Spruch:
In teilweiser Stattgebung und aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch A/I sowie in der rechtlichen Unterstellung der dem Schuldspruch A/II zugrunde liegenden Taten (auch) unter § 28a Abs 4 Z 1 SMG und demgemäß im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht Linz zu neuer Verhandlung und Entscheidung verwiesen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird im Übrigen, jene der Staatsanwaltschaft zur Gänze zurückgewiesen.
Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Aneury de Jesus B***** der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 1 und Abs 4 Z 1 SMG, § 12 zweiter Fall StGB (A/I), nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1, Abs 4 Z 1 und 3 SMG (A/II) und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 2 StGB (B) schuldig erkannt.
Danach hat er
A/ in Linz und anderen Orten als Mitglied einer kriminellen Vereinigung vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge
I/ als Bestimmungstäter aus‑ und eingeführt, wobei er die Straftaten gewerbsmäßig beging und schon einmal wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt wurde, indem er Ende November/Anfang Dezember 2008 der vom Amtsgericht München rechtskräftig verurteilten Maria C***** in der Dominikanischen Republik insgesamt 278 Gramm Kokain (mit einem Wirkstoffgehalt von 60 % und einer Mindestmenge an „Cocain‑Hydrochlorid“ von 162,3 Gramm) mit dem Auftrag „übergab“ (zukommen ließ; vgl US 8 f), das Suchtgift gegen einen Schmuggellohn von 4.500 Euro via Deutschland nach Österreich zu bringen, wobei Maria C***** bei ihrer Einreise in München festgenommen wurde;
II/ anderen überlassen, wobei er die Straftaten gewerbsmäßig beging und schon einmal wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt wurde und die Straftaten in Bezug auf Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigenden Menge beging, indem er von Anfang Jänner 2007 bis 13. November 2007 (ausgenommen den Zeitraum 22. Juli 2007 bis 27. Juli 2007, in dem er sich in der Schweiz in Haft befand) sowie ab 15. Jänner 2008 bis 21. September 2008 (über einen Zeitraum von etwa 68 Wochen) wöchentlich 300 Gramm Kokain zum Grammpreis zwischen 50 Euro und 60 Euro, insgesamt sohin zumindest 20,4 Kilogramm Kokain, vom abgesondert verfolgten Jacinto de Jesus F***** alias Ivan Alexis C***** („Nando“) und von der (abgesondert) rechtskräftig verurteilten Isaura Isabel Ho***** erwarb
und diese Suchtgiftmengen abzüglich einer Kokainmenge von 185,80 Gramm Kokain (vgl Urteil des Landesgerichts Steyr zu AZ 11 Hv 3/08h betreffend Überlassung von Kokain an Wolfgang T*****), sohin 20,2142 Kilogramm Kokain (mit einem Wirkstoffgehalt von 20 % und demnach 4.042,84 Gramm Reinsubstanz) gewinnbringend an unbekannte und nachgenannte Abnehmer verkaufte, und zwar
a/ von Anfang November 2007 bis 13. November 2007 und von 15. Jänner 2008 bis Ende Februar 2008 zwei Mal jeweils 30 Gramm Kokain, insgesamt sohin 60 Gramm Kokain, zum Grammpreis von 65 Euro an den (abgesondert) rechtskräftig verurteilten Antonio Do*****;
b/ von Sommer 2006 bis 13. November 2007 (ausgenommen den Zeitraum 22. Juli 2007 bis 27. Juli 2007, in dem er sich in der Schweiz in Haft befand) sowie von 15. Jänner 2008 bis Sommer 2008 zwei „Lines“ Kokain unentgeltlich und bei monatlichen Übergaben insgesamt ca 25 Gramm Kokain zum Grammpreis von 70 Euro bis 90 Euro an die (abgesondert) rechtskräftig verurteilte Ysabel Reina R*****;
B/ in Linz am 19. Juli 2008 Kenia Altagracia G***** durch Versetzen eines Stoßes, wodurch sie gegen einen Tisch fiel, am Körper misshandelt und dadurch fahrlässig in Form einer Schwellung und leichten Rötung im Bereich des linken Auges sowie eines Kratzers am Hals am Körper verletzt.
Hingegen wurde Aneury de Jesus B***** ‑ soweit hier wesentlich ‑ von den weiters gegen ihn erhobenen Anklagevorwürfen, er habe in Linz und anderen Orten als Mitglied einer kriminellen Vereinigung vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge
B/ anderen überlassen, wobei er die Straftaten gewerbsmäßig beging und schon einmal wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt wurde und die Straftaten in Bezug auf Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigenden Grenzmenge beging, indem er
I/ von Anfang Jänner 2009 bis Anfang Mai 2009 (4 Monate) monatlich 700 Gramm Kokain, insgesamt sohin 2,8 Kilogramm Kokain, zum Grammpreis von 60 Euro vom abgesondert verfolgten Jose Antonio D***** („La Bici“) erwarb,
II/ von 2005/2006 bis 13. November 2007 (ausgenommen den Zeitraum 22. Juli 2007 bis 27. Juli 2007, in dem er sich in der Schweiz in Haft befand) bei mehreren Angriffen die unter Punkt A/ des Freispruchs genannte, insgesamt unbekannte, die Grenzmenge (§ 28b SMG) mehrfach übersteigende Menge an Kokain, und zwar zumindest 300 Gramm Kokain, die er von Jose M***** („Maxwell“) in der Schweiz erwarb,
und diese erworbenen Suchtgiftmengen abzüglich einer Kokainmenge von 185,80 Gramm Kokain (vgl Urteil des Landesgerichts Steyr zu AZ 11 Hv 3/08h betreffend Überlassung von Kokain an Wolfgang T*****) gewinnbringend an unbekannte Abnehmer sowie von Jänner 2009 bis Anfang Mai 2009 (18 Wochen) wöchentlich 100 Gramm Kokain, sohin insgesamt 1,8 Kilogramm Kokain (stammend entweder aus im Schuld‑ oder Freispruch angeführten Ankäufen), an den (abgesondert) rechtskräftig verurteilten Antonio Do***** verkaufte,
gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen die Schuldsprüche gerichteten und auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 5a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt teilweise Berechtigung zu, während die aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO gegen den Freispruch B erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ihr Ziel verfehlt.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten und zur amtswegigen Maßnahme:
Im Recht ist zunächst der zum Schuldspruch A/I erhobene Einwand unvollständiger Begründung (Z 5 zweiter Fall).
Die Beschwerde zeigt zutreffend auf, dass die Tatrichter die Feststellungen zum objektiven Sachverhalt (unter anderem) auf die Aussage der Zeugin Yokasta Altagracia H***** stützten, wonach sie genau von der Beteiligung des Beschwerdeführers am Suchtgiftschmuggel (durch Übergabe des Kokains an die unmittelbare Täterin) wisse (US 12, ON 7 S 49), ohne sich mit deren weiteren ‑ dazu indes in erörterungspflichtigem Widerspruch stehenden (vgl dazu RIS‑Justiz RS0118316; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 421, 425) ‑ Depositionen zu befassen, nach denen sie tatsächlich nicht über auf eigenen Wahrnehmungen basierende Kenntnisse verfüge, sondern bloß entsprechende ‑ von „Leuten“ oder „dominikanischen Landsleuten“ in die Welt gesetzte ‑ „Gerüchte“ gehört habe (ON 84 S 14 ff).
Im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur
überzeugte sich der Oberste Gerichtshof zudem, dass der Schuldspruch A/II (wie insoweit auch der bereits wegen formeller Mängel zu kassierende Schuldspruch A/I) in der Subsumtion der Taten unter den Qualifikationstatbestand des § 28a Abs 4 Z 1 SMG mit einer ungerügt gebliebenen, dem Angeklagten zum Nachteil gereichenden Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 10, § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) behaftet ist:
Die rechtliche Annahme der Tatbegehung als Mitglied einer kriminellen Vereinigung setzt nämlich Feststellungen zu sämtlichen Vereinigungsmerkmalen voraus, und zwar zu einem auf längere Zeit angelegten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, der darauf ausgerichtet ist, dass von einem oder mehreren Mitgliedern der Vereinigung ein oder mehrere Verbrechen (oder andere im Gesetz ‑ namentlich in § 278 Abs 2 StGB ‑ aufgezählte Straftaten) ausgeführt werden.
Während das quantitative Element (siehe US 5: „allein in Österreich wirkten mehr als 10 Personen an der Ausführung der Kokaingeschäfte mit“) und die kriminelle Zielsetzung (US 5: „die Tätergruppe […] konzentrierte sich auf den Schmuggel und Verkauf erheblicher Mengen Kokain aus der Dominikanischen Republik, den Niederlanden und der Schweiz nach Österreich“) ausreichend festgestellt wurden, finden sich im Urteil keinerlei Konstatierungen zu einem Zusammenschluss der Tätergruppe im Sinn einer (zwar nicht unbedingt ausdrücklichen, aber zumindest konkludenten) Willenseinigung, sich zur Erreichung des verpönten Zwecks zusammenzuschließen (vgl Plöchl in WK 2 § 278 Rz 5), sowie zum zeitlichen Element, wonach diese Vereinigung (nicht bloß faktisch, sondern aufgrund korrespondierender Willensäußerungen) auf längere Dauer angelegt ist ( Plöchl in WK 2 § 278 Rz 8 ff).
Da dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen und der aufgezeigte Begründungsmangel die Aufhebung des Urteils im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang bereits bei der nichtöffentlichen Beratung unumgänglich machen (§
285e, § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO), erübrigt sich eine Erörterung der darauf bezogenen (weiteren) Beschwerdeargumente.
Im Übrigen verfehlt die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ihr Ziel.
Entgegen dem Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) gingen die Tatrichter zu Recht von Gerichtsnotorietät eines 20%igen Reinheitsgehalts bei Kokain aus (US 20; RIS‑Justiz RS0119257 [T4, T6 und T8]), womit es einer weitergehenden Begründung nicht bedurfte ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 463; RIS‑Justiz RS0098570). Es trifft zwar zu, dass als gerichtsnotorisch nur Tatsachen gelten können, die allen Mitgliedern des erkennenden Spruchkörpers bekannt sind (vgl Lendl , WK‑StPO § 258 Rz 42 f, Kirchbacher , WK‑StPO § 246 Rz 33 mwN). Steht aber ‑ wie hier ‑ nicht bloß richterliches Einzelwissen (über Inhalt und Ergebnisse anderer Verfahren; vgl auch 11 Os 55/04), sondern ein von der Rechtsprechung allgemein (also losgelöst vom Einzelfall) anerkanntes Erfahrungswissen in Rede, genügt für die Bejahung ausreichender Kenntnisse der Schöffen ‑ dem Wesen der Laienbeteiligung entsprechend ‑ deren Instruktion durch den Vorsitzenden. Unterbleiben einer solchen aber wird ebensowenig behauptet wie, dass der ‑ wegen illegalen Handels mit Kokain vorbestrafte (US 5 f) ‑ Beschwerdeführer von einer ihm unbekannten Gerichtsnotorietät überrascht worden wäre (vgl auch den entsprechenden Hinweis in der Begründung der - in der Hauptverhandlung vorgetragenen [ON 55 S 2] - Anklageschrift [ON 47 S 16 f]; vgl auch Lendl , WK‑StPO § 258 Rz 44; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 463; Kirchbacher , WK-StPO § 281 Rz 34; RIS-Justiz RS0119094).
Der Verweis auf Gerichtsnotorietät im Zusammenhang mit einem von Antonio Do***** „unter Umgehung der Briefzensur“ an den Angeklagten übermittelten Brief (US 24) betrifft ausschließlich von den Freisprüchen B/I und B/II umfasste Taten, womit darauf bezogene Begründungsmängel - mangels Beschwer - einer Kritik durch den Angeklagten entzogen sind (vgl § 282 Abs 2 StPO; Ratz , WK-StPO § 282 Rz 14 ff).
Aktenkundige Lichtbilder vom 8. Dezember 2007, die den Suchtgiftlieferanten des Beschwerdeführers, Jacinto de Jesus F*****, und den Belastungszeugen Ionel L***** an diesem Tag in der Wohnung des Erstgenannten in Italien zeigen sollen, stehen ‑ dem Beschwerdestandpunkt zuwider ‑ nicht in erörterungspflichtigem Widerspruch (Z 5 zweiter Fall) zur Annahme eines Tatzeitraums ab Jänner 2007.
Der Einwand, „dass das Kokain, weswegen der Angeklagte vor dem Landesgericht Steyr verurteilt wurde, eine gänzlich andere Qualität hat“, entzieht sich mangels nachvollziehbarer Darstellung eines Nichtigkeitsgrundes einer inhaltlichen Erörterung (vgl im Übrigen US 20).
Widersprüche zwischen den Aussagen der Zeugen Ionel L***** und Isaura Ho*****, in Betreff der Menge des Kokains, das der Angeklagte wöchentlich von Jacinto de Jesus F***** bezog und in der Folge weiterverkaufte, haben die Tatrichter berücksichtigt und unter dem Aspekt der Glaubwürdigkeit ‑ Gesetzen logischen Denkens sowie grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechend ‑ ausführlich dargelegt, aus welchen Gründen sie insoweit den Angaben des Erstgenannten höhere Beweiskraft zubilligten (US 16 f).
Die Beurteilung der Überzeugungskraft von Aussagen kann unter dem Gesichtspunkt von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) mangelhaft erscheinen, wenn sich das Gericht mit gegen die Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit sprechenden Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt hat.
Indem die Beschwerde aber bloß auf ‑ in der angefochtenen Entscheidugn übrigens ohnehin berücksichtigte (US 17) ‑ Streitigkeiten zwischen Ionel L***** und Jacinto de Jesus F***** verweist und daraus Zweifel an der Verlässlichkeit der Angaben des Erstgenannten abzuleiten versucht, verfehlt sie den ‑ nicht in der Sachverhaltsannahme der Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit, sondern ausschließlich in den Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen gelegenen ‑Bezugspunkt des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes (vgl Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 431 f).
Der Einwand eines unerörterten Widerspruchs (erneut Z 5 zweiter Fall) zwischen der Behauptung des Zeugen Ionel L*****, er erzähle „nur Dinge, die er selbst gesehen und mitbekommen habe ...“ und seinem Eingeständnis, er wisse über Geschäfte des Angeklagten bloß über Hörensagen und nicht aus eigener Wahrnehmung, scheitert zudem schon an der unterlassenen ‑ bei (wie hier) umfangreichen Aktenmaterial jedenfalls gebotenen ‑ Angabe der Fundstelle in den Akten (RIS‑Justiz RS0124172). Im Übrigen bezog sich die angesprochene Aussage auf den vom Schuldspruch A/I umfassten Sachverhalt (ON 84 S 48).
Aus welchen Gründen die Tatrichter von uneingeschränkter Glaubwürdigkeit des in Rede stehenden Zeugen ausgingen, obwohl er den Beschwerdeführer auch in Betreff solcher Vorwürfe belastete, hinsichtlich derer letztlich ein Freispruch erfolgte, ist der Entscheidung hinwieder umfassend zu entnehmen (US 24 f).
Mit Blick auf die oben angesprochenen mängelfreien Erwägungen des Erstgerichts zur fehlenden Verlässlichkeit der Zeugin Isaura Ho***** in Bezug auf ihre Mengenangaben bestand ‑ entsprechend dem Gebot gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) ‑ unter dem Aspekt der Z 5 zweiter Fall keine Verpflichtung, Details ihrer diesbezüglichen Aussage (etwa zu Wahrnehmungen der ihr von Jacinto de Jesus F***** übergebenen Erlöse aus dem Suchtgiftverkauf oder zur Größe der zu deren Aufbewahrung verwendeten Tatsache) gesondert zu erörtern ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 394, 432).
Dem weiteren Einwand (der Sache nach Z 5 dritter Fall) zuwider ist ein Widerspruch zwischen den beweiswürdigenden Erwägungen, wonach der Zeuge Ionel L***** und Jacinto de Jesus F***** seit Anfang 2007 sehr gut befreundet waren und sogar zwei Monate in Italien miteinander wohnten (US 17), und den Feststellungen zu einem Tatzeitraum ab Jänner 2007 nicht gegeben.
Ob Jacinto de Jesus F***** Suchtgift an seine Abnehmer „verteilte“ oder „verkaufte“ ist nicht entscheidend.
Zum Schuldspruch A/II/a hat sich das erkennende Gericht mit den divergierenden Aussagen des Zeugen Antonio Do***** gleichfalls befasst und die Gründe, aus denen es von der Richtigkeit der (den Angeklagten belastenden) Angaben des Zeugen anlässlich seiner kriminalpolizeilichen Vernehmung überzeugt war, deren Widerruf in der Hauptverhandlung aber für unglaubwürdig hielt, umfassend dargelegt (US 18 f).
Die ‑ auf einen einzelnen (einleitenden) Satz dieser Erwägungen rekurrierende ‑ Beschwerde (Z 5 zweiter Fall) nimmt nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe Maß und verfehlt solcherart ihren gesetzlichen Bezugspunkt ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 394).
Soweit der Beschwerdeführer ‑ an mehreren Stellen der Mängelrüge ‑ die Argumente des Erstgerichts als nicht überzeugend erachtet und aus ohnehin erörterten Verfahrensergebnissen andere für ihn günstigere Schlüsse zieht, bringt er einen Begründungsmangel im Sinn der Z 5 nicht zur Darstellung (RIS‑Justiz RS0099535, RS0098362).
Mit bloßer Wiederholung der Argumentation der Mängelrüge gelingt es der Tatsachenrüge (Z 5a) nicht, sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen. Die Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit eines Zeugen (zu A/II des Ionel L***** [vgl US 15 ff und 24 f], des Antonio Do***** [US 18 f] und der Ysabel Reina R***** [US 19 f]) aufgrund des in der Hauptverhandlung gewonnen Eindrucks ist kein Gegenstand der Tatsachenrüge (RIS‑Justiz RS0099419).
Die den Schuldspruch B/ betreffende Subsumtionsrüge (Z 10) geht nicht von den tatrichterlichen Urteilsannahmen aus, wonach der Angeklagte der Kenia Altagracia G***** mit bedingtem Misshandlungsvorsatz ‑ wobei er es ernstlich für möglich hielt und sich billigend damit abfand, ihr körperliches Übel zuzufügen, ihr körperliches Wohlbefinden also nicht ganz unerheblich zu beeinträchtigen ‑ einen Stoß versetzte, wodurch sie ‑ für den Angeklagten vorhersehbar ‑ gegen eine Tischkante fiel und dadurch am Kopf in Form einer Schwellung und leichten Rötung im Bereich des linken Auges und eines leichten Kratzers am Hals verletzt wurde (US 9 f). Auch damit verfehlt sie ihre Ausrichtung am Gesetz (für viele RIS‑Justiz RS0099724).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:
Die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) rügt zum Freispruch B/I (US 3, betreffend die Anklagefakten B./[II./ und III./] 1./; siehe ON 47 S 2 ff), deutlich und bestimmt bloß die unterlassene Auseinandersetzung mit der ‑ in der Hauptverhandlung vorgekommenen (ON 87 S 2) ‑ „geständigen Einlassung“ des Zeugen Antonio Do***** „in seiner eigenen Hauptverhandlung“ (ON 46 S 19). Weshalb aber dieses pauschale Schuldbekenntnis hinsichtlich des den Genannten betreffenden Anklagevorwurfs, selbst eine (wenn auch nach dem Anklagetenor von Aneury de Jesus B***** übernommene) Menge von 1.800 Gramm Kokain anderen durch gewinnbringenden Verkauf überlassen zu haben, per se in erörterungsbedürftigen Widerspruch zu den bekämpften Negativfeststellungen stehen sollte, erklärt die Beschwerde nicht. Im Übrigen hat der Genannte auch in diesem gegen ihn geführten Verfahren ‑ über Vorhalt der Angaben des Zeugen Ionel L***** ‑ betont, dass der hier Angeklagte im Jahr 2009 gar nicht in Österreich war, sondern ab November 2008 in Santo Domingo lebte (ON 46 S 13).
Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft sowie jene des Angeklagten, soweit sie sich auf den Schuldspruch A/II bezieht, waren somit ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285d StPO) sofort zurückzuweisen.
Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die Kassation des Strafausspruchs zu verweisen.
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO; er bezieht sich nicht auf das amtswegige Vorgehen ( Lendl , WK‑StPO § 390a Rz 12).
Im zweiten Rechtsgang wird im Fall eines neuerlichen Schuldspruchs zu Urteilsfaktum A/I zu beachten sein, dass gewerbsmäßige Begehung die Absicht des Täters voraussetzt, sich durch die wiederkehrende Begehung von Straftaten desselben Deliktstypus (vgl RIS‑Justiz RS0108366) ‑ das heißt im Anlassfall durch die wiederkehrende Ein‑ und Ausfuhr von Suchtgift gemäß § 28a Abs 1 erster und zweiter Fall SMG ‑ eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.
Die im angefochtenen Urteil konstatierte Absicht des Angeklagten, „sich durch die anhaltende und wiederholte Dealertätigkeit […] über einen langen Zeitraum eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen“ oder „durch gewinnbringende Weiterveräußerung des geschmuggelten Suchtgifts fortlaufend Profit zu bereiten“ (US 9), vermag nämlich bloß Gewerbsmäßigkeit bei der Überlassung von Suchtgift (§ 28a Abs 1 fünfter Fall SMG), nicht aber beim (hier bloß einmaligen) Suchtgiftschmuggel im Sinn des § 28a Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (mit anschließend wiederholten Verwertungshandlungen) zu begründen (vgl RIS‑Justiz RS0086909; siehe auch RIS‑Justiz RS0087902 sowie Jerabek in WK² § 70 Rz 9).
Zudem bezieht sich die im Anhang 1 zur Suchtgift‑Grenzmengenverordnung genannte Grenzmenge von 15 Gramm „Cocain“ gemäß § 2 SGV nicht auf Salze, sondern auf die Base dieses Suchtgifts. Die Feststellung eines bestimmten Quantums an „Cocain‑Hydrochlorid“ (vgl US 8) bietet daher keine ausreichende Sachverhaltsgrundlage für die rechtliche Annahme eines Übersteigens der Grenzmenge (§ 28b SMG; 11 Os 116/10h, 14 Os 86/12x).
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