OGH 6Ob77/12k

OGH6Ob77/12k22.6.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** KG, *****, vertreten durch Dr. Hans-Dieter Sereinig, Rechtsanwalt in Ferlach, gegen die beklagten Parteien 1. M***** J*****, vertreten durch Mag. Emil Kelih, Rechtsanwalt in Althofen, als Verfahrenshelfer, 2. O***** K*****, vertreten durch Dr. Barbara Martina Rogl, Rechtsanwältin in St. Veit an der Glan, wegen 6.926 EUR sA, über die Revision der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 3. November 2011, GZ 4 R 327/11x‑65, womit das Urteil des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 21. Juni 2011, GZ 21 C 33/10v‑54, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 559,15 EUR (darin enthalten 93,19 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Erstbeklagte beauftragte die Klägerin, in ihrem Haus eine Dachgaupe um den Bruttopauschalpreis von 23.000 EUR zu errichten. Nachdem die Klägerin ihre Arbeiten beendet hatte, lösten sich im Bereich der Gaupe zwei Ziegel. Ein Arbeiter der Dachdeckerfirma, die schon zuvor dort gearbeitet hatte, brachte das in Ordnung. Der Mitarbeiter dieser Dachdeckerfirma sagte der Erstbeklagten, die Isolierung sei nicht ordnungsgemäß gemacht worden. Die Erstbeklagte verständigte die Klägerin davon nicht, sondern verwendete noch im Dachbodenbereich befindliche Reste der Isolierwolle dazu, diese in einen für sie erkennbaren Spalt hineinzustopfen. Sie erkannte, dass diese Reste bei weitem nicht einmal für eine Seite ausreichten, kaufte aber keine weitere Isolierwolle und verständigte auch davon die Klägerin nicht. Die Erstbeklagte kaufte im Lagerhaus Platten und beschäftigte in der Folge ein Maurerunternehmen, wobei sie einen Mitarbeiter dieses Unternehmens anwies, die fehlende Isolierung vorzunehmen. Dieser Mitarbeiter sagte, das gehöre nicht zu seinem Aufgabenbereich, er mache das nicht, seiner Meinung nach würde es aber ausreichen, wenn die Platten dazumontiert würden. Für die Erstbeklagte war klar ersichtlich, dass die Dampfsperre in manchen Bereichen nicht vorhanden war; sie ließ es dennoch zu, dass der Maurer die Platten auf der Innenseite der Außenmauer dazuschraubte. Danach wurde ein Gitter angebracht und der Verputz aufgebracht. In der Zwischenzeit ‑ nach der Befundaufnahme durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen ‑ wurde an der Nordseite bereits die Dampfsperre heruntergezogen, wodurch der bestehende Mangel behoben wurde; zu diesem Zweck wurden die Rigipsplatten zuerst weg- und dann wieder dazugeschraubt. An der Südseite wurde der Mangel im Bereich der Dampfsperre bislang nicht behoben. Nachdem der Maurer die Arbeiten auf der Baustelle bereits fertig ausgeführt hatte und der Klagevertreter wegen Nichtbezahlung der Schlussrechnung tätig wurde, teilte die Erstbeklagte die bestehenden Mängel hinsichtlich der Arbeiten der Klägerin mit.

Die nicht vorhandene Dämmung im Bereich der Dachschräge sowie die nicht bis zum Mauerwerk hinuntergeführte bzw nicht abgeklebte Dampfbremse sind wesentliche technische Mängel. Der Maurer, der die Gipskartonplatten aufbrachte, hätte leicht sehen können, dass die Dampfbremse bzw die Dampfsperre nicht ordnungsgemäß ausgeführt wurde. Er hätte die Gipskartonplatten beim vorhandenen Zustand der Wand dahinter so nicht aufbringen dürfen. Es hätte lediglich die Dampfsperre bzw die Dampfbremse verlängert und danach verklebt werden müssen, was keinerlei funktionelle Beeinträchtigung gebracht hätte.

Wären die von der Klägerin mangelhaft bzw nicht vollständig durchgeführten Arbeiten vor den Arbeiten des Maurers fertiggestellt und die Mängel beseitigt worden, hätte dies 735 EUR netto (somit 882 EUR inkl USt) gekostet. Durch die nachfolgenden Arbeiten des von der Erstbeklagten beschäftigten Maurers erhöhten sich die Sanierungskosten auf insgesamt brutto 4.446 EUR.

Die von der Klägerin hergestellte Dachrinne an der Südseite weist ein unzulässiges Gegengefälle auf. Die Reparatur der Dachrinne kostet 160 EUR zuzüglich 20 % Umsatzsteuer (inkl USt somit 192 EUR).

Die Erstbeklagte hat auf das vereinbarte Gesamtpauschalhonorar bisher 15.000 EUR bezahlt.

Die Klägerin begehrte ursprünglich von beiden Beklagten den restlichen Werklohn von 8.000 EUR, nach Klagseinschränkung um die (ursprünglich notwendigen) Kosten für die Verbesserung der Dämmung (882 EUR) sowie um die Kosten für die Reparatur der Dachrinne (192 EUR) begehrt die Klägerin noch 6.926 EUR sA. (Auch) Der Zweitbeklagte habe sich bereit erklärt, Zahlung zu leisten.

Die Erstbeklagte wendet wegen nicht ordnungsgemäß erfüllten Vertrags mangelnde Fälligkeit ein, es werde weiterhin Verbesserung begehrt.

Der Zweitbeklagte bestritt, der Klägerin einen Auftrag erteilt zu haben, er sei der Schuld der Erstbeklagten auch nicht beigetreten.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte den im Wesentlichen schon wiedergegebenen Sachverhalt fest und folgerte rechtlich, die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts sei schikanös. Der Zweitbeklagte sei der Schuld der Erstbeklagten beigetreten.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren gegen den Zweitbeklagten rechtskräftig ab und bestätigte hinsichtlich der Erstbeklagten das erstgerichtliche Urteil. Es verwarf zwar die Begründung des Erstgerichts, meinte aber, durch die Klagseinschränkung habe die Klägerin die Verbesserung endgültig verweigert, weshalb der Erstbeklagten gemäß § 932 Abs 4 Satz 2 ABGB das Recht auf Verbesserung und somit das darauf gestützte Leistungsverweigerungsrecht nicht mehr zustehe. Die Erstbeklagte könne nur mehr Preisminderung, Wandlung oder allenfalls Ersatz der Verbesserungskosten begehren, habe aber unter diesen sekundären Gewährleistungs- bzw Schadenersatzbehelfen keine Wahl getroffen.

Das Berufungsgericht ließ über Antrag der Erstbeklagten die Revision nachträglich gemäß § 508 ZPO zu, „zumal insbesondere schon die mit der eingebrachten ordentlichen Revision angestrebte Korrektur einer dem Berufungsgericht unterlaufenen krassen Fehlbeurteilung ‑ zutreffendenfalls ‑ dem Obersten Gerichtshof vorbehalten“ sei.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu ist vorweg festzuhalten:

Ändert das Gericht zweiter Instanz den Ausspruch über die Rechtsmittelzulässigkeit ab, hat es den Beschluss gemäß § 508 Abs 3 iVm Abs 1 ZPO sachlich kurz zu begründen. Eine bloße Scheinbegründung ist grob gesetzwidrig (RIS-Justiz RS0111729). Eine solche Scheinbegründung liegt hier vor, weil sich das Berufungsgericht in seiner Begründung zur nachträglichen Zulassung der Revision den Argumenten der Revisionswerberin gerade nicht anschließt, aber auch nicht einmal im Ansatz erkennen lässt, inwiefern es konkret eine krasse Fehlbeurteilung seiner Sachentscheidung für möglich hält (vgl RIS-Justiz RS0111729 [T1]).

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Dem Berufungsgericht ist nämlich eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung unterlaufen, die sich aber nicht auf das Ergebnis auswirkt.

1. Zur endgültigen Verweigerung der Verbesserung durch die Klägerin:

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann in der (nicht mit Anspruchsverzicht verbundenen, vgl RIS‑Justiz RS0039535) Klagseinschränkung durch die Klägerin um die (ursprünglich notwendig gewesenen) Verbesserungskosten nicht mit der nach § 863 ABGB notwendigen Zweifelsfreiheit (RIS-Justiz RS0014146) auf eine Verweigerung der Verbesserung, die nach § 932 Abs 4 ABGB dem Übernehmer das Recht auf Preisminderung oder Wandlung gibt, geschlossen werden. Durchaus denkbar wäre nämlich auch, dass die Klägerin zunächst nur den preisgeminderten Werklohn verlangen wollte und je nach Einigung mit der Erstbeklagten oder nach deren Verlangen es entweder dabei bewenden lassen oder in der Folge doch verbessern und dann von der Erstbeklagten den restlichen Werklohn notfalls mit Klage geltend machen würde.

Darauf, ob die Klägerin die Verbesserung endgültig verweigert hat, kommt es aber aus den folgenden Erwägungen nicht an.

2. Zur mangelhaften Dämmung:

Das Leistungsverweigerungsrecht des Bestellers erlischt, sobald er die Fertigstellung des Werks durch den Unternehmer verhindert oder unmöglich macht oder wenn er das noch unvollendete Werk von einem Dritten vervollständigen lässt (RIS-Justiz RS0021925 [T8]; RS0019929 [T6]; RS0020161 [T7]).

Im Fall 6 Ob 85/05a verweigerte der beklagte Werkbesteller einer Küche deren mögliche Verbesserung durch den klagenden Werkunternehmer. Der 6. Senat führte aus: § 932 Abs 2 erster Satz ABGB sei dahin auszulegen, dass sich der Übernehmer auf die von ihm selbst herbeigeführte „Unmöglichkeit“ der Verbesserung nicht berufen könne. Wenn primär Verbesserung zu gewähren und dem Übergeber damit eine „zweite Chance“ zur Erbringung der geschuldeten Leistung einzuräumen sei, dürfe es nicht im Belieben des Übernehmers liegen, diese Möglichkeit zu vereiteln und dadurch den Vorrang der Verbesserung „ad absurdum“ zu führen (RIS-Justiz RS0120246).

Im Fall 8 Ob 14/08d ließ der klagende Käufer den gekauften mangelhaften Oldtimer nicht vom beklagten Verkäufer, sondern von einer anderen Werkstatt teilweise reparieren. Der 8. Senat führte unter Hinweis auf 6 Ob 85/05a aus, der Übergeber solle also grundsätzlich eine „zweite Chance“ haben, den vertragsgemäßen Zustand herzustellen (RIS-Justiz RS0120246 [T1]).

Mit diesen Fallkonstellationen ist auch der vorliegende Sachverhalt betreffend die mangelhafte Dämmung vergleichbar. Die Erstbeklagte hat durch die von ihr veranlassten Maßnahmen die ursprünglich um einen Aufwand von 882 EUR mögliche Verbesserung vereitelt. Die Klägerin ist zu der jetzt noch möglichen Verbesserung, die etwa das Fünffache (4.446 EUR) kostet, nicht verpflichtet.

Die Erstbeklagte kann sich auf die von ihr herbeigeführte „Unmöglichkeit“ der Verbesserung der Dämmung somit nicht berufen und hat das Leistungsverweigerungsrecht verloren.

Daran änderte auch eine nachfolgende Weigerung der Klägerin zu verbessern nichts. Dieser Umstand ist daher ebensowenig entscheidungswesentlich wie die Frage, ob die Erstbeklagte als sekundären Gewährleistungsbehelf Wandlung, Preisminderung oder allenfalls Ersatz der Verbesserungskosten begehrt. Der gerügte Mangel des Berufungsverfahrens, diese Umstände hätten zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung erörtert werden müssen, liegt daher nicht vor.

Dem Willen des Gesetzgebers kann nicht entnommen werden, dass der in § 932 Abs 2 und 4 ABGB normierte „Vorrang der Verbesserung“ die Konsequenz haben solle, dass der Übernehmer bei „voreiliger Selbstvornahme“ der Verbesserung endgültig mit den gesamten Kosten der Verbesserung belastet bleiben soll (RIS-Justiz RS0123968). Er kann vielmehr den Ersatz seines Aufwands jedenfalls insoweit ersetzt verlangen, als dieser Aufwand auch den Übergeber getroffen hätte (RIS-Justiz RS0123968 [T2]). Die Klägerin hat diesen (ursprünglich notwendigen) Aufwand für die Dämmung durch die Klagseinschränkung von ihrem Werklohn bereits abgezogen, sodass insoweit das Klagebegehren nicht mehr zu mindern ist.

3. Zur mangelhaften Dachrinne:

Die Verbesserung der Dachrinne ist noch möglich. Da der dafür notwendige Aufwand von 192 EUR nur rund 0,8 % des gesamten Werklohns bzw rund 2,7 % des Restwerklohns ausmacht, scheitert diesbezüglich das Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten am Schikaneverbot (vgl 6 Ob 72/00g: 2,8 % vom Restwerklohn bzw 1,7 % vom Rechnungsbetrag: vom Berufungsgericht bejahte Schikane vertretbar; 1 Ob 262/07x: 2 % vom Restwerklohn; 3 Ob 150/04m; RIS-Justiz RS0020161; RS0021730). Auch diesen Verbesserungsaufwand hat die Klägerin durch die Klagseinschränkung vom ursprünglichen Klagebegehren bereits abgezogen.

4. Ergebnis:

Aus den vorstehenden Erwägungen folgt die Fälligkeit des (geminderten) Werklohns und somit die Berechtigung des (eingeschränkten) Klagebegehrens, weshalb die angefochtene Entscheidung zwar nicht in der Begründung, wohl aber im Ergebnis richtig ist.

5. Kosten:

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO. Der Streitgenossenzuschlag steht nicht zu, weil die Revision nur von der Erstbeklagten erhoben wurde.

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