OGH 8ObA39/12m

OGH8ObA39/12m26.7.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Günter Steinlechner und Harald Kohlruss als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei K***** H*****, vertreten durch Dr. Maximilian Hofmaninger, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, gegen die beklagte Partei E***** GmbH, *****, vertreten durch Holter-Wildfellner Rechtsanwälte OG in Grieskirchen, wegen 966,09 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. Mai 2012, GZ 11 Ra 29/12g-14, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 2 ASGG, § 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Das Berufungsgericht ist zur Frage der Abgrenzung von Verzicht und Vergleich bezüglich unabdingbarer Ansprüche nicht von der ständigen Rechtsprechung abgewichen (RIS-Justiz RS0029958; RS0028337). Zwischen den Streitteilen bestanden nach dem Sachverhalt weder zweifelhafte Ansprüche, noch eine anderweitig ungeklärte Sach- oder Rechtslage (RIS-Justiz RS0028337). Die Revision stellt auch nicht in Frage, dass dem Dienstgeber nach § 10 Abs 1 UrlG ein Anspruch auf Rückverrechnung des Entgelts für einen Urlaubsvorgriff weder bei einvernehmlicher Auflösung des Dienstverhältnisses, noch bei einer Selbstkündigung des Dienstnehmers zusteht, und dass diese Rechtsposition unabdingbar ist.

2. Ob eine Handlung als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren ist, muss stets nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden. Eine erhebliche Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO würde in diesem Zusammenhang nur aufgeworfen, wenn dem angefochtenen Urteil eine zu korrigierende krasse Fehlbeurteilung anhaften sollte (RIS-Justiz RS0110900 [insb T2]).

Die Durchsetzung unabdingbarer gesetzlicher Ansprüche kann nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen einen Rechtsmissbrauch darstellen, wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen Teils ein ganz krasses Missverhältnis besteht (8 ObA 81/08g; 9 ObA 144/05z; 9 Ob 32/02z mwN). Die Beurteilung des Berufungsgerichts, das dieses Missverhältnis im vorliegenden Fall insbesondere deswegen verneint hat, weil die Beklagte auch bei der alternativ in Betracht kommenden Selbstkündigung der Klägerin keinen Anspruch auf Rückerstattung des Urlaubsentgelts gehabt hätte, ist in der vorliegenden Konstellation jedenfalls nicht unvertretbar (vgl auch RIS-Justiz RS0077538 [T3]). Die Beklagte ist in ihrem Bestreben, aus der Zwangslage der Klägerin, die bei Dienstnehmerkündigung keine Ausbildungsförderung erhalten hätte, zu Lasten Dritter (AMS) einen nach dem Gesetz nicht zustehenden Vorteil zu lukrieren, keineswegs erkennbar schutzwürdig.

3. Selbst die Revision gesteht ausdrücklich zu, dass die rückwirkende Vereinbarung einer Aussetzung des Dienstverhältnisses anstelle des konsumierten Erholungsurlaubsvorgriffs dem Zweck dienen sollte, wirtschaftlich das selbe Ergebnis zu erzielen wie die gesetzlich verpönte Rückverrechnung des Urlaubsentgelts. Wenn die Vorinstanzen diese Abrede als typisches Umgehungsgeschäft gewertet haben (vgl RIS-Justiz RS0113579; RS0018192; RS0016780 ua), ist auch darin keine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken.

Stichworte