OGH 9Ob50/11k

OGH9Ob50/11k29.5.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, Hon.-Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** W*****, Angestellte, *****, vertreten durch Dr. Herwig Rischnig und Dr. Harald Skrube, Rechtsanwälte in Hermagor, gegen die beklagte Partei Dipl.Ing. R***** M*****, Sachverständiger, *****, vertreten durch Mag. Alexander Jelly, Rechtsanwalt in Villach, wegen 24.691,79 EUR sA (Revisionsinteresse 18.591,79 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 12. Juli 2011, GZ 4 R 60/11t‑46, womit das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 1. März 2011, GZ 29 Cg 115/09v‑42, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.119,24 EUR (darin 186,54 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, dass zum Schadenersatzanspruch des Erwerbers gegen den Gehilfen des Treuhänders iSd § 13 Abs 2 BTVG eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle. Die Klägerin macht in ihrem „Revisionsrekurs“ gegen das Berufungsurteil ‑ die unrichtige Benennung ihrer offensichtlich gemeinten Revision ist gemäß § 84 Abs 2 ZPO unerheblich ‑ geltend, dass die Begründung der Zulassung der ordentlichen Revision durch das Berufungsgericht verfehlt sei, weil der Sachverständige gemäß § 13 Abs 2 BTVG nicht als Erfüllungsgehilfe des Treuhänders gelte. Die Revision sei jedoch zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs „zum Umfang des Schadenersatzanspruchs des Sachverständigen“ fehle. Es liege auch noch keine Rechtsprechung zum „Themenbereich“ des Rückforderungsanspruchs des Erwerbers gemäß § 14 BTVG vor. Demgegenüber bestritt der Beklagte ausdrücklich die Zulässigkeit der Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage und beantragte deren Zurückweisung. Der Grund des Anspruchs der Klägerin sei nicht mehr strittig; dessen Höhe sei vom Berufungsgericht aufgrund allgemeiner schadenersatzrechtlicher Grundsätze richtig gelöst worden.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den diesbezüglichen Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Gemäß § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Dies ist hier nicht der Fall. Die Höhe des geltend gemachten Schadenersatzanspruchs kann auf der Grundlage bereits vorhandener Rechtsprechung beurteilt werden. Die Zurückweisung der ordentlichen Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO):

Unstrittig ist, dass die Errichtung der gegenständlichen Wohnungseigentumsanlage aufgrund des am 10. 8. 2007 abgeschlossenen Kauf- und Bauträgervertrags zwischen der Klägerin als Erwerberin und der C*****gmbH als Bauträgerin dem Bauträgervertragsgesetz (BTVG), BGBl I 1997/7, in der Fassung vor der Novelle BGBl I 2008/56, unterliegt (§ 18 Abs 6 BTVG). Mit der vorliegenden Klage nimmt die Klägerin den Beklagten, der beim gegenständlichen Bauvorhaben als allgemein beeideter gerichtlicher Sachverständiger für das Bauwesen mit der Feststellung des Abschlusses der jeweiligen Bauabschnitte betraut war (§§ 10, 13 BTVG), wegen eines an die Bauträgerin verfrüht freigegebenen Betrags von (zuletzt eingeschränkt auf) 24.691,79 EUR sA aus dem Titel des Schadenersatzes in Anspruch. Nach den Verfahrensergebnissen macht die Klägerin zu Recht geltend, dass der Beklagte den Abschluss des Bauabschnitts „Fertigstellung der Rohinstallationen“ verfrüht festgestellt hat. Die Klägerin kann ihren Schadenersatzanspruch gegen den Beklagten auf § 13 Abs 2 BTVG stützen, wonach der Sachverständige dem Erwerber unmittelbar haftet. Davon zu unterscheiden ist ein allfälliger Rückforderungsanspruch des Erwerbers bei vorzeitiger Zahlung gegen den Bauträger nach § 14 BTVG. Ein derartiger Anspruch ist nicht Gegenstand des Verfahrens, weil der Beklagte nicht Bauträger ist. Auf diesen „Themenbereich“ kann daher entgegen der Auffassung der Klägerin die Zulässigkeit der Revision nicht gegründet werden.

Die Klägerin missversteht die berufungsgerichtliche Begründung des Ausspruchs der Zulässigkeit der Revision. Das Berufungsgericht ging nicht contra legem davon aus, dass der Beklagte „Erfüllungsgehilfe“ des Treuhänders gewesen sei, sondern sprach - der teilweise gebrauchten Terminologie im einschlägigen Schrifttum folgend - nur davon, dass der Beklagte im Rahmen der Feststellung des Baufortschritts „Gehilfe“ (bzw „Hilfsperson“) gewesen sei (vgl Aufner/S. Bydlinski, BTVG² § 13 Rz 3, 5; Böhm/Pletzer in Schwimann, ABGB² IV BTVG § 13 Rz 6 f ua). Der Grund der Haftung des Sachverständigen gemäß § 13 BTVG muss hier aber nicht weiter vertieft werden, weil die unmittelbare Schadenersatzpflicht des Beklagten gegenüber der Klägerin von den Vorinstanzen ohnehin rechtskräftig bejaht wurde. Von ihr ist im Revisionsverfahren auszugehen. Die Zulässigkeit der Revision kann daher nicht auf Überlegungen zum Grund des Anspruchs gestützt werden.

Im Revisionsverfahren geht es nur mehr um die Höhe des vom Beklagten zu ersetzenden Schadens. Dies hat die Klägerin erkannt, wobei aber aus dem Umstand, dass eine Rechtsprechung zum Umfang des „Schadenersatzanspruchs des Sachverständigen“ fehle, nichts zu gewinnen ist, weil es hier nicht um einen Schadenersatzanspruch des Sachverständigen, sondern um einen Schadenersatzanspruch gegen den Sachverständigen geht. Auch dieses Versehen der Klägerin kann aber vernachlässigt werden, weil erkennbar ist, was die Klägerin meint.

§ 13 Abs 2 BTVG ordnet die unmittelbare Haftung des Sachverständigen gegenüber dem Erwerber im Zusammenhang mit einer unrichtigen Beurteilung des Baufortschritts an (vgl Gartner, BTVG § 13 Rz 17 ua). Nähere Regelungen zur Ersatzpflicht des Sachverständigen werden im BTVG nicht getroffen. Zum Sinn und Zweck der „Ratenplanmethode“ nach § 10 BTVG, die mit Hilfe der jeweiligen Feststellungen des Sachverständigen zu den einzelnen Bauabschnitten gemäß § 13 BTVG umgesetzt wird, führte der Oberste Gerichtshof bereits unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien (RV 312 BlgNR 20. GP 22) aus, dass es darum geht, eine Entsprechung zwischen den Zahlungen des Erwerbers und der Erhöhung des Wertes der Liegenschaft bzw seines Liegenschaftsanteils durch die inzwischen erbrachten Bauleistungen zu gewährleisten (8 Ob 113/04g; Böhm/Pletzer in Schwimann, ABGB² IV BTVG § 10 Rz 3 ua).

Der Schädiger hat den Geschädigten grundsätzlich so zu stellen, wie er ohne schuldhaftes Verhalten gestellt wäre. Der Schadenersatzanspruch hat den Zweck, dem Geschädigten einen Ausgleich für die erlittene Einbuße zukommen zu lassen (vgl RIS‑Justiz RS0022586, RS0023471 ua). Der Schaden ist durch eine Differenzrechnung zu ermitteln. Dabei ist zunächst der hypothetische heutige Vermögensstand ohne das schädigende Ereignis zu ermitteln und von diesem Betrag der heutige tatsächliche Vermögenswert abzuziehen (vgl RIS‑Justiz RS0030153 ua). Zutreffend ging das Berufungsgericht - wie auch die Klägerin einräumt ‑ davon aus, dass diese Grundsätze auch auf den Schadenersatzanspruch des Erwerbers gegen den Sachverständigen gemäß § 13 BTVG Anwendung finden. Dabei berücksichtigte das Berufungsgericht die Relation von Zahlungen und erbrachten Bauleistungen. Die Schadensberechnung des Berufungsgerichts stellt darauf ab, dass dem strittigen Bauabschnitt nicht ein völliges Fehlen von Leistungen der Bauträgerin zugrundeliegt, sondern 75 % der Rohinstallationen ohnehin erbracht wurden. Der von den Vorinstanzen festgestellte Fertigstellungsaufwand beläuft sich nicht wie eingeklagt auf 24.691,79 EUR, sondern auf 6.100 EUR. Auf die Details der berufungsgerichtlichen Ermittlung der Schadenshöhe geht die Klägerin nicht näher ein. Ihr Versuch, den Schadenersatzanspruch gegen den Sachverständigen gemäß § 13 BTVG mit dem Rückersatzanspruch gegen die Bauträgerin gemäß § 14 BTVG zu vermengen und mit diesem betraglich gleichzusetzen, ist hier nicht zielführend. Der Beklagte hat den Rückersatzanspruch gegen die Bauträgerin nicht vereitelt, sondern durch seine voreilige Annahme des Abschlusses der Rohinstallationen erst begründet.

Der Rückzahlungsanspruch gemäß § 14 BTVG soll eine entsprechende Vorfinanzierung der einzelnen Bauabschnitte durch den Bauträger sicherstellen (vgl Böhm/Pletzer in Schwimann, ABGB² IV BTVG § 10 Rz 3 ua). Nach der Lage des Falls geht es aber infolge Insolvenz der Bauträgerin nicht mehr um eine Vorfinanzierung durch die Bauträgerin, sondern um eine Fertigstellung des vertraglich bedungenen Bauzustands durch Ersatzvornahme. Der Beklagte wurde vom Berufungsgericht rechtskräftig zum Ersatz des mit der Ersatzvornahme verbundenen Aufwands von 6.100 EUR sA verpflichtet. Die Verursachung eines darüber hinausgehenden Schadens hat die Klägerin nicht nachgewiesen (vgl zur Beweislast RIS‑Justiz RS0022686 ua). Mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision der Klägerin zurückzuweisen (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Der Revisionsgegner hat ausdrücklich auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (RIS‑Justiz RS0035979 ua).

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