OGH 1Ob81/12m

OGH1Ob81/12m22.6.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elisabeth M*****, vertreten durch Dr. Peter Vögel, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Thomas Lederer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 32.245,20 EUR sA über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 1. März 2012, GZ 3 R 31/12x-16, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 29. November 2011, GZ 17 Cg 30/11s-12, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Inhalt und Umfang der Beratungspflicht sind von einer Reihe von Faktoren abhängig, die sich einerseits auf die Person des Kunden und andererseits auf das Anlageprodukt beziehen. Die konkrete Ausgestaltung der Beratungspflichten hängt damit entscheidend von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0029601 [T9]). Die Informationserteilung hat dem Gebot vollständiger, richtiger, rechtzeitiger und verständlicher Beratung zu genügen, durch die der Kunde in den Stand versetzt werden muss, die Auswirkungen seiner Anlageentscheidungen zu erkennen (RIS-Justiz RS0108074 [T10]). Eine grobe Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts, das das Vorliegen eines Beratungsfehlers verneinte, liegt hier nicht vor.

Der Klägerin war das im März 2008 erworbene Produkt aufgrund einer vorangegangenen Veranlagung bereits bekannt. Sie war mit den grundsätzlichen Risiken derartiger Wertpapiere nach ihren eigenen Angaben in ihrem, der hier zu beurteilenden Veranlagung zugrunde liegenden Anlegerprofil durchaus vertraut. Die Bedingungen der Emittentin, die das Kündigungsrecht des Erwerbers ausschlossen, waren unter anderem auf der Rückseite des Kaufantrags abgedruckt. Da der Rückkauf der Wertpapiere bis Oktober 2008 entgegen diesen Bedingungen innerhalb einer Woche bedingungslos vorgenommen wurde, ist es vertretbar, das Anlageprodukt als dem Wunsch der Klägerin nach einer beispielsweise im Vergleich zu einem Sparbuch wesentlich höher verzinsten, aber jederzeit verfügbaren Veranlagung entsprechend einzustufen und keine zusätzliche mündliche Aufklärung zum Kündigungsrecht zu fordern. Eine allgemeine Pflicht zur Aufklärung über die theoretische Möglichkeit der Insolvenz einer Emittentin, für deren Eintritt im Erwerbszeitpunkt keine Anhaltspunkte vorliegen, besteht nicht (4 Ob 20/11m = EvBl 2011/119 [zust Klausberger]; 1 Ob 77/12y je mwN ua). Nach dem festgestellten Sachverhalt gab es zum Zeitpunkt des Erwerbs des Anlageprodukts für die beklagte Beraterin keinerlei Hinweise darauf, dass strafbare Handlungen von Verantwortlichen der Emittentin deren Insolvenz und die Einstellung der Rückkäufe zur Folge haben könnten. Ist eine Fehlberatung auf vertretbare Weise zu verneinen, stellen sich die in der außerordentlichen Revision noch erörterten Fragen des Rechtswidrigkeitszusammenhangs bei Risikoerhöhung (vgl RIS-Justiz RS0127012) nicht.

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