OGH 11Os104/12x

OGH11Os104/12x9.10.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Oktober 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Scheickl als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Friday O***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 16. Mai 2012, GZ 11 Hv 21/12t-89, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Friday O***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG sowie „der“ (richtig: des) Vergehen(s) der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Fall SMG schuldig erkannt.

Danach hat er in Graz und andernorts vorschriftswidrig Suchtgift

(1) in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er insgesamt zumindest 12.000 Gramm Cannabiskraut (zu ergänzen [US 5]: mit einer Reinsubstanz an THC von zumindest 480 Gramm), die er im Zeitraum von Herbst 2010 bis August 2011 in zumindest zwölf Angriffen gegen Entgelt von Wien nach Graz befördert hatte, an im Ersturteil namentlich genannte abgesondert verfolgte Personen sowie an weitere, nicht namentlich bekannte Abnehmer mit Gewinnaufschlag verkaufte;

(2) in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz besessen und befördert, dass es in Verkehr gesetzt werde, indem er am 26. August 2011 992,8 Gramm Cannabiskraut mit einer Reinsubstanz an THC von zumindest 58,3 Gramm vom abgesondert verfolgten Mohamed F***** gegen ein Entgelt von 4.500 Euro übernahm und zum Zwecke des späteren Überlassens an nicht namentlich bekannte Abnehmer nach Graz beförderte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Obwohl sie sich gegen das gesamte Urteil wendet, bekämpft sie inhaltlich nur den Schuldspruch (1). Da der Beschwerdeführer somit in Bezug auf den Schuldspruch (2) weder bei der Anmeldung noch der Ausführung der Beschwerde Nichtigkeitsgründe einzeln und bestimmt bezeichnete, war in diesem Umfang auf sie keine Rücksicht zu nehmen.

Das Schöffengericht hat seine den Schuldspruch (1) tragenden Feststellungen zur Anzahl der vom Angeklagten durchgeführten Fahrten von Wien nach Graz sowie zu den dabei beförderten und sodann weiteren Personen überlassenen Suchtgiftquanten - in differenzierender Würdigung der wechselnden Verantwortung des Nichtigkeitswerbers (US 6 bis 8) - zum einen auf die diesen belastenden Aussagen des Zeugen Alhagi J***** im Zusammenhalt mit den Überwachungsprotokollen von Telefongesprächen des Angeklagten mit Jamba S*****, Samba K***** und Mohamed F***** (US 5 f), zum anderen auf die Angaben der namentlich bekannten Abnehmer gestützt (US 9 f).

Die (nominell verfehlt auch aus Z 5a erhobene) Behauptung der Mängelrüge (der Sache nach nur Z 5 vierter Fall; vgl RIS-Justiz RS0117446 [T4]), die Tatrichter seien - trotz angeblich völligem Fehlen aktenkundiger, für die Schuld des Angeklagten sprechender Beweisergebnisse - bloß aufgrund von Vermutungen zu diesen Konstatierungen gelangt, ignoriert die dazu angestellten beweiswürdigenden Erwägungen des Erstgerichts (US 5 bis 10). Indem sie solcherart von der Gesamtheit der Entscheidungsgründe abweicht, bringt sie den geltend gemachten (formellen) Nichtigkeitsgrund nicht zu prozessförmiger Darstellung (RIS-Justiz RS0099025 [T5, T12]).

Die Kritik der Tatsachenrüge (Z 5a), es sei „unverständlich“, warum der Einlassung des Angeklagten, „nur einmal eine Transportfahrt durchgeführt“ zu haben, kein Glauben geschenkt worden sei, entwickelt der Beschwerdeführer nicht aus in der Hauptverhandlung vorgekommenen Beweismitteln (§ 258 Abs 1 StPO) und verfehlt solcherart die gebotene Ausrichtung an der Verfahrensordnung (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 481), zumal er seine zuletzt gewählte Verantwortung, er habe neben der vom Schuldspruch (2) umfassten noch sechs weitere Fahrten von Wien nach Graz unternommen und (allein) dabei insgesamt 1.100 Gramm Cannabiskraut befördert (ON 69 S 2 f), vernachlässigt. Er verkennt zudem, dass der zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit eines Angeklagten aufgrund des von diesem in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks führende kritisch-psychologische Vorgang als solcher einer Anfechtung aus § 281 Abs 1 Z 5a StPO entzogen ist (RIS-Justiz RS0099649).

Die Subsumtionsrüge (Z 10) leitet nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS-Justiz RS0116565; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588), aus welchem Grund der Tatbestand des § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG nur dann erfüllt sein sollte, „wenn der Angeklagte sozusagen einen regelmäßigen Pendlerdienst zwischen Wien und Graz aufgezogen und organisiert hätte“. Mit dem Einwand, der Angeklagte verstehe nicht, „um was es sich beim sogenannten Additionseffekt handle“, sodass von einem solchen „gar nicht die Rede sein“ könne und „jegliche Qualifikation, die mit diesem Begriff verbunden wäre, auszuschließen“ sei, übergeht sie die zur subjektiven Tatseite getroffenen Feststellungen (US 4 f) und verlässt damit den Anfechtungsrahmen des herangezogenen (materiellen) Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0099810).

Der Vollständigkeit halber sei daran erinnert, dass die Verwirklichung jeder Vorsatztat in subjektiver Hinsicht zwar voraussetzt, dass der Täter die für die Erfüllung der wesentlichen Tatbildmerkmale maßgeblichen Sachverhaltselemente in ihrer Bedeutung erkennt und in seinen Vorsatz aufnimmt, nicht aber, dass er auch die rechtliche Wertung der einer besonderen Auslegung bedürftigen normativen Begriffe juristisch exakt vornimmt. Es genügt vielmehr, dass er den sozialen Sinngehalt dieses Begriffs erkennt und sich auf diese Weise des spezifischen Unwerts der Rechtsgutverletzung in laienhafter Weise bewusst wird (RIS-Justiz RS0088928).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung folgt (§ 285i StPO).

Dabei wird das Berufungsgericht zu berücksichtigen haben (Ratz, WK-StPO § 283 Rz 1; RIS-Justiz RS0122140), dass das Schöffengericht im Schuldspruch (2) zu Unrecht ausdrücklich von der Verwirklichung nicht bloß eines Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Fall SMG ausgegangen ist und damit den Erschwerungsgrund nach § 33 Abs 1 Z 1 StGB - solcherart maßgebend (§ 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO) - in Gestalt des Zusammentreffens eines Verbrechens mit mehreren Vergehen in Rechnung gestellt hat (US 2 und 11).

Zur Vermeidung von Missverständnissen ist darauf hinzuweisen, dass im Fall des Besitzes und des Beförderns ein- und derselben, die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Suchtgiftmenge der Tatbestand des § 28 Abs 1 zweiter und dritter Fall SMG nur einmal verwirklicht wird (alternatives Mischdelikt; vgl RIS-Justiz RS0125736) und die zu § 28a Abs 1 SMG mit Blick auf die Qualifikation der Gewerbsmäßigkeit nach § 28a Abs 2 Z 1 SMG herrschende Judikatur (Erfüllung des Tatbestands nach § 28a Abs 1 SMG bereits bei Überschreiten der Grenzmenge und demzufolge Annahme mehrerer Verbrechen auch bei einer einzigen Tat nach Maßgabe der Anzahl der durch diese Tat erfassten, gedanklich zu trennenden, jeweils die Grenzmenge übersteigenden Mengen) bei § 28 Abs 1 SMG idgF mangels einer dort bestehenden Qualifikation der Gewerbsmäßigkeit nicht anzuwenden ist (vgl RIS-Justiz RS0119836; RS0123912).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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