Spruch:
Der Antrag der klagenden Partei, gemäß Art 89 Abs 2 iVm Art 140 Abs 1 Satz 1 B-VG den Verfassungsgerichtshof anzurufen und ein Gesetzesprüfungsverfahren zur Aufhebung der von der Klägerin näher bezeichneten Bestimmungen des KBGG über die Zuverdienstgrenze wegen Verfassungswidrigkeit einzuleiten, wird zurückgewiesen.
Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung
Der Kläger bezog für seinen am 3. 3. 2005 geborenen Sohn T***** vom 1. 1. bis 30. 9. 2007 Kinderbetreuungsgeld in Höhe von insgesamt 3.966,69 EUR.
Mit Bescheid vom 2. 7. 2011 widerrief die Beklagte die Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes und verpflichtete den Kläger zum Rückersatz, weil der nach § 8 KBGG für das Jahr 2007 maßgebliche Gesamtbetrag seiner Einkünfte (von 22.336,81 EUR) die Zuverdienstgrenze (von 14.600 EUR) - bei weitem (um mehr als 15 %) - überschritten hatte.
Das Erstgericht wies das dagegen erhobene Klagebegehren, den Anspruch auf Rückforderung als nicht zu Recht bestehend festzustellen, ab und verpflichtete den Kläger zur Rückzahlung des Kinderbetreuungsgeldes von 3.966,69 EUR in acht Monatsraten.
Das Berufungsgericht gab den Berufungen des Klägers und seines Nebenintervenienten nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
In ihren außerordentlichen Revisionen machen der Kläger und der Nebenintervenient nur solche Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Regelungen des KBGG über die Zuverdienstgrenze (fiktive Berechnung der maßgebenden Einkünfte) geltend, die bereits das Berufungsgericht mit ausführlicher Begründung (im Hinblick auf die zitierte Judikatur des Verfassungsgerichtshofs) verneint hat.
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionswerber zeigen damit keine Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:
Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 4. 3. 2011, G 184/10, ausgesprochen, dass § 18 Abs 1 Z 1 KBGG verfassungswidrig ist, weil bei der Abgabe nach dieser Bestimmung die Unterhaltsverpflichtungen des rückzahlungspflichtigen Elternteils gegenüber dem anderen Elternteil, dem der Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld gemäß § 9 Abs 1 Z 1 KBGG ausbezahlt wurde, und weiteren Kindern weder bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage noch bei der Höhe des Abgabensatzes berücksichtigt werden, sodass es zu einer unsachlichen Gleichbehandlung von Einkommensbeziehern gleicher Einkommenshöhe ungeachtet der unterschiedlichen Höhe des ihnen zur eigenen Verwendung verbleibenden Einkommens kommt. Der Hinweis des Klägers auf dieses Erkenntnis versagt, weil - wie schon das Berufungsgericht zutreffend aufzeigt - der dort behandelte Fall hier nicht vorliegt. Im Anlassfall geht es um die Rückzahlung des vom Kläger selbst bezogenen Kinderbetreuungsgeldes, auf das er - wie sich rückwirkend herausstellte - keinen Anspruch hatte (§ 2 Abs 1 Z 3 KBGG). Die Verpflichtung zum Ersatz der zu Unrecht empfangenen Leistung nach § 31 Abs 2 KBGG steht nicht in einem Konflikt mit der zivilrechtlichen Unterhaltssituation zwischen den Elternteilen.
Der Oberste Gerichtshof hat bereits am 23. 9. 2008 in mehreren Verfahren, welche die Rückforderung von Kinderbetreuungsgeld wegen Überschreitung der jeweils maßgebenden Zuverdienstgrenze zum Gegenstand hatten, gemäß Art 89 Abs 2 B-VG beim Verfassungsgerichtshof hinsichtlich § 2 Abs 1 Z 3, § 8, § 9 Abs 3, § 12 Abs 1 und Abs 2, § 13 letzter Satzund § 31 Abs 2 zweiter SatzKBGG (jeweils idF BGBl I 2001/103) beantragt, diese Bestimmungen als verfassungswidrig aufzuheben bzw auszusprechen, dass sie (oder näher bezeichnete Wortfolgen) verfassungswidrig waren (vgl RIS-Justiz RS0124062 und die Bem zu RS0124063).
Die Rechtsmittelwerber halten selbst fest, dass der Verfassungsgerichtshof diesen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Verfassungsmäßigkeit nicht gefolgt ist und mit Erkenntnis vom 26. 2. 2009, G 128/08-6 ua, den Gesetzesprüfungsantrag abgewiesen hat. Dem Standpunkt der Rechtsmittelwerber, es sei dennoch die grundsätzliche Frage „offen“, ob die Regelung einer Zuverdienstgrenze beim Kinderbetreuungsgeld „an sich“ verfassungsrechtlich unbedenklich sei, kann daher nicht beigetreten werden. Schon das Berufungsgericht hat (zum Teil unter wörtlicher Wiedergabe der diesbezüglichen, entgegen der Auffassung des Nebenintervenienten keineswegs nur „kursorischen“ Ausführungen des zitierten Erkenntnisses) ausführlich dargelegt, weshalb der Verfassungsgerichtshof in der gesetzlich festgelegten Grenze und der Berechnung der Höhe des Zuverdienstes keine Verfassungswidrigkeit erkennen konnte. In den außerordentlichen Revisionen wird - zu Recht - nicht einmal behauptet, dass die diesbezügliche Argumentation der Berufungsentscheidung eine unvertretbare, vom Obersten Gerichtshof wahrzunehmende Fehlbeurteilung darstelle.
Abschließend ist nur noch zu ergänzen, dass sich der Oberste Gerichtshof erst jüngst ausdrücklich mit der Behauptung befasst hat, mit dem Gleichheitssatz sei es unvereinbar, dass die Rückforderung von Kinderbetreuungsgeld - wie auch der dortige Revisionswerber vorbrachte - nur bei zufällig im Rahmen von Stichproben ausgewählten Fällen erfolge: Zu 10 ObS 66/11w wurde (auch) in dieser Frage auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs verwiesen, wonach einer Partei kein Recht daraus erwächst, dass die Behörde in anderen Fällen Fehlverhalten nicht geahndet hat (hier eine Rückforderung zu Unrecht bezogenen Kinderbetreuungsgeldes unterlassen hat), wäre das Ergebnis doch ein Anspruch auf die Nichtanwendung des Gesetzes trotz gegebener Tatbestandsmäßigkeit (VfGH 30. 9. 1991, B 1361/90, VfSlg 12796; VfGH 25. 9. 2000, B 2405/98, VfSlg 15903).
Demgemäß sieht sich der Oberste Gerichtshof weiterhin nicht zur vom Kläger ausdrücklich beantragten und vom Nebenintervenienten angeregten (neuerlichen) Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof zwecks Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der anzuwendenden Bestimmungen des KBGG veranlasst. Da den Parteien nach ständiger Rechtsprechung ein Recht, vom Gericht die Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof auf Aufhebung eines Gesetzes wegen Verfassungswidrigkeit zu verlangen, nicht zusteht (RIS-Justiz RS0054189 und RS0058452), ist der diesbezügliche Antrag des Klägers zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0053805 [T13]; 10 ObS 175/10y, SSV-NF 22/78 mwN).
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