OGH 4Ob98/12h

OGH4Ob98/12h10.7.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** K*****, vertreten durch Kreissl & Pichler & Walter Rechtsanwälte GmbH in Liezen, gegen die beklagte Partei H***** K*****, vertreten durch Dr. Gerald Haas und andere Rechtsanwälte in Wels, wegen 70.026 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 8. März 2012, GZ 2 R 10/12x‑61, womit das Urteil des Landesgerichts Wels vom 4. November 2011, GZ 8 Cg 20/08z‑57, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Zwischen den Streitteilen bestand seit 1992 eine Lebensgemeinschaft. Die im Jahr 1997 geschlossene Ehe wurde im Juli 2005 geschieden.

Am 23. 6. 2006 brachte der Kläger als Antragsteller im Verfahren zur Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse vor, die Streitteile hätten das im Eigentum der Beklagten stehende Haus als Ehewohnung bewohnt. Das Haus sei während aufrechter Lebensgemeinschaft, jedoch vor Eheschließung erbaut worden. Die Ehewohnung sei nicht Gegenstand des Aufteilungsverfahrens, allerdings seien während aufrechter Ehe wertsteigernde Investitionen vorgenommen worden, die als Vermögensanlage gedient hätten und der Aufteilung nach §§ 81 ff EheG unterlägen. Er begehre ausgehend von einem Wert seiner Aufwendungen von 22.000 EUR eine Ausgleichszahlung von 11.000 EUR.

In der Tagsatzung vom 10. 8. 2006 schlossen die Streitteile im Aufteilungsverfahren einen Vergleich, wonach sich die Beklagte verpflichtete, an den Kläger in Abgeltung der Ansprüche aus dem Titel der Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens 2.125 EUR bis 18. 8. 2006 zu bezahlen. Mit diesem Vergleich sollten „sämtliche Ansprüche aus dem Titel Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens iSd §§ 81 ff EheG“ erledigt und verglichen sein.

Zeitgleich mit der Einleitung des Aufteilungsverfahrens begehrte der Kläger in diesem Verfahren (nach späterer Einschränkung) 70.026 EUR mit dem Vorbringen, die Streitteile hätten noch vor der Eheschließung, aber bei aufrechter Lebensgemeinschaft, gemeinsam das Haus auf der im Eigentum der Beklagten stehenden Liegenschaft gebaut, das später als Ehewohnung gedient habe und aus dem der Kläger im Zuge des Scheidungsverfahrens ausgezogen sei. Da die Beklagte das Haus in die Ehe eingebracht habe, seien die Ansprüche des Klägers im streitigen Verfahren zu klären. Zu Beginn der Lebensgemeinschaft 1992 sei die Beklagte bereits im Besitz der Liegenschaft samt 1989 begonnenem Rohbau gewesen. Die Streitteile hätten das Haus in der gemeinsamen Absicht, darin den Lebensabend zu verbringen, fertig gebaut. Durch die Scheidung hätte sich die Erwartung des Klägers nicht erfüllt, weshalb er seine umfangreichen frustrierten Aufwendungen nunmehr geltend mache. Im Aufteilungsverfahren habe zwischen den Streitteilen Einvernehmen darüber bestanden, dass die klagegegenständlichen Ansprüche betreffend das Haus dort nicht Verfahrensgegenstand gewesen seien, sondern nur sonstige eheliche Vermögenswerte.

Die Beklagte wendete ein, der Kläger sei aufgrund seiner schlechten finanziellen Situation zu Investitionen gar nicht in der Lage gewesen. Soweit solche überhaupt erfolgt seien, seien sie nunmehr wertlos. Das ihr vom Kläger im Juni 1992 gewährte Darlehen habe sie zurückbezahlt. Da das Verfahren über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens nach § 81 ff EheG zwischen den Streitteilen mit Vergleich vom 10. 8. 2006 beendet worden sei, könnte die Klage wegen Ansprüchen aus der vorehelichen Lebensgemeinschaft aus dem Titel der Zweckverfehlung nicht mehr erhoben werden, zumal die Geltendmachung dieser Ansprüche im Aufteilungsverfahren versäumt worden sei. Überdies wendete die Beklagte Gegenforderungen ein.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Zwar schlössen die Vorschriften über die Aufteilung des Vermögens nach Scheidung (§§ 81 ff EheG) eine vorgängige Kondiktion wegen Zweckverfehlung nach § 1435 ABGB oder die Rückforderung einer Schenkung nach allgemeinen Vorschriften nicht aus, eine spätere Geltendmachung nach der Aufteilung des Vermögens gemäß den §§ 81 ff EheG, die eine globale Billigkeitslösung enthalte, bei der auch die Beiträge der Ehegatten zu berücksichtigen seien (§ 83 Satz 2 EheG), sei jedoch ausgeschlossen, wenn solche Kondiktionsansprüche nicht erhoben worden seien. Eine spätere Geltendmachung von Kondiktionsansprüchen wegen Zweckverfehlung aus der vorehelichen Lebensgemeinschaft sei nach der Aufteilung des Vermögens ausgeschlossen.

Das Berufungsgericht hob die Klageabweisung auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob ein beendetes Aufteilungsverfahren auch Kondiktionen zu Ansprüchen hindere, die nicht in die Aufteilungsmasse fielen, und sich das Gegenteil nur aus der systematischen Auslegung der gesetzlichen Regeln ergebe. Würden ‑ wie hier ‑ Ansprüche außerhalb des Aufteilungsverfahrens geltend gemacht, hindere ein vorheriges Aufteilungsverfahren die nachträgliche Geltendmachung außerhalb dieses Verfahrens liegender und damit die Aufteilungsmasse nicht betreffender Ansprüche nicht. Im Vorbringen des Aufteilungsantrags und im Klagevorbringen habe der Kläger die zutreffende Rechtsmeinung vertreten, dass Aufwendungen in das Haus der Beklagten während der Lebensgemeinschaft nicht in die Aufteilungsmasse fielen. Der Aufteilung unterlägen nur solche Vermögenswerte, die während des Bestehens der ehelichen Lebensgemeinschaft geschaffen worden seien. Investitionen während einer der Ehe unmittelbar vorangegangenen nichtehelichen Lebensgemeinschaft zwischen den späteren Ehegatten blieben bei der Aufteilung unberücksichtigt. Münde eine nichteheliche Lebensgemeinschaft in eine Ehe, behielten die von den Lebensgefährten einzeln oder gemeinsam in die Ehe eingebrachten Sachen ihre bisherige rechtliche Zuordnung und gehörten im Fall der Auflösung der Ehe ‑ vorbehaltlich der Sonderregelung des § 82 Abs 2 EheG ‑ nicht in die Aufteilungsmasse. Auch der Umstand, dass bei einer Aufteilung des Vermögens gemäß den §§ 81 ff EheG eine spätere Geltendmachung von Ansprüchen, die im Aufteilungsverfahren nicht erhoben worden seien, nicht mehr möglich sei, weil mit der Aufteilung des Vermögens eine globale Billigkeitslösung verbunden sei (§ 83 Satz 2 EheG), hindere die Geltendmachung außerhalb des Aufteilungsverfahrens liegender Ansprüche nicht, weil aus der demonstrativen Aufzählung im § 83 EheG klar hervorgehe, dass der Gesetzgeber Billigkeitserwägungen nur dort zulasse, wo ein Konnex zur Aufteilungsmasse bestehe. Kondiktionsansprüche bezüglich Schenkungen, die die Aufteilungsmasse des Verfahrens nach §§ 81 ff EheG nicht beträfen, seien durch ein vorheriges Aufteilungsverfahren nicht gehindert. Hier sei überdies das Aufteilungsverfahren und das Kondiktionsverfahren gleichzeitig eingeleitet worden, wobei der Kläger ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass der zivilrechtliche Kondiktionsanspruch bewusst außerhalb des Aufteilungsverfahrens geltend gemacht werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Beklagten, mit dem sie die Wiederherstellung der erstgerichtlichen Klageabweisung anstrebt, ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Beklagte steht auf dem Standpunkt, die Liegenschaft samt Haus wäre als Ehewohnung jedenfalls in die Aufteilung miteinzubeziehen gewesen, weshalb die ausschließlich Investitionen in die Ehewohnung betreffenden Ansprüche des Klägers mit dem im Aufteilungsverfahren geschlossenen Generalvergleich mitverglichen und daher vom Erstgericht zu Recht abgewiesen worden seien.

Zunächst ist zu klären, ob für den vom Kläger mit Klage erhobenen Anspruch das streitige oder das außerstreitige Verfahren zulässig ist.

Für die Beurteilung, ob eine Rechtssache im streitigen oder außerstreitigen Verfahren zu entscheiden ist, kommt es auf den Wortlaut des Entscheidungsbegehrens und die zu seiner Begründung vorgebrachten Sachverhaltsbehauptungen an (RIS‑Justiz RS0013639, RS0046245). Gehört ein im Streitverfahren geltend gemachter Anspruch in Wahrheit in das Außerstreitverfahren, so ist gemäß § 40a JN vorzugehen. Dies gilt auch dann, wenn sich die Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs erst im Rechtsmittelverfahren herausstellt (RIS‑Justiz RS0045584).

Nach ständiger Rechtsprechung kommt dem Aufteilungsverfahren Vorrang zu. Soweit aufzuteilendes Vermögen der Ehegatten betroffen ist, soll zuerst dessen Rechtszuständigkeit im Außerstreitverfahren geklärt werden. Erst nach dort erfolgter Klärung, dass einzelne Gegenstände, Ersparnisse oder Rechte nicht der Aufteilung unterliegen, können Rechtsstreitigkeiten der Ehegatten untereinander im Streitverfahren geführt werden. Damit soll verhindert werden, dass das in einem Rechtsstreit gewonnene Ergebnis durch eine noch mögliche Rechtsgestaltung im Außerstreitverfahren umgestoßen oder überholt würde (RIS‑Justiz RS0111605).

Allerdings ist die Überweisung streitiger Rechtssachen, in denen Ansprüche zwischen ehemaligen Ehegatten hinsichtlich des ehelichen Gebrauchsvermögens oder ehelicher Ersparnisse geltend gemacht werden, an das Außerstreitgericht nur innerhalb der Einjahresfrist des § 95 EheG oder bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Aufteilungsverfahrens möglich (RIS‑Justiz RS0008531). Im vorliegenden Fall ist das Aufteilungsverfahren durch den Vergleich vom 10. 8. 2006 beendet, sodass für eine Verweisung in das Außerstreitverfahren kein Raum bleibt; auch deshalb, weil die im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Ansprüche dadurch gerade nicht im ‑ bereits beendeten ‑ Aufteilungsverfahren geprüft werden können, während andererseits durch die Verweisung der bisherige Prozessaufwand im Streitverfahren vernichtet würde. Daher sprechen auch prozessökonomische Erwägungen dafür, jedenfalls jetzt von einer Verweisung in das Außerstreitverfahren abzusehen (vgl 6 Ob 98/09v).

Darüber hinaus verwies das Berufungsgericht zu Recht darauf, dass die die vorehelichen Aufwendungen auf die spätere Ehewohnung betreffenden Ansprüche des Klägers im Hinblick auf § 82 Abs 2 EheG nicht der Aufteilung unterliegen. Die Ehewohnung, die ein Ehegatte in die Ehe eingebracht oder von Todes wegen erworben oder die ihm ein Dritter geschenkt hat, ist in die Aufteilung nicht einzubeziehen, wenn der andere Ehegatte auf ihre Weiterbenützung zur Sicherung seiner Lebensbedürfnisse nicht angewiesen ist oder dies nicht für ein gemeinsames Kind zutrifft. Nach dem hier maßgeblichen Vorbringen des Klägers hat er kein dringendes Wohnbedürfnis an der im Eigentum der Beklagten befindlichen Ehewohnung.

Im Hinblick auf die ausdrücklich getrennte Geltendmachung von Ansprüchen aus der vorehelichen Lebensgemeinschaft mit dieser Klage einerseits und den Ansprüchen aus Aufwendungen während aufrechter Ehe im Aufteilungsverfahren andererseits kann der Vergleich der Streitteile vom 10. 8. 2006 auch nicht so ausgelegt werden, dass die hier zu beurteilenden Ansprüche aus vorehelichen Aufwendungen durch den ausdrücklich auf Ansprüche nach §§ 81 ff EheG bezogenen Vergleich mitverglichen worden sein sollten.

Die materiell‑rechtliche einjährige Fallfrist des § 95 EheG, deren Nichteinhaltung zum Anspruchsverlust führt (RIS‑Justiz RS0057726), gilt nur für Aufteilungsansprüche, also Ansprüche auf Rechtsgestaltung iSd § 81 ff EheG, nicht aber für damit möglicherweise aus dem Zivilrecht ableitbare konkurrierende alternative Ansprüche (RIS‑Justiz RS0110013).

Schließlich ist noch dem Vorbringen der Beklagten zu entgegnen, es wäre unbillig, neben im Aufteilungsverfahren geltend gemachten Ansprüche noch weitere Ansprüche für Aufwendungen auf die Ehewohnung zuzulassen, zumal die zeitliche Zuordnung des Wertzuwachses schwierig bis unmöglich sei, dies zu Rechtsunsicherheit führte und überdies den Zweck des Aufteilungsverfahrens unterliefe. Alle diese Erwägungen sind im vorliegenden Fall nicht maßgeblich, weil die Anspruchsteilung durch den Kläger bei beiden gleichzeitig eingeleiteten Verfahren eindeutig offen gelegt wurde und bestimmte, eindeutig abgegrenzte Ansprüche vergleichsweise bereinigt wurden. Die Voraussetzungen für die darüber hinaus vom Kläger geltend gemachten, nicht vom Aufteilungsverfahren nach §§ 81 ff EheG erfassten Ansprüche wegen Zweckverfehlung während der Lebensgemeinschaft gemachter Aufwendungen sind vom Kläger zu behaupten und zu beweisen. Allfällige Schwierigkeiten bei der Wertzuordnung oder sonstige Probleme bei der Aufklärung des Sachverhalts belasten nur den beweispflichtigen Kläger und nicht die Beklagte. Bei Vergleichsabschluss am 10. 8. 2006 war ihr überdies infolge gleichzeitiger Geltendmachung von Ansprüchen einerseits im Aufteilungsverfahren und andererseits in diesem Verfahren klar, dass der Kläger auch über den Vergleichsgegenstand hinaus Ansprüche gegen sie erhoben hat, die aber vom Vergleich nicht umfasst waren.

Dem insgesamt unberechtigten Rekurs der Beklagten musste daher ein Erfolg versagt bleiben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 2 ZPO.

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