiven Bezugsberechtigten wären nur dann denkbar, wenn der präsumtive Versicherungsnehmer bereits einen Antrag auf Abschluss einer Lebensversicherung gestellt gehabt hätte.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil der Umfang der vorvertraglichen Schutz‑ und Sorgfaltspflichten des Versicherers gegenüber einem möglichen Bezugsberechtigten vom Obersten Gerichtshof noch nicht geklärt worden sei.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision des Klägers mit einem Abänderungsantrag. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte begehrt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Grundsätzlich hat jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu behaupten und zu beweisen (RIS‑Justiz RS0037797). Der Geschädigte hat daher die Pflichtverletzung und den dadurch verursachten Schaden zu beweisen. Dabei ist ein konkreter (nicht bloß theoretisch möglicher) Nachteil zu behaupten und zu beweisen, der dem Schädiger im Sinne der Adäquanztheorie überwiegend wahrscheinlich zuzurechnen ist (Harrer in Schwimann 2 § 1295 ABGB Rz 37). Den Geschädigten trifft grundsätzlich auch die Behauptungs‑ und Beweislast für den Kausalzusammenhang (RIS‑Justiz RS0022686 [T2]), und zwar auch dann, wenn es sich um eine Unterlassung handelt (RIS‑Justiz RS0022686 [T8]). Eine Unterlassung ist für einen konkreten Schadenserfolg dann ursächlich, wenn die Vornahme einer bestimmten Handlung den Eintritt eines bestimmten schädigenden Erfolgs verhindert hätte (RIS‑Justiz RS0022913).

Die Kausalität ist demnach zu verneinen, wenn derselbe Nachteil auch bei pflichtgemäßem Tun entstanden wäre (RIS‑Justiz RS0022913 [T1]). Die Beweislast dafür, dass der Schaden bei gebotenem Verhalten nicht eingetreten wäre, trifft den Geschädigten selbst im Fall der Anwendbarkeit des § 1298 ABGB (RIS‑Justiz RS0022900, RS0022686).

Nach den Feststellungen gelang es dem Kläger nicht, das Vorliegen der für den Abschluss eines neuen Versicherungsvertrags notwendigen Voraussetzungen und damit das Zustandekommen eines solchen zu beweisen.

Der Kläger hält aber in der Revision aufrecht, dass sein Schadenersatzanspruch auch darauf gestützt werde, dass die „Beklagte verpflichtet war, einen Sofortschutz auszulösen“.

Dahingestellt bleiben kann, ob dieses Vorbringen im Sinn der obigen Ausführungen ausreichend ist. Selbst wenn man nämlich ‑ wie letztlich auch das Berufungsgericht ‑ die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen zugunsten des Klägers zugrunde legte, wäre für ihn nichts gewonnen. So ging das Erstgericht davon aus, dass das Ende August gestellte Ersuchen des Klägers um vorläufige Deckung ‑ unrichtig ‑ als nicht möglich abgelehnt worden sei und der Kläger im Falle der Auskunft über die tatsächlich bestehende Möglichkeit der Gewährung eines Sofortschutzes ohne Zweifel dann den dafür erforderlichen Antrag als Stellvertreter des J***** S***** gestellt hätte.

Auch die vorläufige Deckungszusage lässt einen echten Versicherungsvertrag entstehen, der allerdings kraft seines Provisorialcharakters zunächst nicht langfristig ist. Es besteht kein materieller Unterschied zwischen einem Versicherungsvertrag und dem Rechtsverhältnis aufgrund einer Deckungszusage. Die vorläufige Deckung endet, sobald sich die Verhandlungen über den Abschluss der Versicherung zerschlagen haben, oder aber mit dem Abschluss des endgültigen Vertrags (RIS‑Justiz RS0080332).

Bei einer Lebensversicherung mit Begünstigung handelt es sich um einen Vertrag, durch den einem Dritten Rechte verschafft werden sollen. Der Unterschied zum Vertrag zugunsten Dritter iSd § 881 ABGB liegt darin, dass im Zweifel die Lebensversicherung dem Dritten keinen direkten Anspruch verschafft und die Begünstigung mangels gegenteiliger Anordnung des Versicherungsnehmers bis zum Eintritt des Versicherungsfalls geändert werden kann (7 Ob 22/95).

Gemäß § 159 Abs 2 VersVG ist in dem Fall, dass die Versicherung für den Tod eines anderen (nicht des Versicherungsnehmers) genommen wird und die vereinbarte Leistung den Betrag der gewöhnlichen Beerdigungskosten übersteigt, zur Gültigkeit des Vertrags die schriftliche Einwilligung des anderen erforderlich. Der Zweck dieser Bestimmung ist, den Versicherten vor Spekulationen auf seinen Tod zu schützen und gilt daher immer, wenn der Versicherungsnehmer ein vermögenswertes Interesse am Tod des Versicherten hat (RIS‑Justiz RS0080812). Die Formvorschrift des § 159 Abs 2 VersVG bezweckt den Nachweis der gründlichen Überlegung durch die Gefahrenperson. Auch wenn eindeutig feststeht, dass die Gefahrenperson dem Abschluss des Vertrags zustimmen wollte, eine schriftliche Zustimmungserklärung jedoch nicht vorliegt, ist der Vertrag unwirksam, weil Gegenteiliges dem eindeutigen Wortlaut des § 159 Abs 2 VersVG widerspräche. Die Zustimmungserklärung muss in Kenntnis der tatsächlichen Gefährdung abgegeben werden, die sich aus dem Umstand ergibt, dass für einen Dritten durch die Art des Vertragsabschlusses ein Anreiz für die Herbeiführung des Versicherungsfalls geschaffen wird. Die Gefahrenperson muss also in der Lage sein, das Risiko, das sie mit der Einwilligung auf sich nimmt, abzuwägen. Dies setzt die Kenntnis der Art der Versicherung, der Person des Versicherungsnehmers und der Höhe der Versicherungssumme voraus (RIS‑Justiz RS0019354).

Über seinen Wortlaut hinaus ist § 159 Abs 2 VersVG immer dann entsprechend anzuwenden, wenn der Zweck, umfassend jeder Möglichkeit eines Spiels mit dem Leben eines anderen vorzubeugen, dies gebietet. Soll ‑ wie hier ‑ die versicherte Person zugleich Versicherungsnehmer sein, ist diese aber am Vertragsabschluss nicht unmittelbar beteiligt, dann bedarf die ihrem Stellvertreter erteilte Vollmacht der Schriftform. Dies gilt erst recht, wenn der Stellvertreter auch der Bezugsberechtigte sein soll. Die Vollmachtsurkunde muss dabei allen Anforderungen des § 159 Abs 2 VersVG genügen, insbesondere erkennen lassen, dass der Vollmachtgeber die wesentlichen Vertragsumstände akzeptiert hat (vgl Schwintowski in Honsell Berliner Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz § 159 Rz 12; Römer in Römer/Langheid Versicherungsvertragsgesetz2 § 159 Rz 15, Schneider in Prölss‑Martin 28 § 150 Rz 15 Ortmann in Schwintowski/Brömmelmeyer, PK‑VersR § 150 Rz 8, BGH VersR 1989, 465, VersR 1999, 347).

Eine im Sinn dieser Ausführungen dem Kläger schriftlich erteilte Vollmacht wurde nicht dargetan. Daraus folgt, dass mit J***** S***** weder ein neuer Lebensversicherungsvertrag noch eine vorläufige Deckung wirksam zustande kommen konnte. Das auf eine allenfalls unrichtige Auskunft zur grundsätzlichen Möglichkeit einer vorläufigen Deckungszusage zurückzuführende Unterbleiben der Antragstellung durch den Kläger namens des Versicherungsnehmers und Versicherten ist damit auch nicht kausal für den geltend gemachten Schaden.

Schon aus diesem Grund war der Revision nicht Folge zu geben, ohne dass es einer Klärung des Umfangs der Schutz‑ und Sorgfaltspflichten des Versicherers gegenüber dem präsumtiven Bezugsberechtigten bedurfte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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