OGH 1Ob77/12y

OGH1Ob77/12y24.5.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Michaela S*****, vertreten durch Thiery & Ortenburger Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. R***** reg GenmbH, *****, und 2. R***** GmbH, *****, beide vertreten durch Tinzl & Frank Rechtsanwälte-Partnerschaft in Innsbruck, wegen 39.933,44 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 23. Februar 2012, GZ 2 R 4/12y-11, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 4. November 2011, GZ 59 Cg 114/11g-7, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Der Umstand allein, dass sich die hier zu beantwortenden Rechtsfragen auch in mehreren weiteren Parallelverfahren stellten und stellen, bewirkt nicht die Erheblichkeit im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0042816). Zudem war der auch hier zu beurteilende Erwerb einer Second-Hand-Lebensversicherungspolizze bereits Gegenstand insbesondere der Entscheidungen 1 Ob 115/11k, 8 Ob 40/11g und 4 Ob 184/11d.

2. Die Ausführungen zur „Untragbarkeit“ der zugesicherten Rendite für die Emittentin bzw für den Rückversicherer und die Behauptung, das Kapitalanlageprodukt sei sowohl für die Emittentin als auch für den Rückversicherer höchst spekulativ gewesen, sind unbeachtliche Neuerungen (§ 504 Abs 2 ZPO). Die Frage, ob ein Anlageberater verpflichtet ist, (die Klägerin) auf das besonders hohe finanzielle Risiko des Anlagegeschäfts für den Emittenten hinzuweisen, stellt sich schon aus diesem Grund nicht.

3. Inhalt und Umfang der Beratungspflicht sind von einer Reihe von Faktoren abhängig, die sich einerseits auf die Person des Kunden und andererseits auf das Anlageprodukt beziehen. Die Beratungs- und Aufklärungspflichten von Banken - wie hier der Erstbeklagten - sind grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls. Gegenteiliges gilt nur dann, wenn eine grobe Fehlbeurteilung vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste (RIS-Justiz RS0029601 [T9]; RS0106373). Eine solche liegt hier nicht vor.

Die Klägerin, die bereits Veranlagungserfahrungen in „M*****-Anlagen“ hatte, erfuhr in ihrem privaten Umfeld von der Möglichkeit der Veranlagung in Second-Hand-Lebensversicherungen und erhielt einen diesbezüglichen Prospekt. Sie wandte sich an die Erstbeklagte und wollte eine Bewertung, ob sie in das Produkt laut diesem Prospekt investieren solle. Die Mitarbeiter der Erstbeklagten stellten in den Gesprächen mit der Klägerin - wie von der Rechtsprechung bei unzureichenden Kenntnissen gefordert (RIS-Justiz RS0108073) - ausdrücklich klar, dass sie nicht über mehr Informationen verfügten, als im Prospekt enthalten waren. Wenn für die Klägerin auf der Grundlage der Informationen aus dem Prospekt keine Fragen offen waren und sie sich zum Erwerb der Second-Hand-Lebensversicherungspolizze entschloss, kann sie sich nicht später darauf berufen, die Erstbeklagte hätte ihr anbieten müssen, weitere Informationen über das Produkt und die Bonität der U***** S***** I***** Inc. (kurz: USI) sowie des Rückversicherers einzuholen. Vielmehr ist ihr Verhalten - wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte - im Sinn des § 863 ABGB als konkludenter Verzicht auf weitere Aufklärung zu werten. Zudem ist eine allgemeine Pflicht zur Aufklärung über die theoretische Möglichkeit der Insolvenz einer Emittentin oder Garantin, für deren Eintritt im Erwerbszeitpunkt keine Anhaltspunkte vorliegen, zu verneinen (8 Ob 47/11m; 8 Ob 40/11g). Den Mitarbeitern der Erstbeklagten war die Rückversicherungsgesellschaft nicht bekannt und sie legten dies der Klägerin auch offen, sodass sich diese nicht nachträglich auf die unterlassene Aufklärung über die Bonität der Garantin berufen kann. Dass im Zeitpunkt des Erwerbs der Second-Hand-Polizze durch die Klägerin bereits Informationen zugänglich gewesen wären, wonach die USI oder der Rückversicherer insolvenzgefährdet waren oder Bonitätsschwierigkeiten hatten, hat weder die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren behauptet, noch sind solche Umstände hervorgekommen. Bei den als sekundärer Feststellungsmangel gerügten unterlassenen Feststellungen über das „allgemeine Bonitätsrisiko von USI“ handelt es sich um im Revisionsverfahren unbeachtliche Neuerungen. Mangels rechtswidrigen Verhaltens der Erstbeklagten ist daher das in der außerordentlichen Revision allein aufrecht erhaltene Schadenersatzbegehren auf Naturalrestitution nicht berechtigt.

4. Wie das Berufungsgericht zutreffend darlegte, war die Zweitbeklagte lediglich als Erfüllungsgehilfin der Erstbeklagten tätig. Beratungsgespräche erfolgten nur zwischen der Klägerin und Mitarbeitern der Erstbeklagten. Die Klägerin erwarb die gebrauchte Lebensversicherung am 8. 7. 2004 von der USI. Die von der Zweitbeklagten nach Abschluss des Erwerbsvorgangs gesetzten Verhaltensweisen (zB Übermittlung des „Purchase Statements“ an die Klägerin) führen nicht zur ihrer allfälligen Haftung als Vermittlerin oder Maklerin. Die von der Klägerin in diesem Zusammenhang vermissten Feststellungen sind für die rechtliche Beurteilung nicht von Bedeutung.

5. Zusammenfassend zeigt die außerordentliche Revision keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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