OGH 6Ob72/00g

OGH6Ob72/00g23.10.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Fellinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Markus B*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Gerhard B*****, gegen die beklagte Partei Mag. Ernst H*****, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer und Dr. Siegfried Sieghartsleitner, Rechtsanwälte in Wels, wegen 223.117,76 S, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 22. Dezember 1999, GZ 4 R 150/99b-27, mit dem das Urteil des Landesgerichtes Wels vom 17. Februar 1999, GZ 5 Cg 18/98s-16, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der nunmehrige Gemeinschuldner führte im Auftrag des Klägers Vollwärmeschutz- und Verputzarbeiten an dessen Wohnhaus durch und begehrte den nach Zahlung eines Teilbetrags von 150.000 S noch offenen Restbetrag von 234.860,76 S.

Der Beklagte wendete mangelnde Fälligkeit infolge erheblicher, bislang unverbesserter Mängel sowie des Fehlens ausdrücklich bedungener Eigenschaften ein. Hilfsweise machte er einen Preisminderungsanspruch in Höhe der Klageforderung geltend.

Nach Schluss der Verhandlung erster Instanz wurde über das Vermögen des nunmehrigen Gemeinschuldners das Konkursverfahren eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt.

Das Erstgericht verhielt den Beklagten zur Zahlung von 223.117,76 S und wies das Mehrbegehren von 11.743 S und ein Zinsenmehrbegehren unangefochten ab.

Das Berufungsgericht verwarf die Berufung des Beklagten, soweit sie Nichtigkeit geltend machte, bestätigte das Ersturteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, dass der Verbesserungsaufwand in Ansehung der nur optisch und nur bei genauer Betrachtung erkennbaren Mängel - Abweichen der lotrechten Gebäudekanten von der Geradlinigkeit und teilweise der Kanten der horizontalen Nuten von den einschlägigen Ö-NORMEN im Millimeterbereich, geringfügige Unebenheiten der Putzoberfläche im Bereich der Kanten und bei normalem Licht überwiegend nicht augenfälligen Strukturunterschiede an einigen Stellen - unverhältnismäßig hoch sei, sodass insoweit ein Verbesserungsanspruch zu verneinen sei. Die in der Ausschreibung enthaltene Vorgabe: "exakte und saubere Ausführung der Nuten und Kanten" könne nicht dahin ausgelegt werden, dass über die Qualitätsanforderungen der Ö-NORMEN hinausgegangen werden sollte. Dem Beklagten sei zwar die exakte Ausführung wesentlich gewesen, doch habe der nunmehrige Gemeinschuldner nicht damit rechnen müssen, dass der Beklagte den Fassadenputz nach Fertigstellung auf den Millimeter genau nachmessen werde. Im Übrigen habe der Beklagte keinen Wandlungsanspruch gestellt, sondern beharre auf Verbesserung. Die übrigen vom Erstgericht festgestellten und mit einem Verbesserungsaufwand von insgesamt 6.630 S behebbaren Mängel seien ganz unwesentlich und rechtfertigten nicht die Zurückbehaltung des Großteiles des Werklohnes. Die noch vorhandenen Mängel hätten auf den Verkehrswert keinen Einfluss, weshalb dem Beklagten kein Preisminderungsanspruch zustehe. Der Verbesserungsaufwand sei ohnehin durch die Teilabweisung berücksichtigt worden.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil es zu einem vollkommen vergleichbaren Sachverhalt keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gebe und sich aus der Entscheidung 7 Ob 131/99m = RdW 1999, 780 die Fortbildung der österreichischen Rechtsprechung in Richtung der für den Werkbesteller günstigeren deutschen Rechtslage anzudeuten scheine. Zudem fehle eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der überschießenden Feststellungen für einen unmittelbar vergleichbaren Sachverhalt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist entgegen diesem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichtes mangels Vorliegens erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO unzulässig.

Nach ständiger Rechtsprechung sind sogenannte "überschießende Feststellungen" zu berücksichtigen, soweit sie sich im Rahmen der Prozessbehauptungen halten (RIS-Justiz RS0037972). Da der Beklagte selbst ein umfangreiches Vorbringen zur Frage der Verhältnismäßigkeit der Verbesserungskosten erstattete, kann in der Ansicht des Berufungsgerichtes, es könne dem nunmehrigen Gemeinschuldner nicht zum Nachteil gereichen, dass er sich mit der Bestreitung dieses Vorbringens begnügt habe, weil die Bestreitung ohnehin die Behauptung der Unverhältnismäßigkeit impliziere, keine Verkennung der Rechtslage erblickt werden. Dies gilt auch für die Frage, ob die Verweigerung der Gegenleistung wegen des Schikaneverbotes zu verneinen ist, hat doch der nunmehrige Gemeinschuldner mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, dass die Fälligkeit seiner Werklohnforderung durch vollständige Erfüllung eingetreten sei und ein durch das Gewährleistungsrecht aufrechter Erfüllungsanspruch des Beklagten nicht mehr bestehe (vgl 6 Ob 740/79 ua). Die gegenteiligen Behauptungen des Beklagten hat er auch insoweit bestritten.

Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, kann der Werkbesteller bei Unmöglichkeit oder Unverhältnismäßigkeit der Verbesserung nur Preisminderung begehren (5 Ob 630/89 = SZ 62/169 = JBl 1990, 248 [Rebhahn] mwN). Wo eine Verbesserung nicht in Betracht kommt, ist auch kein Recht zur Verweigerung der Gegenleistung anzuerkennen (6 Ob 740/79 ua, zuletzt 10 Ob 136/98t; RIS-Justiz RS0021925). Die Berechtigung des Einwandes, der restliche Werklohn sei noch nicht fällig, setzt voraus, dass dem Besteller überhaupt ein Verbesserungsanspruch zusteht (1 Ob 577/91 = JBl 1992, 243 mwN). Der vom Unternehmer zu leistende Aufwand ist unter der Voraussetzung unverhältnismäßig, wenn der Vorteil, den die Beseitigung des Mangels dem Besteller gewährt, gegen den für die Beseitigung erforderlichen Aufwand an Kosten und Arbeit so geringwertig ist, dass Vorteil und Aufwand in offensichtlichem Missverhältnis stehen und sich die Beseitigung daher nicht lohnt (6 Ob 58/74 = SZ 47/58 uva, zuletzt 8 Ob 97/00y; RIS-Justiz RS0021717). Die Höhe der Behebungskosten allein ist nicht ausschlaggebend, sondern es ist auf die Wichtigkeit einer Behebung des Mangels für den Besteller Bedacht zu nehmen (7 Ob 131/99m = RdW 1999, 780 = bbl 1999, 242 mwN; 7 Ob 238/99x = ecolex 2000, 422 [Rabl] ua). Hiebei ist nicht nur auf Mängel, die die Gebrauchstauglichkeit des Werkes beeinträchtigen, sondern auch auf die Unzumutbarkeit des Mangels für den Besteller aus sonstigen Gründen Bedacht zu nehmen. Auch der Ästhetik kann unter Umständen eine gewisse Werksfunktion zukommen, nämlich insbesondere dann, wenn das Werk gerade mit Rücksicht auf seine optische Qualität besonders kostspielig ist (7 Ob 131/99m).

Eine Abkehr vom Verhältnismäßigkeitsprinzip bei der Frage des Verbesserungsanspruches nach Gewährleistungsrecht lässt auch die zuletzt zitierte, vom Berufungsgericht zur Begründung seines Zulässigkeitsausspruches herangezogene Entscheidung nicht erkennen. Aus ihr kann nur der Grundsatz abgeleitet werden, dass selbst bloße "Schönheitsfehler", die die Funktionalität eines Werkes nicht beeinträchtigen und nur mit hohem Aufwand beseitigt werden können, unter bestimmten Voraussetzungen die Verbesserung nicht unzumutbar erscheinen lassen.

Ob diese Voraussetzungen im jeweils zu beurteilenden Einzelfall vorliegen, hängt aber von den konkreten Umständen ab. Dass unterschiedliche Sachverhalte zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können, begründet noch kein Abweichen von den von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorgegebenen Grundsätzen. Ein solches Abweichen durch die Vorinstanzen ist im vorliegenden Fall ebensowenig erkennbar wie eine Überschreitung des im Einzelfall jeweils bestehen bleibenden Ermessensspielraumes. Eine richtungsweisende, auch für künftige Rechtsstreitigkeiten Klarheit schaffende Entscheidung, ob bei den hier beschriebenen Abweichungen der Kanten und Nuten von den Ö-NORMEN im Millimeterbereich und den geringfügigen Unterschieden in der Putzoberfläche die zu erwartende Ästhetik eines bestimmten Wohnhauses so stark beeinträchtigt wird, dass selbst etwa den gesamten Werklohn erreichende Verbesserungskosten gerechtfertigt erscheinen, ist auf Grund der unbegrenzten Fülle möglicher Sachverhalte nicht zu erwarten. Auch insoweit liegt daher entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes und den Ausführungen der Revision keine Rechtsfrage von der Qualifikation des § 502 Abs 1 ZPO vor.

Die zweitinstanzliche Beurteilung, dass die restlichen behebbaren Mängel die Zurückbehaltung des Werklohnes nicht rechtfertigen, hält sich im Rahmen der Rechtsprechung zum Schikaneverbot. Demnach besteht ein Zurückbehaltungsrecht betreffend den Werklohn bis zur vollständigen Verbesserung des Werkes dann nicht, wenn die Ausübung dieses Rechtes zur Schikane ausartet. Diese liegt dann vor, wenn das unlautere Motiv der Handlung die lauteren Motive eindeutig überwiegt, es also augenscheinlich im Vordergrund steht, oder auch dann, wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinrächtigten Interessen des Anderen ein krasses Missverhältnis besteht (EvBl 1993/101 mwN ua). Die Interessenabwägung ist nach den Umständen des Falles vorzunehmen. Der Oberste Gerichtshof hat auch bereits ausgesprochen, dass etwa bei einem Verbesserungsaufwand von 5 % des (noch offenen) Werklohns keine Schikane vorliege (EvBl 1993/101).

Im vorliegenden Fall beträgt der Verbesserungsaufwand bloß etwa 2,8 % vom noch offenen Werklohn und 1,7 % vom Rechnungsbetrag (384.860,76 S). Darüber hinausgehende Verbesserungsansprüche wurden von den Vorinstanzen in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Rechtsprechung verneint, sodass auch insoweit von einer Verkennung der Rechtslage zur Frage der Fälligkeit des Werklohnes keine Rede sein kann.

Wie die Bestimmung in der Ausschreibung, dass exakte saubere Kanten auszubilden seien, auszulegen ist, ist eine Frage des Einzelfalles, wobei auch insoweit eine krasse Fehlbeurteilung der Vorinstanzen, die einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte, nicht ersichtlich ist. Es mag zwar sein, dass die millimetergenaue Verputzarbeit an den Kanten der waagrechten Nuten für den Beklagten besonders wichtig war. Die Frage, ob die bedungene Eigenschaft des Werkes für den Vertragsabschluss kausal war, hängt aber nicht allein davon ab, dass der Besteller entsprechende Überlegungen anstellt, sondern auch davon, dass dem Werkunternehmer die Wichtigkeit dieser Eigenschaft erkennbar ist (4 Ob 2258/96d = SZ 69/218 mwN). Ob diese Erkennbarkeit im vorliegenden Fall zu verneinen ist, stellt keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung dar.

Der Beklagte hat in seiner Berufung weder die Ausführungen des Erstgerichtes bekämpft, dass die Wertminderung des ausgeführten Werkes im Verhältnis zum fehlerlosen Werk nur unerheblich sei, noch die daraus gezogene Schlussfolgerung, dass die Wertminderung außer Betracht zu bleiben habe und einen Preisminderungsanspruch des Beklagten nicht rechtfertige. Eine im Berufungsverfahren unterbliebene oder nicht gehörig ausgeführte Rechtsrüge kann nach ständiger Rechtsprechung im Revisionsverfahren nicht nachgeholt werden. Wurde das Ersturteil nur in einem bestimmten Punkt (in bestimmten Punkten) wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten, dann können andere Punkte in der Rechtsrüge der Revision nicht mehr geltend gemacht werden (Kodek in Rechberger, ZPO2, Rz 5 zu § 503 ZPO mit Judikaturnachweisen). Im Übrigen entspricht die vom Erstgericht angewendete relative Berechnungsmethode - der vereinbarte Preis oder Werklohn muss sich zum geminderten Preis oder Werklohn so verhalten wie der objektive Wert der Sache oder des Werkes ohne Mangel zum objektiven Wert der Sache oder des Werkes mit Mangel - der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (jüngst etwa 6 Ob 221/98t; RIS-Justiz RS0018764; Koziol/Welser II11 70 f und 238 mit weiteren Judikaturnachweisen). Da das Erstgericht insoweit unbekämpft von einer - objektiv gesehen - annähernden Gleichwertigkeit ausgegangen ist, geht die hiezu in der Revision unter Berufung auf das Sachverständigengutachten aufgestellte Behauptung, der Wert der Werkleistung sei auf Grund ihrer Mängel um zumindest 65.000 S zu reduzieren, nicht von dem für den Obersten Gerichtshof bindend festgestellten Sachverhalt aus.

Die Revision isat daher mangels Vorliegens erheblicher Rechtsfragen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40 und 50 ZPO. Die Revisionsbeantwortung enthält keine Ausführungen zur Unzulässigkeit der Revision und war daher zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig.

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